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Der andere Grund war ihre Arbeit gewesen. Carter hatte stets gesagt, dass er nicht einmal über die Gründung einer Familie nachdenken wolle, solange er nicht wusste, dass seine Karriere in trockenen Tüchern war. Bis er zum Beispiel irgendwo eine feste Anstellung hatte. Sein Albtraum war es, so zu enden wie viele andere Promovierte, die er kannte, und sich als herumziehender Wissenschaftler von einer befristeten Stelle zur nächsten zu hangeln. Ein Jahr in New Haven, zwei in Ann Arbor, mit einer Frau und mehreren Kindern im Schlepptau, für die er zu sorgen hätte. Keinen Ort zum Schreiben, keine Zeit zum Nachdenken, keine Freiheit, dorthin zu gehen, wo er hingehen musste, um die Arbeit tun zu können, die er tun musste, um sich einen Ruf zu erwerben. Aber das war kein Problem mehr. Seit achtzehn Monaten war er fest bei der New York University angestellt und Inhaber des erst kürzlich gestifteten Kingsley-Lehrstuhls für Paläontologie und Integrative Biologie. Und damit galt diese Ausrede nicht mehr.

An der einunddreißigsten Straße bog er rechts ab und steuerte auf den Bereich der First Avenue zu, den er inzwischen für sich die Medizinwelt nannte. Als er einmal mit einem Taxi in einen Unfall verwickelt war, hatte der Notarzt ihn hierhergebracht. Als er nach einem Kletterunfall mit einer Verletzung am rechten Bein einen Orthopäden aufsuchen musste, war er hierhergekommen. Und die Praxis, in der er anschließend Physiotherapie bekommen hatte, lag ebenfalls nur einen halben Block entfernt. Er betrat also ein im Großen und Ganzen recht vertrautes Gebiet.

Was nicht bedeutete, dass er sich hier wohlfühlte.

Dr. Westons Praxis nahm die gesamte zweite Etage eines unauffälligen Krankenhausanbaus ein. Eine zweiflügelige polierte Eichentür trug seinen Namen in hervorgehobenen, drei Zentimeter hohen, vergoldeten Buchstaben, darunter die Buchstaben P. C. für Private Corporation. Seit wann, fragte Carter sich, gebärdeten Ärzte sich eigentlich wie Geschäftsleute? Er wurde durch den eleganten Empfangsbereich und den Korridor mit Holztäfelung und Perserteppichen zu Dr. Westons Heiligtum geführt. Carter gewann immer mehr den Eindruck, eine Investmentbank und keine Arztpraxis zu besuchen. Dieses Gefühl wurde noch verstärkt, als er das Büro mit Blick auf den East River betrat.

Beth war bereits da und saß in einem der beiden Sessel vor dem antiken, mit Schnitzereien verzierten Schreibtisch des Arztes. Als Carter eintrat, stand Dr. Weston auf, um ihm die Hand zu schütteln. Er trug keinen weißen Kittel, sondern einen gerade geschnittenen dunklen Anzug. Der einzige Gegenstand im Raum, der etwas mit Medizin zu tun hatte, war ein Leuchtkasten an einer Wand, auf dem der Arzt sich vermutlich gelegentlich Röntgenbilder anschaute.

Carter fühlte sich eindeutig unpassend gekleidet.

»Ihre Gattin hat mir soeben ein wenig über ihre Arbeit in der Galerie erzählt«, sagte Dr. Weston und nahm wieder auf seinem roten Lederdrehstuhl mit der hohen Lehne Platz. Er war ein schlanker Mann und wirkte auf Carter wie einer jener Männer, die ständig ihre Runden um den See im Central Park liefen. »Zufällig sammle ich selbst Kunst.« Er deutete auf ein riesiges schauderhaftes abstraktes Ölgemälde neben der Tür. Carter wusste, dass das genau die Sorte Bilder war, die Beth verabscheute.

»Das ist ein Bronstein«, fügte er stolz hinzu.

Verstohlen warf Carter einen Blick auf Beth, auf deren Gesicht ein freundliches, aber geheimnisvolles Lächeln lag. Ihr schwarzes Haar war zu einem straffen Pferdeschwanz zurückgebunden, und der Ausdruck ihrer tiefbraunen Augen blieb unverbindlich. »Ich fürchte, unsere Galerie hat sich auf wesentlich ältere Stücke spezialisiert«, sagte sie. »Für uns ist Renoir topaktuell.«

»Ich würde mir trotzdem bei Gelegenheit gerne ansehen, was Sie dahaben. Man kann nie wissen, was einem ins Auge fällt«, sagte er und wandte sich endlich einigen Notizen zu, die er sich gemacht hatte. »Und Sie, Mr Carter, sind, wie ich sehe, Wissenschaftler?«

»Paläontologe, in erster Linie.«

Dr. Weston nickte bedeutungsvoll, als würde er sich auskennen. »Unterrichten Sie?«

»An der NYU.«

»Sehr gut. Ich habe mein Praktikum dort an der Uniklinik gemacht.«

Weston hielt den Kopf gesenkt und blickte auf eine Tabelle in der offenen Mappe vor ihm auf dem Tisch. Ein paar Sekunden lang schwieg er, während er die Informationen studierte. Carter nahm an, dass die Mappe ihre persönlichen Daten enthielt, Alter, medizinische Vorgeschichte und so weiter. Einige dieser Fragen hatte er bereits einer Krankenschwester am Telefon beantwortet. Carter ergriff Beths Hand und drückte sie.

»Bin ich zu spät gekommen?«, flüsterte er.

»Für deine Verhältnisse nicht«, sagte sie lächelnd. »Wie ist das Seminar gelaufen?«

»Es wäre schwer, da was falsch zu machen – es kommt mir vor, als hätte ich alles schon tausendmal erzählt.«

»Wie lange versuchen Sie jetzt schon zu empfangen?«, unterbrach Dr. Weston sie, ohne aufzuschauen.

»Seit über einem Jahr«, erwiderte Carter.

»Vierzehn Monate, und es werden immer mehr«, sagte Beth.

Weston korrigierte die Eintragung auf der Tabelle. Dann las er weiter.

»Hast du Lust, heute Abend ins Luna zu gehen?«, fragte Carter seine Frau.

»Geht nicht. Wir haben einen privaten Empfang für ein paar Kunden.«

»Wie lange dauert es?«

Beth zuckte die Achseln. »Wenn es so aussieht, als seien sie in Kauflaune, könnte es spät werden. Halb neun, neun.«

Jetzt blickte Weston zu ihnen auf. »Wie häufig hatten Sie innerhalb dieser vierzehn Monate regelmäßigen Geschlechtsverkehr?«

Selbst wenn Dr. Weston Carter für so etwas wie einen Forscherkollegen hielt, überraschte ihn die Frage dennoch.

»Vier-bis fünfmal die Woche«, antwortete Beth.

Stimmte das? Carter musste erst nachdenken.

Weston notierte die Zahl.

Ja, sie hatte recht, jetzt, wo Carter genauer darüber nachdachte. War das normal für verheiratete Paare? Man konnte es nie wirklich wissen.

»Also gut«, sagte Dr. Weston, lehnte sich in seinem Sessel zurück und schob die Ärmel hoch.

Unwillkürlich fiel Carters Blick auf die goldenen Manschettenknöpfe.

»Sie sind beide jung, so dass wir, solange wir nicht doch noch auf irgendwelche Schwierigkeiten stoßen, meines Erachtens höchstwahrscheinlich Erfolg haben werden.«

»Aber warum hat es bisher noch nicht geklappt?«, fragte Beth. »Ich meine, mit was für Schwierigkeiten genau rechnen Sie?«

Dr. Weston antwortete nur ausweichend. »Eine Menge Dinge kann die Empfängnis erschweren, von einem blockierten Eileiter bis zu einer zu geringen Spermienanzahl, aber die gute Nachricht ist, dass wir heutzutage Mittel und Wege haben, um nahezu alle Probleme zu umgehen. Ich schlage Ihnen Folgendes vor …«

Während der nächsten fünfzehn Minuten skizzierte Dr. Weston eine Reihe von Schritten, angefangen von einem Tagebuch über ihren Geschlechtsverkehr bis hin zu dem Vorschlag, dass sie die Stellung verändern sollten, um die besten Voraussetzungen für eine Empfängnis zu schaffen. Insbesondere Carter erhielt den Rat, Boxershorts anstelle von Slips zu tragen, weil dann die Temperatur im Hodensack niedriger sei, woraufhin mehr und beweglichere Spermien produziert würden. Außerdem sollte er einen weiteren Termin vereinbaren, um seine Spermien zählen zu lassen.

»Ich soll also herkommen und eine … Spermienprobe hierlassen?«, fragte Carter.

»Ja. Ich möchte, dass Sie sich vierundzwanzig Stunden vor dem Termin jegliche sexuelle Aktivität – oder, um genauer zu sein: jede Ejakulation – versagen. Morgens ist der beste Zeitpunkt.«

Beth empfahl er, sich einen eigenen Termin für eine umfassende Untersuchung geben zu lassen, dann stand Dr. Weston unvermittelt auf und reichte ihnen erneut über den Schreibtisch hinweg die Hand. »Ich denke, in Ihrem Fall werden wir außerordentlichen Erfolg haben«, sagte er.