Allmählich fühlte Carter Erleichterung in sich aufsteigen. Im Stillen hatte er sich seit Monaten vor dieser Nacht gefürchtet, aber jetzt, da sie gekommen und fast vorüber war, begannen seine düsteren Vorahnungen endlich zu verblassen. Er hatte einen Sohn, einen normalen Sohn, einen perfekten Sohn, und Beth würde wieder gesund werden.
Er konnte Beths leicht lallende Stimme hören, wie sie etwas über Eiscreme sagte. Als er in der Tür zum Zimmer stehen blieb, lachte eine Krankenschwester.
»Möchtest du ein Eis?«, fragte er Beth.
»Nein«, antwortete die Schwester, »sie sagte, sie möchte in Eiscreme baden.«
»Das lässt sich einrichten«, sagte er und trat näher ans Bett.
Nachdem die Schwester gegangen war, streckte Beth eine Hand aus. Das Plastikarmband des Krankenhauses baumelte an ihrem Handgelenk. Im anderen Arm hielt sie ein kleines Bündel in einer blauen Decke. Sie sah erschöpft, aber glücklich aus.
»Darf ich dir Joseph Cox vorstellen?«, sagte sie.
Einhellig waren sie zu dem Schluss gekommen, ihn nach Russo zu benennen.
Carter trat ans Bett, ergriff ihre feuchte Hand und blickte auf seinen neugeborenen Sohn hinunter. Es gab nicht viel zu sehen, nur ein winziges rotes Gesicht, zusammengekniffene Augen und ein paar feine Löckchen aus blondem Haar auf dem Kopf. Trotzdem war es das Wunderbarste, das er je gesehen hatte.
»Ist er nicht wunderschön?«, fragte sie.
»Ja«, sagte Carter, »genau wie seine Mutter.« Er verschwieg ihr, dass er sich an das Ei eines Triceratops erinnert fühlte, das er einmal ausgegraben hatte und das genauso groß gewesen war wie der Schädel seines Babys. Mittlerweile hatte er gelernt, dass es besser war, gewisse Dinge für sich zu behalten.
»Möchtest du ihn mal halten?«
»Aber sicher«, sagte er, obwohl er es gar nicht war. Sie hielt ihm das hellblaue Bündel hin, und er legte es in seine Armbeuge. Noch nie zuvor in seinem Leben hatte er etwas so vorsichtig angefasst.
»Puh, bin ich kaputt«, sagte Beth mit einem lauten Seufzer, während Carter seinen Sohn wiegte. Das Baby wog sogar noch weniger, als er erwartet hätte. Es wog fast nichts.
»Wie viel bringt er auf die Waage?«, fragte er.
»Sie haben es mir gesagt«, sagte sie, die Augen halb geschlossen. »Aber ich habe es vergessen.«
Langsam ging Carter zum Fenster, immer noch mit dem schlafenden Baby im Arm.
»Tust du mir einen Gefallen?«, bat Beth. Sie hatte die Augen jetzt ganz geschlossen. »Kannst du das Fenster aufmachen? Es ist so heiß hier drin.«
»So heiß nun auch wieder nicht«, sagte Carter. »Vielleicht solltest du einfach eine Weile schlafen.«
»Nur einen Spalt. Ich brauche unbedingt frische Luft.«
Er besah sich das Fenster und stellte fest, dass es sich mit einer Kurbel öffnen ließ. Mit der freien Hand nahm er den Griff und öffnete das Fenster ein paar Zentimeter weit.
»Das ist gut«, sagte Beth und schob sich das Laken von den Schultern. »Ich kann atmen.«
Vorsichtig schaukelte Carter das Baby, das sich in seinen Armen zu regen begann. Auf der anderen Straßenseite, hoch oben auf einem Stahlträger des Villager-Gebäudes, meinte er eine Bewegung gesehen zu haben.
Ein Bauarbeiter, so weit oben, zu dieser Uhrzeit? Im Dunkeln?
Das Baby greinte, und Beth streckte die Arme aus. Carter gab ihn zurück, dann beugte er sich vor und hauchte Beth einen Kuss auf die Stirn. Ihre Haut war immer noch warm. Sie schnurrte leise mit geschlossenen Augen.
»Schlaf ein bisschen«, sagte er. »Ich besuche dich morgen wieder.«
Er drehte sich um und spähte noch einmal angestrengt aus dem Fenster. Erneut suchte er mit Blicken das Stahlskelett auf der anderen Straßenseite ab.
Aber jetzt sah er kein Zeichen von irgendjemandem. Das vorhin musste eine Täuschung im Mondlicht gewesen sein.
Er wollte nicht, dass im Zimmer Zugluft herrschte, und begann, das Fenster zu schließen. Doch Beth murmelte: »Ach, lass es doch auf … das Geräusch ist so schön.«
Welches Geräusch?, dachte Carter. Doch dann hörte er es ebenfalls.
Glocken. In der Ferne läuteten Kirchenglocken. Er blickte auf die Uhr. Es war viertel nach zehn. Der Großteil der Stadt lag im Dunkeln.
Er ließ die Jalousien herunter. Als er zurück zum Bett schaute, schliefen Beth und das Baby tief und fest.
Dank
Ich mache es kurz, versprochen, aber ich möchte meiner Agentin Cynthia Manson danken, für ihre unermüdlichen Ermunterungen und ihr Vertrauen; meiner Lektorin Natalee Rosenstein dafür, dass sie auf der Stelle begriffen hat, wo ich hin will, und mir geholfen hat, dorthin zu kommen; und meiner schwer geprüften Frau Laurie Drake, die mich in Ruhe hat brüten lassen.