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Doch wie sollte er ihr das verständlich machen, dachte er mit einem Blick auf die junge Frau neben sich, die begierig ihr Horoskop aufsog.

In der neunundfünfzigsten Straße stieg er aus und schlenderte in Richtung Park Avenue. Für Ende Oktober war es fast unangemessen warm, ein Altweibersommer, und er öffnete im Gehen den Reißverschluss seiner Lederjacke. In diesem Teil der Stadt sahen die Menschen auf der Straße eindeutig anders aus. Hier trug man, anders als im Village, Businesskleidung, wollte beeindrucken und Geschäfte machen. Die Männer steckten in Anzügen, hatten schmale lederne Diplomatenkoffer dabei und sprachen in winzige Mobiltelefone. Die Frauen waren teuer gekleidet, diskreter, aber echter Schmuck glitzerte an ihren Handgelenken, Ohren und Dekolletés. Wann immer Carter hierherkam, in die Welt, die er für Beths Welt hielt, fühlte er sich leicht deplatziert. Ein wenig zu sehr aus dem falschen Teil der Stadt, zu akademisch, um wirklich dazuzugehören.

Die Raleigh Galerie, in der Beth arbeitete, machte es nur noch schlimmer. Sie nahm die ersten beiden Etagen eines Gebäudes im italienischen Stil in der siebenundfünfzigsten East ein, und eine ausladende rote Markise reichte fast bis zur Hälfte über den gedrängt vollen Gehweg. Es war einer jener Orte, die Reiche und Prominente aufsuchten, oft mit ihren eigenen Experten im Schlepptau, um sich den Constable anzusehen, der sich seit Jahrzehnten in irgendeinem Landhaus versteckt hatte, oder eine Skizze von Claude Poussin, die auf mysteriöse Weise aus einem Schweizer Tresorraum ans Licht gekommen war. Das Zusammenleben mit Beth hatte Carter eine nachträgliche, aber gründliche Ausbildung in europäischer Kunstgeschichte beschert. Durch sie hatte er den atemberaubenden Wert dieser Werke zu würdigen gelernt. Ein weiß-behandschuhter Diener hielt ihm die Tür auf und nickte ihm zu, als er ihn erkannte.

»Ihre Gattin ist mit einem Kunden oben«, sagte er.

»Danke.«

Als Carter durch den Hauptraum der Galerie schritt, stellte er fest, dass in den reich verzierten Rahmen an den Wänden mehrere neue Gemälde hingen. Am bemerkenswertesten war das Porträt eines holländischen Bürgers in einem prächtigen, mit Pelz besetzten Mantel.

»Dieses Gemälde eines Bürgers, müssen Sie wissen, wurde einst Rembrandt zugeschrieben.«

Noch ehe er sich umdrehte, wusste er, wer gesprochen hatte. Richard Raleigh, geboren als Ricky Radnitz, hatte zusammen mit seinem Namen auch den Long-Island-Akzent abgelegt. Inzwischen hörte er sich an, als sei er im Mayfair District in London aufgewachsen.

»Morgen«, sagte Carter. »Ich war gerade in der Gegend und dachte, ich überrasche Beth.«

»Wenn Sie mich fragen«, sagte Raleigh, hakte sich bei Carter unter und zog ihn zurück zum Bild, »sollte es immer noch auf Rembrandt zurückgeführt werden. Sehen Sie sich nur die Pinselführung an, achten Sie auf die Details der Kleidung. Welcher Schüler wäre je so brillant gewesen?«

Carter hatte natürlich überhaupt keine Ahnung, und es war ihm auch herzlich egal. Alles, was er wollte, war nach oben gehen, sich Beth schnappen und herausfinden, ob sie Zeit für einen Lunch im Central Park hatte – was, wie er fand, der perfekte Rahmen war, um ihr von Joes bevorstehender Ankunft zu erzählen.

»Ich finde, es sieht unglaublich gut aus«, sagte Carter, »aber ich bin besser darin, Knochen zu beurteilen als Gemälde.«

»Stimmt, Sie sind ja sogar auf noch ältere Dinge spezialisiert als ich«, sagte Raleigh mit einem dünnen Lächeln. Er war ein kleiner adretter Mann, und Beth hatte Carter eines Tages verraten, dass die grauen Strähnen an seinen Schläfen vom Friseur stammten. Raleigh glaubte, dass er dadurch distinguierter und vertrauenswürdiger wirkte.

»Der Portier erwähnte, dass Beth oben sei?«, sagte Carter und zog unauffällig seinen Arm zurück.

»Kennen Sie den Unterschied zwischen einer unangefochtenen Zuschreibung und der Bezeichnung ›aus der Schule von …‹?«

»So aus dem Stegreif nicht.«

»Millionen, mein Junge, Millionen. Bei einem Ölgemälde wie diesem? Da geht es schnell um eine Differenz von fünfzehn, zwanzig Millionen Dollar.«

»Interessant«, sagte Carter und versuchte immer noch, sich in Richtung Treppe zu schieben.

»Beth hat einen neuen Kunden«, warnte Raleigh. »Ich muss Sie bitten, sie nicht zu stören, wenn sie mit ihm spricht.«

Das war es also. Carter war es nicht entgangen, dass Raleigh versuchte, ihn aufzuhalten, und jetzt kannte er den Grund dafür. Beth war Raleighs beste Angestellte, und er konnte stolz auf sie sein. Raleigh war brillant, wenn es darum ging, den Markt einzuschätzen und seine wohlhabenden Kunden zu verhätscheln, doch Beth verfügte über die eigentliche Expertise und ein tiefes Verständnis der Werke, ihrer Schöpfer und ihrer Provenienz.

»Ich tue einfach so, als sei ich ein Kunde.«

»Das würde Ihnen niemand abnehmen«, sagte Raleigh über die Schulter, während er rasch zur Tür strebte, durch die gerade eine reiche junge Tussi hereinschwebte. »Mrs Metzger!«, flötete er, »wie schön, dass Sie es einrichten konnten, kurz hereinzuschauen.«

Carter umfasste das Messinggeländer und stieg die breite, mit rotem Teppich ausgelegte Treppe nach oben. Im Zwischengeschoss waren die Büros versteckt, und vom Treppenabsatz aus führte eine zweite Treppe in die obere Galerie. Er konnte Beth hören, ehe er sie sah, als sie gerade etwas zum Thema Zeichenkunst erklärte.

Am Eingang zur Galerie blieb er stehen, noch im Schatten des Treppenaufgangs verborgen. Beth hatte ihm den Rücken zugewandt, und der Kunde stand neben ihr. Sie trug ihre übliche Arbeitskleidung, einen engen schwarzen Hosenanzug mit weißer Seidenbluse. Ein schwarzes Band hielt ihr Haar in einem kurzen Pferdeschwanz zusammen. Sie nannte es ihren Smoking und sagte, sie trüge ihn aus dem gleichen Grund wie die Männer: um mit dem Hintergrund zu verschmelzen. Der Typ neben ihr hingegen würde mit gar nichts verschmelzen. Er war groß und kräftig, mit kurzem borstigem Haar, und trug einen langen Regenmantel aus einem glänzenden, metallisch schimmernden Stoff.

Während Beth auf verschiedene Aspekte der Zeichnungen hinwies, die vor ihnen auf dem breiten Tisch ausgebreitet waren, musste Carter feststellen, dass der Mann wesentlich mehr Zeit damit verbrachte, Beth zu beobachten anstelle der Zeichnungen. Vielleicht hatte Raleigh es aus diesem Grund so eingerichtet, dass Beth sich um diesen speziellen Kunden kümmern sollte, und dann auch noch in der relativen Ungestörtheit der oberen Galerie. Möglicherweise zählte er darauf, dass ein wenig Erotik helfen könnte, heute ein Geschäft für die Galerie abzuschließen.

»Der große Wert von Zeichnungen«, sagte Beth gerade, »besonders, wenn es sich um Studien und Skizzen handelt, liegt darin, dass man die Hand des Künstlers völlig frei bei der Arbeit sieht. Er arbeitet schnell, improvisiert, probiert aus.«

Der Mann streckte die Hand aus und berührte ihr Gesicht, um ihr, wie Carter annahm, eine Haarsträhne aus der Stirn zu streichen.

Beth verstummte und wirkte einen Moment lang verwirrt.

»Das Haar war im Weg. Ich konnte Ihre Augen nicht mehr sehen.«

»Äh, danke. Aber vielleicht sollten wir uns besser auf die Zeichnungen konzentrieren.«

Carter nahm das als sein Stichwort, weitere Aufmunterungen brauchte er bestimmt nicht. Er räusperte sich geräuschvoll und betrat die Galerie. »Ich hoffe, ich unterbreche keine Verhandlungen«, verkündete er.

»Was für eine Überraschung«, sagte Beth mit Erleichterung in der Stimme.