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Der Polizist schüttelte den Kopf. »Wie gesagt, das wird nicht nötig sein.«

»Also … was dann?«, fragte Devil misstrauisch. Er blickte hinüber zur Tür. Ob sie wohl abgeschlossen war? Sein Herz begann schneller zu schlagen. »Hat man Ihnen nicht gesagt, warum ich hergekommen bin? Was ich Ihnen zu sagen habe?«

»Doch«, erwiderte der Polizist. »Es ist nur so, Mr …« Er warf einen Blick auf seine Notizen. »Mr Jones. Da war keine Bombe.«

Devil schüttelte den Kopf. »Keine Bombe? Nee, Mann. Natürlich war da eine Bombe. Es gab Tote und Verletzte, Mann.«

»Es gab tatsächlich eine Explosion«, sagte der Beamte. »Aber die wurde durch eine undichte Stelle in der Gasleitung verursacht. Spurensicherung und Feuerwehr waren vor Ort.«

»Wollen Sie mich verarschen?«, sagte Devil kopfschüttelnd. »Es war eine Bombe. Ich hatte sie in einem Aktenkoffer. Sie ist explodiert. Es war eine Bombe.«

Der Polizist lächelte angespannt. »Also, war’s das dann?«

Als er aufstand, entdeckte Devil einen kleinen Anstecker mit einem »I« an dessen Hemd.

Die Farbe wich aus seinem Gesicht.

»Das war’s«, sagte Devil mit leicht zitternder Stimme.

»Gut. Und um den Papierkram brauchen wir uns nicht zu kümmern, oder?«, meinte der Polizeibeamte. »Wir wollen dir ja nicht die Verschwendung unserer kostbaren Zeit in Rechnung stellen. Die Explosion hat dich wahrscheinlich durcheinandergebracht, und jetzt bildest du dir Dinge ein, die gar nicht passiert sind. Habe ich mich klar ausgedrückt? An deiner Stelle würde ich mich bedeckt halten und niemanden behelligen und keine Unruhe stiften. Kapiert? Wir wollen doch nicht, dass dir etwas passiert.« Er beugte sich noch weiter vor. »Du hast alles vermasselt, du kleiner Scheißkerl«, zischte er. »Monatelange Arbeit umsonst, nur wegen dir. An deiner Stelle würde ich abhauen, bevor Thomas richtig wütend wird. Bevor er kommt, um dich zu holen. Okay?«

Der Polizist sah Devil direkt in die Augen. Devil wusste, wie eine Drohung klang. Seinerzeit hatte er genug Drohungen ausgesprochen.

Er nickte. »Ja, Mann. Was soll’s. Ich will keinen Ärger«, murmelte er.

»Nein, ganz sicher nicht«, meinte der Polizist und öffnete die Tür. Er führte Devil hinaus auf den Korridor, durch eine weitere Tür und nach draußen vor die Wache. Devil fühlte sich benommen, als er auf die Straße trat. Es war dieselbe Straße wie vorher, aber irgendwie fühlte sich alles anders an, so als hätte sich die ganze Atmosphäre, als hätte sich alles auf Knopfdruck verändert. Er lief los, doch er hatte das Gefühl, als ob er verfolgt würde. Er drehte sich um, aber da war niemand, nur eine alte Frau, die grummelnd ihre schweren Einkäufe die Straße hinunterschleppte, und eine jüngere Frau, die sich lautstark mit einem kleinen Kind herumstritt. Ob sie auch für Thomas arbeiteten? Ob sie auch solche Anstecknadeln trugen? Nein, natürlich nicht. Sei nicht albern. Geh einfach weiter.

Devil senkte den Kopf und lief schneller, zurück zur Siedlung. Keine Bombe. Eine Gasexplosion. Wie viele Leute arbeiteten eigentlich für Thomas? Warum hatten sie ihn nicht einfach umgebracht, statt so ein Theater zu veranstalten?

Mit einem Schlag wurde ihm klar, warum: weil Thomas Devil zeigen wollte, wer der Boss war. Weil Devil den Spieß umgedreht und sich gestellt hatte. Weil Thomas nicht verlieren konnte, weil er wollte, dass Devil Angst hatte, jeden Tag, und sich fragte, was wohl als Nächstes kommen würde.

Die Siedlung war kaum wiederzuerkennen. Die Hälfte der Gebäude war verschwunden. Das ganze Gelände war von der Polizei abgesperrt worden und überall standen Schilder mit der Aufschrift »Vorsicht! Lebensgefahr!«. Sanitäter kümmerten sich um die Verletzten. Außerhalb der Absperrung schrien Frauen, und Kinder standen mit schreckgeweiteten Augen da. Zwei Busse hielten an. Reisebusse. Ein Mann stieg aus und rief, die Bewohner würden woanders hingebracht. Niemand könne hierbleiben. Devil ging bis zur Absperrung. Mehrere Sicherheitsbeamte stellten sich ihm in den Weg und verweigerten ihm den Zutritt zur Siedlung. »Tut mir leid, Kumpel, zu gefährlich«, sagte einer zu Devil.

»Ich wohne hier, Mann«, erklärte er und versuchte, an dem Mann vorbeizukommen. Doch der zerrte ihn zurück. »Füll ein Formular aus«, sagte er. »Alle Bewohner werden in eine provisorische Unterkunft gebracht. Deine Sachen kannst du später holen. Oder das, was davon noch übrig ist. Ihr werdet eine Entschädigung bekommen. Du weißt doch, dass es eine defekte Gasleitung war? Behalte das Formular. Vielleicht kriegst du ja Geld.«

Devil nahm das Formular. »Eine defekte Gasleitung?« Er blickte auf das Formular, aber er konnte sich nicht richtig konzentrieren, um es genau durchzulesen. Eine defekte Gasleitung. Und die Leute glaubten diesen Unsinn tatsächlich.

»Richtig. Anscheinend wusste die Kommune schon seit einem Jahr von den kaputten Leitungen, aber sie haben sie nicht reparieren lassen. In einer halben Stunde fährt da drüben ein Bus ab. Du kannst so lange warten. Und vergiss nicht, das Formular auszufüllen.«

Devil ging ganz benommen zu der großen Gruppe von Leuten, die auf den Bus warteten. Seine Mum stand neben einem Mann, den Devil kannte, und sie war sehr freundlich zu ihm. Sie sah erschöpft aus und verwirrt. Das kleine Mädchen war mit seiner Mutter da, und Nelson auch. Er kam zu Devil herüber. »Scheiße, Mann«, sagte er.

»Ja. Ja.« Devil schossen alle möglichen Gedanken durch den Kopf.

Dann steckte er die Hand in die Tasche und holte das Geld heraus, das Thomas ihm gegeben hatte. Ein Tausender für das In-Die-Luft-Sprengen seiner Siedlung, für den Tod all dieser Menschen. Devil ging hinüber zu seiner Mutter. »Hier«, sagte er und drückte ihr das Geld in die Hand. »Pass auf dich auf.«

Seine Mutter starrte ihn unsicher an, dann nickte sie.

»Kümmern Sie sich um sie«, sagte er zu dem Mann, der bei seiner Mutter stand.

Devil ging wieder zu Nelson. »Behalt sie im Auge. Pass auf, dass keiner ihr das Geld klaut. Kapiert?«

Nelson sah ihn erstaunt an. »Okay, Mann. Alles klar«, meinte er achselzuckend. Dann runzelte er die Stirn. »Wo willst du denn hin? Warum passt du nicht auf, dass keiner es klaut?«

Devil gab keine Antwort. Er wusste es selbst nicht. Er sah zu, wie sich die Türen des Busses öffneten und die Leute einstiegen. Die meisten waren voller Staub. Und dann sah er ihn, den Fahrer des Busses, wie er einem alten Mann beim Einsteigen behilflich war. Devil entdeckte den Ring an seinem Finger, den Ring mit dem Buchstaben »I« darauf.

»Steig in den Bus, Mann«, sagte er zu Nelson. »Ich komme später nach, okay?«

»Später? Aber …«, begann Nelson, doch Devil war schon davongerannt. Und während er rannte, machte er den Anstecker von seiner Kapuze ab, den er die ganze Zeit getragen hatte, warf ihn auf den Boden und zertrat ihn mit dem Schuh. Er gehörte nicht zu Thomas’ Gang. Nicht mehr. Er hielt einen Moment inne und blickte voller Verachtung, Scham und Angst auf den Anstecker. Dann rannte er wieder los.

Devil wusste, dass er von jetzt an ständig auf der Flucht sein würde, es sei denn, er tat, was Thomas von ihm verlangte. Denn Männer wie Thomas gaben niemals auf und sie ließen Leute wie Devil nicht entkommen. Er könnte ein Leben lang auf der Hut sein, aber das würde nicht genügen, denn er würde immer etwas oder jemanden übersehen.

Er würde nie mehr frei sein, weil er zu viel wusste.

Und da wusste Devil, was er zu tun hatte. Das Einzige, das er tun konnte und wollte. Denn er wollte weder vor Thomas davonlaufen noch vor sich selbst.