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»Was zum Teufel ist das?«, frage Ezra. »Das sieht ja aus wie der Fummel einer Nutte.«

»So ist es«, sagte Carter. »Der Mantel gehörte dem Transvestiten, der Arius als Erster gesehen hat.«

Ezra schwieg. »Noch eine Trophäe?«

Carter nickte.

Ezra, dem anscheinend etwas auffiel, das Carter entgangen war, kletterte über den Rand des Beckens und zog den Mantel auf. Flüsternd sagte er: »Aber schau dir an, was darunter ist.«

Carter richtete den Strahl seiner Taschenlampe darauf, und jetzt konnte er ebenfalls das Pergament erkennen, das gleich einer Haut fest um den Torso der Statue gewickelt war. »Meine Schriftrolle«, sagte Ezra. Hastig schob er den Mantel von den Schultern der Statue und ließ ihn in das trockene Becken fallen.

»Was tust du da?«, fragte Carter. »Lass die Rolle in Ruhe!«

»Warum sollte ich?«

»Hast du schon vergessen, was in deiner Wohnung passiert ist?«

»Ich habe nicht vor, sie hier zu lassen«, sagte Ezra und warf Carter über die Schulter einen finsteren Blick zu. »Es ist die bedeutendste Entdeckung der Weltgeschichte, und dieses Gebäude wird in wenigen Tagen abgerissen.«

Erneut drehte er sich um, und ehe Carter ihn aufhalten konnte, hatte er das Ende der Rolle, das über die Schulter der Statue drapiert war, zwischen den Fingern. Vorsichtig begann er, die Schriftrolle abzupellen. Kaum begann sich das Pergament zu lösen, da vernahm Carter das vertraute leise Summen und sah das pulsierende lavendelblaue Licht.

»Ezra, hör auf!«

Doch die Schrift entrollte sich weiter, das Summen wurde lauter und das Licht dunkler. Ezra machte einen Schritt zurück, als sei er überrascht über das, was er ausgelöst hatte.

»Ich habe gesagt, hör auf«, sagte Carter.

»Das habe ich doch!«, sagte Ezra, während die Rolle sich von selbst abwickelte, gleich einer Schlange, die sich von einem dünnen Baum löste.

Das Licht wurde intensiver, wurde zu einem kräftigen pulsierenden Violett. Das Summen wurde durch ein Knistern ersetzt, als würden trockene Zweige unter ihren Füßen zerbrechen.

»Komm zurück«, sagte Carter und packte Ezra am Ärmel, aber Ezra weigerte sich. »Ich glaube nicht, dass sie uns etwas anhaben kann«, sagte er. »Nicht, solange wir den Lehm aus Jerusalem tragen.«

»Hast du vor, es auszuprobieren?«

Ezra streckte die Hand aus. »Ja.« Er berührte die Schriftrolle, gerade, als Carter erneut nach seinem Arm griff, und es war, als würde plötzlich ein heftiger Stromschlag sie beide treffen. Ezra wurde in die Luft gehoben, und mit einem fürchterlichen dumpfen Geräusch prallte sein Kopf auf dem Beckenrand auf.

Carter wurde umgerissen und gegen eine der hölzernen Säulen geschleudert. Das Messer, das in seinem Gürtel steckte, schlitterte über den Boden.

In einer senkrechten Säule aus immer stärker werdendem Licht wirbelte die Schriftrolle empor und tauchte die Steinmauern des baufälligen Wintergartens in einen violetten Glanz. Auf den schmuddeligen Wänden wurden die Worte sichtbar, die einst auf der uralten Haut niedergeschrieben worden waren, sie drehten und wanden sich wie die Schriftrolle selbst.

Benommen und verblüfft lag Carter da und begriff plötzlich, was diese Worte bedeuteten.

Sie berichteten nicht nur davon, wer die Wächter waren, welche Gräuel sie verübt hatten und welcher entsetzlichen Strafe sie ausgesetzt waren.

Diese Worte waren mehr als das. Jemand hatte sie aufgezeichnet, und zwar einer der Bezwinger.

Sie waren das Protokoll eines Sieges, niedergeschrieben mit dem Blut des Besiegten. Auf seiner ureigenen Haut.

Auf Arius’ Haut.

Kein Wunder, dass sie zu ihm zurückgekehrt war.

Die Worte, deren Schriftzeichen gespenstisch in die Länge gezogen wurden, kreisten auf den bröckeligen Mauern wie Bilder einer magischen Laterne. Sie drehten sich im Kreis, Runde um Runde, und wurden dabei immer schneller. Das violette Licht wurde heller und heißer, bis es nahezu weiß war. Carter konnte nicht länger direkt hineinblicken, sondern musste seine Augen schützen. Die Rolle beschrieb immer engere Spiralen, verwandelte sich in eine Helix aus Wind und Licht, während sie weiter über dem Springbrunnen schwebte.

Er hörte Ezra stöhnen.

Zumindest war er am Leben.

Wieder blickte er auf die umherwirbelnde Rolle, wie gelähmt von ihrer Kraft. Gleich einer Feuersäule drehte sie sich am Platz, wurde so grell und heiß, dass er schließlich die Augen zusammenkneifen und den Kopf abwenden musste. Selbst jetzt noch spürte er die Kraft, hörte das Knistern der Hitze. Im Raum befand sich eine lebendige Präsenz, und in stummem Entsetzen fragte Carter sich, was sie zufriedenstellen würde.

Dann wusste er, selbst mit geschlossenen Augen, dass sie verschwunden war. Der große Raum war wieder dunkel, der Wind und das Knistern waren erstorben. Alles war ruhig.

Er schlug die Augen auf und wandte sich wieder zum Springbrunnen. Die antike Statue stand allein und unschuldig dort, nur vom blassen Mondlicht angestrahlt, das durch das leere Oberlicht des Wintergartens fiel.

Die Schriftrolle war verschwunden. Hatte sie sich in Luft aufgelöst? War sie wie eine Flamme erloschen? Durch das offene Dach davongeweht? Nirgendwo entdeckte Carter eine Spur von ihr. Er hielt den Atem an und sagte: »Ezra, bist du verletzt?«

Er bekam keine Antwort.

Taumelnd kam er auf die Beine, stieg über den Rucksack und ging zu Ezra. Das schwarze Barett hatte sich über das Gesicht geschoben, und als Carter es anhob, stellte er fest, dass er die Augen geöffnet hatte, aber der Blick ziellos war. »Kannst du mich hören?«, fragte er, und dieses Mal nickte Ezra schwach. »Ich bringe dich hier raus. Kannst du aufstehen?«

Wieder keine Antwort, aber als er seinen Arm unter Ezras Schulter schob, schaffte er es, ihn auf die Füße zu ziehen.

»Okay, und jetzt ein Schritt nach dem anderen.« Er leuchtete mit seiner Taschenlampe in die Richtung, aus der sie gekommen waren, und während Ezra sich schwankend gegen ihn lehnte, entfernten sie sich langsam vom Springbrunnen. Mit der Lampe leuchtete Carter ständig hin und her, um sicherzustellen, dass sie nicht über irgendeinen verrotteten Balken oder zerbrochene Dielen stolperten. »Wir lassen es langsam angehen«, erklärte er Ezra. »Ganz langsam und gemütlich.«

Sie hatten es fast aus dem Raum geschafft, als der Strahl seiner Taschenlampe etwas erfasste, das wie die anderen Trophäen an einem der Holzbalken befestigt war. Er musste es beim Eintreten völlig übersehen haben. Carter zerrte Ezra mit sich zu dem Fund und sah, dass es ein Stück Satinstoff war, das im Licht glänzte. Satinstoff am Kragen eines Pyjamas mit Leopardenmuster.

Genau wie bei Beths Lieblingspyjama. Demjenigen, den sie an dem Abend getragen hatte, als ihre Schlafzimmertür blockiert gewesen war und das Fenster zur Feuerleiter weit offen gestanden hatte.

»O mein Gott«, sagte er leise, und Ezra stieß einen Schmerzenslaut aus. Ein Blutstropfen lief ihm aus einem Mundwinkel.

Carter stopfte die Taschenlampe in seinen Gürtel und nahm dann das Kleidungsstück vom Nagel. Er hielt es vor sein Gesicht. Es verströmte immer noch ihren Duft. »O mein Gott«, murmelte er noch einmal und betete, dass es, anders als die anderen Trophäen, ein Symbol für einen unerfüllten Wunsch war und kein Erinnerungsstück.

38. Kapitel

»Ich bin froh, dass du die Party früher verlassen hast«, sagte Abbie, während sie den Wagen auf die Ausfahrt nach Hudson lenkte. »Je eher wir heute Abend ins Bett kommen, desto früher können wir uns morgen an die Arbeit machen.«