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»Nächstes Bild, bitte.«

Während das Dia von der Leinwand verschwand und ein anderes an seine Stelle trat, fragte sich Carter Cox, wie viele der Studenten, die in den ordentlichen Reihen des Hörsaals um ihn herum saßen, tatsächlich noch wach waren. Vom beleuchteten Rednerpult aus waren sie unmöglich zu erkennen, aber er wusste, dass sie da oben auf ihren Stühlen kauerten. Das stetige Summen des Diaprojektors erzeugte genau die richtige Menge weißen Rauschens, um sie in den Schlaf fallenzulassen und sogar gelegentliche Schnarcher zu übertönen.

»Es ist bald vorbei«, sagte er. »Halten Sie durch!« Dankbar hörte er kleine Lacher aus verschiedenen Ecken des Saals. »Dies hier ist das letzte Dia für heute. Kann mir irgendjemand von Ihnen sagen, um was es sich handelt?«

Ein paar Stühle knarrten, als die Studenten sich aufrichteten, um besser folgen zu können.

»Sieht aus wie das Fossil eines Dinosauriers«, sagte ein Mädchen irgendwo aus den hinteren Reihen. Sie hörte sich an wie Katie Coyne, eine seiner besten Studentinnen. »Einer der kleineren Karnivoren.«

»In Ordnung, gut. Aber was hat Sie darauf gebracht?«

»Nichts. Ich bin ganz von allein daraufgekommen.«

Gelächter ertönte, und jetzt wusste er definitiv, dass es Katie war.

»Lassen Sie es mich anders ausdrücken, Miss Coyne«, sagte Carter und versuchte, die Kontrolle wiederzuerlangen. »Warum glauben Sie, dass es sich um einen Fleischfresser handelt?«

»Von hier sieht es aus, als hätte das Ding, was immer es einmal war, scharfe, vielleicht sogar sägezahnähnliche Zähne gehabt …«

»Das ist gut, denn es stimmt.«

»… und obwohl es nur schwer zu erkennen ist, könnten seine Füße eventuell Krallen gehabt haben, wie bei einem Greifvogel. Aber das kann ich nicht mit Sicherheit sagen.«

»Sie betrachten also diesen Bereich«, sagte Carter und deutete mit dem Pointer auf den unteren Rand des Dias. Dort waren die gespreizten Füße der Kreatur zu sehen, und es sah in der Tat aus, als besäßen sie Krallen. Doch selbst in seiner Gesamtheit bot das Bild nur wenig Hinweise. Eigentlich war es nicht mehr als der Eindruck schwacher grauer und schwarzer Linien, verdreht, gebrochen und sich an manchen Stellen überlagernd. Und das alles vor dem Hintergrund blaugrauer vulkanischer Asche. Katie hatte ihre Sache gut gemacht, indem sie einige der hervorstechendsten Merkmale herausgepickt hatte. Das wichtigste hatte sie allerdings übersehen.

»Aber was glauben Sie, was dies hier darstellen könnte?«, fragte Carter und zeigte auf eine Stelle am oberen Bildrand, wo ein Knochenvorsprung sich nach oben drehte und in einem schlichten Schnörkel mündete. Selbst Katie hielt den Mund.

»Vielleicht ein Schwanz, mit etwas an seinem Ende«, wagte ein anderer Student.

»Ein gepanzerter Stachel«, sagte Katie, »um andere Raubtiere abzuwehren?«

»Nicht ganz. Bei näherer Untersuchung, wozu dieses Dia wahrscheinlich ziemlich ungeeignet ist, zeigt sich erstens, dass es sich tatsächlich um einen Schwanz handelt. Und zweitens entpuppt sich diese kleine Verbreiterung hier als ein …«, um des dramatischen Effekts willen machte er eine kurze Pause, »Büschel Federn.«

Nur das Summen des Projektors war noch zu hören. Dann sagte Katie: »Ich lag also falsch? Es ist kein Dinosaurier, sondern ein Vogel?«

»In gewisser Weise haben Sie beide Male recht. Es ist ein Dinosaurier mit Federn, genannt Protarchaeopteryx robusta. Merken Sie sich diesen Namen, ich erwarte von Ihnen, dass Sie ihn bei der Abschlussprüfung buchstabieren können. Er wurde in Westchina gefunden und auf die Unterkreide datiert. Und es ist der beste Beweis dafür, dass die heutigen Vögel tatsächlich Nachkommen der Dinosaurier sind.«

»Ich dachte, diese Theorie sei diskreditiert«, sagte Katie.

»Nicht in diesem Seminar«, sagte Carter. »Hier ist die Theorie gesund und munter.«

Die Klingel, bei der es sich in Wahrheit um einen nervigen Summton handelte, ertönte, und die Studenten begannen ihre Bücher und Papiere zusammenzukramen. Sein Assistent schaltete die Lampen im Saal ein, und das Dia verblasste auf der Stelle zur Unkenntlichkeit.

»Dieses Ding, das Sie uns gerade gezeigt haben«, sagte Katie, »wie immer es auch heißt, konnte es fliegen?«

»Nein, sieht nicht so aus«, erwiderte Carter, während die anderen Studenten in Richtung Tür schlurften. Katie war stets die Letzte, die ging, und hatte wie immer noch eine Zusatzfrage für ihn, ehe sie ihre übergroße Armyjacke zuknöpfte und selbst verschwand. Sie erinnerte Carter ein wenig an sich selbst in diesem Alter. Auch er hatte stets versucht, noch ein paar letzte lose Enden zusammenzuknoten oder ein weiteres Stück des Puzzles zu ergattern. Normalerweise trödelte er nach dem Seminar noch eine Weile herum, um eventuelle offene Fragen zu beantworten, heute hatte er allerdings noch einen Termin. Er hatte sich extra einen gelben Zettel auf sein Vorlesungsskript geklebt, damit er es nicht vergaß.

Er zog seine Lederjacke an, stopfte die Unterlagen in seine abgewetzte Aktentasche und verschwand direkt hinter Katie durch die Seitentür.

»Sie glauben also, dass T. Rex ebenfalls Federn hatte?«, fragte sie mit einem Blick über die Schulter.

»Das ist durchaus vorstellbar.«

»Dann wird man wohl Jurassic Park neu drehen müssen.«

»Das werden sie bestimmt auch machen«, sagte er, »und wenn sie schon einmal dabei sind, können sie es auch gleich in Kreidepark umbenennen.«

»Wieso?«

»Weil es den T. Rex vorher gar nicht gab. Wir sehen uns nächsten Donnerstag.«

Draußen war es knackig kalt und herbstlich, einer von diesen Tagen, an denen New York tatsächlich zu funkeln schien. Die Schaufenster leuchteten, Herbstblätter bedeckten die Gehwege, und selbst die Wagen der Brezelverkäufer sahen verlockend aus. Einen Moment lang erwog Carter, an einem haltzumachen, da er zum Lunch nur einen Burrito aus der Mikrowelle gegessen hatte. Doch dann erinnerte er sich an den Artikel in der New York Post über das Ungeziefer in den Lagerhäusern, in denen die Wagen über Nacht untergestellt wurden, und er ging weiter. In Momenten wie diesem tat es ihm häufig leid, dass er diesen Artikel jemals gelesen hatte.

Die Verabredung, bei der er in genau vierzig Minuten erscheinen musste, war in Midtown, und jetzt war er erst am Washington Square. Aber wenn er zügig ging, würde er es vermutlich rechtzeitig schaffen. Ein Taxi würde ein Vermögen kosten, und die Vorstellung, an solch einem schönen Nachmittag in die U-Bahn zu steigen, war wenig verlockend. Er zog den Reißverschluss seiner Jacke hoch und machte sich auf den Weg die Fifth Avenue hinauf, die ausgebeulte Aktentasche unter dem Arm. Zu einer Verabredung, auf die er, wenn er ehrlich war, nicht besonders erpicht war.

Es war ein weiterer Termin beim Arzt, dieses Mal bei einem Fruchtbarkeitsspezialisten, den Beth durch ihre Freundin Abbie aufgetan hatte. Beth war erst zweiunddreißig und Carter ein Jahr älter, aber seit über einem Jahr versuchten sie nun schon, ein Baby in die Welt zu setzen. Bislang ohne Erfolg. Einerseits wollte Carter wissen, wo das Problem lag, andererseits wollte er genau das nicht. Er fürchtete jedoch, es heute Nachmittag auf die eine oder andere Weise herauszufinden.

Seit sechs Jahren waren sie verheiratet, und die meiste Zeit über hatten sie das Thema Kinder vertagt. Nein, falsch. Sie hatten es nicht verschoben, sondern es war einfach nie zur Sprache gekommen. Einmal, weil sie beide so scharf aufeinander waren, dass die Vorstellung, aus einem anderen Grund Liebe zu machen und eine Familie zu gründen, ihnen geradezu absurd erschien. Sex war einfach Sex, und warum sollten sie es sich schwerer machen als nötig? Das war eigentlich keine schlechte Herangehensweise, wie er fand. Sie hatten ziemlich glücklich in einer Art Seifenblase gelebt, in der es nichts gab, außer ihnen beiden. Und es hatte sich nicht so angefühlt, als würde irgendetwas fehlen.