»Sie können es mir jetzt zurückgeben«, sagte Finley, nahm das Papier und stopfte es zusammengefaltet zurück in die Tasche.
»Tut mir leid, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen kann«, sagte Carter.
Der Detective nickte und bog rechts ab. »Welche Adresse?«
»Drei Blocks weiter, an der Ecke.«
Der Detective fuhr eine Weile schweigend, dann sagte er: »Vielleicht gibt es doch eine Sache, bei der Sie mir helfen könnten.«
»Ich werde es versuchen.«
»Der Gerichtsmediziner sagte, der Mann sei an den Verbrennungen gestorben.«
Carter wartete. War das nicht ziemlich offensichtlich?
»Aber da gibt es eine Merkwürdigkeit. Der Körper ist von innen nach außen verbrannt.«
Carter war verwirrt. »Falls Sie mich fragen, ob spontane Selbstverbrennungen tatsächlich vorkommen können, muss ich eindeutig verneinen.«
»Das habe ich auch gedacht. Aber da die beiden einzigen anderen Brandopfer, die ich dieses Jahr gesehen habe, in Ihrem Labor genau auf der anderen Straßenseite gearbeitet haben, dachte ich, Sie könnten mir vielleicht weiterhelfen.«
Carter wusste nicht, was er sagen sollte. »Zufall?«, schlug er schließlich vor.
Hinter der Kreuzung fuhr der Detective an den Straßenrand und hielt an. »Vielleicht«, sagte er. »Aber dann muss es schon ein ziemlich gewaltiger Zufall sein.«
Das können Sie laut sagen, dachte Carter, behielt es jedoch für sich. »Danke fürs Mitnehmen«, sagte er und versuchte, nicht den Eindruck zu erwecken, als könne er es gar nicht abwarten, aus dem Auto zu kommen.
Der Detective wartete, bis Carter die Straße vor ihm überquert hatte, und fuhr davon.
Zum ersten Mal, seit er zu Finley in den Wagen gestiegen war, holte Carter tief Luft. Er hatte das ungute Gefühl, dass er ihn wiedersehen würde.
Als er Dr. Permuts Labor betrat, war Ezra bereits dort. Pünktlichkeit war nicht Ezras Problem. Seinen Fakultätskollegen allerdings hätte Carter fast nicht wiedererkannt. Letztes Mal, als er hier gewesen war, um das Bruchstück von Ezras Schriftrolle zur Analyse vorbeizubringen, war Permut wie aus dem Ei gepellt gewesen, kein Härchen war verrutscht, sein weißer Laborkittel fleckenlos und von oben bis unten zugeknöpft.
Aber jetzt sah er aus, als hätte er seit Tagen nicht mehr geschlafen. Das Haar war ungekämmt, der Laborkittel zerknittert und schmuddelig, und selbst hinter der Brille konnte Carter die dunklen Ringe unter den Augen erkennen.
»Ich bin froh, dass Sie es heute geschafft haben«, sagte Dr. Permut und schloss demonstrativ die Tür hinter ihnen. »Ich will damit nicht länger warten.«
»Wir auch nicht«, sagte Carter. »Ezra hier, für den Fall, dass er Ihnen das noch nicht erzählt hat, ist der Eigentümer der Schriftrolle, die Sie analysiert haben.«
»Ja, er hat es erwähnt«, sagte Dr. Permut und wandte sich rasch dem Labortisch zu. »Ich werde mit Ihnen die Ergebnisse durchgehen, wie sie mir vorliegen«, sagte er, »und Ihnen steht es frei, daraus zu machen, was Sie wollen.«
Carter und Ezra wechselten einen Blick, dann folgten sie dem sichtlich verstörten Wissenschaftler zum Tisch, auf dem große Datenblätter mit dichten Sequenzen aus Zahlen und Buchstaben ausgebreitet lagen. Obwohl er sie genauso wenig entziffern konnte wie beim ersten Mal, erkannte Carter sie als das, was sie waren. Ezra erging es offensichtlich genauso.
»Das sind DNA-Codierungen«, sagte er. »Das habe ich schon einmal gesehen.«
»Gut«, sagte Dr. Permut, fummelte in seiner Tasche herum und holte eine Rolle Pastillen hervor. »Eine Sache weniger, die ich erklären muss.« Mit einem Finger stieß er auf den rechten Ausdruck und sagte zu Carter: »Das sind die Ergebnisse, die ich Ihnen letztes Mal gezeigt habe, von der Fossilprobe.«
»Okay«, sagte Carter, »ich verlasse mich da ganz auf Sie.«
»Sie sind das, was ich als spekulative DNA bezeichne«, erklärte er Ezra. »Das meiste davon konnten wir zusammensetzen, aber bei ein paar kritischen Verbindungsstellen waren wir auf wohlbegründete Vermutungen angewiesen, um die Lücken zu füllen und zu überbrücken.«
Ezra nickte, während Permut sich eine Pastille in den Mund schob und anschließend die Rolle zurück in die Tasche steckte.
»Der Prozess nennt sich PCR oder Polymerase-Kettenreaktion.«
»Und das bedeutet?«
»Es bedeutet, dass wir die Probe zu einem Pulver zermahlen und anschließend Siliziumdioxid hinzufügen, weil das alle DNA-Spuren bindet, die noch übrig sind. Dann sind wir mithilfe der PCR in der Lage, die Fragmente der DNA zu verstärken und über eine Million Kopien von beispielsweise einem einzigen Molekül zu machen.«
»Damit Sie es besser lesen können?«, fragte Carter.
»Damit wir es überhaupt lesen können«, erklärte Permut.
»Aber ich weiß bereits, dass Sie nichts damit anzufangen wissen«, sagte Carter. »Das sind wir beim letzten Mal schon durchgegangen.«
»Das war, bevor Sie mir die Probe von der Schriftrolle gebracht haben. Sehen Sie sich das an«, sagte Permut und tippte mit dem Finger auf das linke Datenblatt. »Sehen Sie, wie ähnlich sich die Sequenzen sind?«
Carter sah sich die Papierausdrucke an, ebenso wie Ezra, und ja, er konnte vage erkennen, wie sehr manche Muster und Abfolgen von Zahlen und Buchstaben sich ähnelten. Aber wie kam das? Was hatte das eine mit dem anderen zu tun? Als er aufblickte, stellte er fest, dass Permut seine Gedanken erraten hatte.
»Seltsam, nicht wahr?«, sagte er mit einem leicht schiefen Lächeln. »Ein Stückchen Knochen und ein Fitzelchen Pergament, die so wunderbar zusammenpassen?«
»Ja, das ist seltsam«, stimmte Carter zu.
»Wenn Sie diese beiden genauer vergleichen – und glauben Sie mir, das habe ich getan –, werden Sie sogar feststellen, dass die DNA, die wir aus dem Pergament isolieren konnten, perfekt die Lücken im Genom des Fossils füllt.«
Permut wippte auf den Fersen und ließ seine Worte wirken. Das einzige Geräusch im Raum war das Quietschen seiner Gummisohlen auf dem Linoleumfußboden.
»Sie sagen also«, wagte Ezra sich schließlich vor, »dass diese beiden Proben von derselben … Quelle stammen?«
Permut schürzte die Lippen und legte den Kopf zur Seite. Auf Carter wirkte er leicht verstört.
»Noch besser«, sagte Permut. »Ich werde Ihnen etwas zeigen, bei dem Sie Augen machen werden.«
Er machte einen Schritt zur Seite und gab den Blick frei auf ein glänzendes weißes Trinokular-Mikroskop auf dem Labortisch hinter ihm. Carter erkannte es als Meiji ML 2700, ein Modell, für das er hätte töten können, um es in seinem eigenen Labor zu haben. »Werfen Sie einen Blick hier hinein«, sagte Permut. »Der Objektträger liegt bereits.«
Ezra, der näher stand, ging als Erster hin. Als er sich über das Okular beugte, sagte Permut: »Sie sehen eine Probe des Pergaments.«
Ezra blieb ein paar Sekunden lang reglos stehen, dann richtete er sich auf.
»Carter, Sie sind dran«, sagte Permut.
Ezra trat beiseite, mit einem merkwürdigen Ausdruck auf seinem Gesicht – als hätte er das Gefühl, sich irgendwie rechtfertigen zu müssen.
Carter senkte den Kopf, und nachdem er den eingebauten Kohler-Beleuchter justiert hatte, sah er etwas, das zuerst wie eine dieser Vergrößerungen der Marsoberfläche wirkte. Eine unebene gelbe Fläche voll Gruben und Kratern, hier und da durch enge verbogene Kanäle halbiert. Aber diese Kanäle waren nicht leer und trocken. Sie waren mit einer leicht violett-roten Flüssigkeit gefüllt, die durch sie hindurchströmte, rhythmisch pulsierend wie Blut.
»Was haben Sie der Probe beigefügt?«, fragte Carter ohne aufzublicken. »Einen Farbstoff oder so etwas?«
»Nein. Was Sie da sehen ist das, was wir fälschlicherweise für Tinte gehalten haben«, sagte Permut. »Tatsächlich ist es aber Blut.«