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»Also«, sagte die Sekretärin, »wie wäre es mit Donnerstag um drei Uhr?«

Carter brauchte eine Sekunde. »Oh – sicher, das geht.« Er warf einen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass er zu spät kommen würde. Wieder einmal. Er musste zum St. Vincent’s, zu dem Gipfeltreffen, das sowohl Ezra als auch Joe eingefordert hatten.

Als er an die Kreuzung gegenüber vom Haupteingang des Krankenhauses kam, musste er an der Ampel warten. Das verschaffte ihm genügend Zeit, um festzustellen, dass das Schild vor dem alten Sanatorium, auf dem der Bau der Villager-Genossenschaftswohnungen angekündigt wurde, jetzt mit einem neuen Banner protzte. Darauf hieß es:

GRUNDSTEINLEGUNG AM 1. JANUAR!

VERKAUFSBÜRO ÖFFNET IN KÜRZE.

Er meinte sogar, jemanden hinter den Fenstern im obersten Stock zu sehen, vielleicht einen Mitarbeiter des Abrissunternehmens. Nur in New York City, wo der Immobilienmarkt selbst jetzt noch verrückt spielte, konnte ein Bauunternehmer damit rechnen, dass die Leute Schlange standen, um eine Wohnung in einem Gebäude zu erwerben, das bislang nur auf dem Papier existierte.

Als er schließlich die Verbrennungsintensivstation erreichte, hörte er bereits Ezras Stimme aus Joes Zimmer. Verdammt, eigentlich hatte er die beiden einander vorstellen wollen. Außerdem wollte er dabei sein, um, falls nötig, den ersten Schock, den Ezra möglicherweise bei Joes Anblick zeigen könnte, zu überspielen.

Doch als er eintrat, stellte er fest, dass er sich unnötig Sorgen gemacht hatte. Ezra hatte sich einen Stuhl neben das Bett gezogen, und Joe wandte ihm aufmerksam den Kopf zu. Sie erweckten den Eindruck von engen Verbündeten, die es ihm geradezu verübelten, dass er sie störte. Zum Gruß hob Joe seine verbrannten Finger, und Ezra nickte kurz, um sogleich mit seinen Ausführungen fortzufahren.

»Lasst euch durch mich nicht stören«, sagte Carter, hockte sich auf die Heizkörperabdeckung auf der anderen Seite des Bettes und ließ seine Aktentasche neben sich fallen. Darin befand sich Joes Kruzifix, das er ihm in einem ungestörten Moment zurückzugeben gedachte.

»Ich habe Joe gerade von einem Mann erzählt, den ich gesehen habe«, wiederholte Ezra, »demjenigen, der dem Felsen entstiegen ist.«

Carter fühlte sich, als würde er plötzlich im freien Fall das Kaninchenloch hinunterstürzen. »Ach ja?«, sagte er skeptisch. »Und was haben Sie ihm erzählt?«

»Seinen Namen.«

Carter blickte demonstrativ auf seine Uhr. »Ich bin nur fünfzehn Minuten zu spät dran, und wir sind bereits zu dem Schluss gekommen, dass tatsächlich ein Mann aus dem Fels geklettert ist …«

»Er ist es«, krächzte Joe.

»Und wir kennen außerdem seinen Namen?«

»Das tun wir«, sagte Ezra. »Er lautet Arius. Und er ist einer der Wächter.«

»Der was?«

»Der Wächter. Ein Orden aus Engeln, die bereits existierten, ehe die Zeit, wie wir sie kennen, begann.«

Es war reines Glück, dass Carter bereits saß. Er blickte von einem zum anderen, um herauszufinden, ob sie ihn nicht vielleicht irgendwie verulkten, aber er merkte sofort, dass dem nicht so war. Joes Miene war unerschüttert, und Carter begriff plötzlich, dass sich eine neue Allianz gebildet hatte. Er war überstimmt worden. Endlich hatte Joe jemanden gefunden, der seinen Bericht akzeptierte, und der glaubte, dass das, was er gesehen hatte, mehr war als die Halluzination eines schwerverletzten Mannes. Und Ezra hatte einen Mitstreiter gefunden, der sich seine haarsträubenden biblischen Theorien anhörte.

Es lag allein an Carter, ob er mit einsteigen oder abspringen wollte. »Also gut. Wenn er, wie ihr sagt, ein Engel ist«, sagte Carter und versuchte, aufgeschlossen zu klingen, »dann lasst mich ein paar Fragen stellen. Erstens, warum ist Bill Mitchell tot? Und zweitens, warum liegt Joe hier und wartet auf eine Hauttransplantation? Sollten Engel nicht über uns wachen und uns vor Leid beschützen?«

»Nein, nicht unbedingt«, sagte Ezra. »Es gibt alle möglichen Arten von Engeln. Manche von ihnen sind Freunde der Menschheit, andere nicht.«

Und wie viele können auf einem Stecknadelkopf tanzen?, dachte Carter. Joe musste seinen Gedanken gelesen haben.

»Bones, bitte«, sagte er ernsthaft. »Ezra … kennt sich mit diesen Dingen aus.«

Aus Rücksicht auf Joe schluckte Carter seine Skepsis ein weiteres Mal herunter. »Dieser Engel, von dem Sie … du redest, dieser Arius, ist also einer von den Bösen?«

»Das habe ich nicht behauptet. Die Wächter wurden von Gott berufen, um die Entwicklung der Menschheit zu überwachen, und um ihnen Dinge beizubringen – alles vom Ackerbau bis zum Bogenschießen.«

»Sie haben uns Pfeil und Bogen gegeben?«, fragte Carter.

»Zusammen mit der Sprache und der Literatur, Astronomie und Kunst«, fuhr Ezra fort und weigerte sich, nach Carters Köder zu schnappen. »Es erklärt, wie er es schafft, hier zu überleben, wie es ihm gelingt, im New York von heute zurechtzukommen.«

Ein weiterer harter Brocken für Carter. »Ach, jetzt ist er also nicht nur lebendig, nach ein paar hundert Millionen Jahren, sondern auch noch ein ganz normaler New Yorker? Mit einem Job und einer Wohnung?«

Wütend starrte Ezra ihn an. »Es erklärt«, sagte er in sorgfältig bemessenem Ton, »warum er in der Lage ist, unsere Sprache, Gewohnheiten und Gebräuche in einer unglaublichen Geschwindigkeit aufzunehmen. Man könnte sagen, dass er diese Dinge erfunden hat. Ohne das, was die Wächter uns vermittelt, ohne diesen Funken des göttlichen Feuers, das sie uns geschenkt haben, wäre niemand von uns dort, wo er heute ist. Und damit meine ich die gesamte Menschheit.«

»Und jetzt?«, fragte Carter. »Will er seine Geschenke zurückhaben? Ist er nicht glücklich damit, wie wir sie benutzen? Ist er deshalb hier?«

Ezra blickte hinüber zu Joe. »Über seine Pläne sind wir uns noch nicht im Klaren. Wir sprachen gerade darüber. Ich muss noch weiter daran arbeiten.«

»Woran?«, fragte Carter, obwohl er sich das denken konnte. »An den Schriftrollen? Du glaubst, dass etwas, das vor unzähligen Jahren aufgeschrieben und in einer Wüstenhöhle versteckt wurde, dir das sagen wird?«

»Gut möglich. Und vielleicht verrät es uns auch, was mit ihm geschah und warum er fiel, vor so langer Zeit.«

Carter fuhr sich mit der Hand durch das dichte braune Haar. Er kam sich vor, als habe er eine Irrenanstalt betreten und versuchte, aus dem Gebrabbel der Insassen schlau zu werden. Wenn man der Unlogik zu Leibe rücken wollte, musste man Stück für Stück des Phantasiegebildes entfernen, damit sie selbst einsahen und begriffen, wie irrational es war. Aber wo sollte er anfangen?

»Warum denkst du«, fragte Carter schließlich Ezra, »dass er keinen Flug nach Paris oder einen Greyhound nach Florida genommen hat? Warum glaubst du, dass Arius immer noch hier in New York ist?«

»Ganz einfach«, sagte Ezra und lehnte sich so weit zurück, dass die Vorderbeine seines Stuhls sich vom Boden lösten. »Ich habe ihn getroffen.«

Jetzt, dachte Carter, bin ich ganz unten im Kaninchenloch und auf direktem Weg ins Wunderland. »Du hast«, sagte er langsam, »diesen Engel getroffen?«

»Er war auf der Spendenparty für den Bürgermeister in unserer Wohnung.«

Meinte er das ernst?

»Und ich habe den starken Verdacht, dass er meine Stiefmutter schwer verletzt hat. Deshalb sagte ich, dass ich noch nicht weiß, was seine Absichten sind. Da tappe ich ebenso im Dunkeln wie du.«

Betrübt schüttelte Carter den Kopf. »Das bezweifle ich.«