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»Ich danke Ihnen, Drago«, sagte er. »Ich werde mich einmal um die merkwürdigen Fackeln kümmern.« Er sah, daß der Vorarbeiter seinen Teller Suppe schon leergelöffelt hatte und schüttete ihm den Inhalt seines Kochgeschirrs in die Blechschüssel. Dann erhob er sich und ging zum Lager zurück, während Drago Sopje mit schmatzenden Lippen den zweiten Teller Suppe schnell leer aß.

Meerholdt betrat seine Baracke gerade in dem Augenblick, in dem Elena in seinem Wohnzimmer durch zwei der Lagerschreiner eine Wand ausmessen ließ. Zwei Mädchen waren dabei, die Schränke umzustellen, während Rosa im Schlafzimmer auf den Knien lag und den Boden wischte.

»Was ist denn hier los?« sagte er. Es sollte laut klingen, aber es klang grob. Elena fuhr herum und lächelte charmant.

»Ich mache deine Behausung ein wenig schöner, mein Liebling!« sagte sie. »Die Schreiner werden so schnell wie möglich schöne Regale zimmern, die wir hier an die Wand stellen. Eine Bücherwand, mein Schatz. Ich werde mir aus Zagreb alle meine Bücher kommen lassen. Und eine richtige Couch mit drei Sesseln. Und einen Rauchtisch. Und eine Hausbar.«

»Hör auf!Hör bitte auf!« Meerholdt hob die Hand und sah die

Schreiner an, die mit dem Messen aufgehört hatten. »Und ihr da -raus! Auch die Mädchen! Halt - Rosa nicht. Du bleibst.« Er winkte und sah Rosa an, die zögernd, vom Putzen ein wenig erhitzt, näher kam. Ihre langen Haare hingen ihr über das gerötete Gesicht. »Aus dem Regal wird nichts, macht weiter Tische für die Baracken!« rief er den Schreinern nach.

Elena verzog den Mund. »Ich wollte dir eine Freude machen!«

»Indem du die Leute von den dringenden Arbeiten abhältst?«

»Dein Zimmer ist zu kahl, zu unfreundlich! Ich will etwas Leben in diese Räume bringen.«

»Ich habe mich bisher hier wohl gefühlt«, sagte er steif.

»Bisher - aber nun bin ich hier! Ich möchte es wohnlicher haben!«

»Aber nicht auf Kosten des Werkes! Erst kommen die Arbeiten für den Bau, dann für die Baracken, dann für die Ersatzteile ... und dann kommen wir immer noch nicht! Wir kommen zuletzt, das mußt du dir merken!«

Elena war rot geworden. Sie schäumte vor Wut, aber sie verbiß sich alle Bemerkungen. Mit einem Seitenblick streifte sie Rosa, die abseits stand.

»Du hast recht«, sagte sie mühsam beherrscht. »Aber ich möchte dich bitten, das nicht alles vor diesem Trampel da zu besprechen.«

Meerholdt fühlte, wie es in seiner Schläfe zu klopfen begann. Er blickte kurz zu Rosa und sah, daß sie ungerührt in der Tür stand, so, als habe sie die Worte nicht gehört. Ihre Augen sah er nicht, aber er ahnte, daß in ihnen Wut stand und ein unbändiger Haß gegen die fremde Frau.

»Rosa wird nicht mehr putzen«, sagte er laut und hart. »Darum steht sie hier! Die Arbeit für Rosa bestimme ich ganz allein.«

»Ach?« Elena war zusammengefahren wie unter einem Schlag. Mit dem Feingefühl der liebenden Frau empfand sie plötzlich die große Gefahr, die von diesem Mädchen ausging. Sie musterte Rosa mit flammenden Augen und erkannte die Schönheit, die unter den Lumpen verborgen war, mit dem sicheren Blick der Konkurrentin. Ein heißer Strom durchjagte ihren Körper und nahm ihr den Atem.

Schwer atmend lehnte sie sich an die Wand. »Diese Rosa also ist es?« sagte sie keuchend vor Erregung. »Eine kleine Berghure, die sich zu dir ins Bett legte.«

»Schweig, Elena!« schrie er.

Sie schüttelte wild den Kopf. »Warum schweigen? Ist es nicht wahr? Während mein Vater mich in fremde Länder schleppt, damit ich dich vergesse, während ich vergehe aus Sehnsucht nach deinen Küssen, deinen Umarmungen und jede Nacht für dich gelitten habe, schläfst du mit einer Wildkatze im Arm.«

Meerholdt holte tief Luft. »Rosa, geh jetzt«, sagte er leise. »Wir sehen uns heute abend.« Er trat etwas zurück. Rosa ging an ihm vorbei. Zitternd sah ihr Elena nach. In ihren Augen stand blanker Haß.

»Sie stinkt nach Stall!« sagte sie gehässig, so laut noch, daß es Rosa hörte, als sie die Tür schloß.

»Deine Gemeinheit riecht übler«, warf Meerholdt zurück. Elena antwortete nicht. Jetzt, da sie allein mit Ralf war, da die Gegenwart des anderen Mädchens sie nicht mehr hemmte in der Vergabe ihres Stolzes, begann sie zu weinen.

Eine Frau, die weint, die bitterlich weint, kann man nicht anschreien. Elena wußte es, und sie weinte herzzerreißend und laut aufschluchzend wie unter einem Krampf, der ihren zarten Körper schüttelte.

Ärgerlich setzte sich Meerholdt und schob die Beine vor. Er betrachtete die tränenüberströmte Elena und kämpfte gegen das Mitleid an, das ihn bei diesem Anblick überkam.

»Hör bitte auf zu weinen«, sagte er zögernd. »Du hast dich furchtbar benommen . nicht wie eine Dame.«

»Ich habe den Kopf verloren.« Sie schluchzte auf, und plötzlich lief sie zu ihm hin, fiel auf die Knie und umklammerte ihn. »Ich liebe dich so, Sascha ... ich liebe dich, daß es schon Wahnsinn ist! Ich werde dich nie, nie, nie mit einer anderen teilen! So lieb wie ich kann dich gar kein anderes Mädchen haben. Das gibt es nicht, Ralf.« Sie lehnte den tränennassen Kopf an seine Wange und strei-chelte seine Hände. »Wie der Wind über das Kornfeld weht oder der Fluß sich ins Meer stürzt, wie die Sonne dem Mond Licht schenkt, damit er leuchtet, und die Sterne glitzern über Millionen Kilometern, so unendlich, so groß, so unfaßbar ist meine Liebe, Sascha.« Sie umklammerte seine Hände. »Sag, daß du mich auch liebst. Noch immer liebst . trotz dieser Rosa.« Sie rieb ihr tränennasses Gesicht an seiner Wange. »Sag es. Sascha.«

Meerholdt schloß die Augen. Feigling, dachte er. Erbärmlicher Feigling! Du bist nicht wert, daß man dich anspuckt. Und er sagte leise:

»Ja. Elenascha.«

In ihrer kleinen Kammer hinter dem großen Raum der Hütte, mit dem Herd in der Mitte, stand Rosa und zog die Kleider Katjas über. Sie strich sie an sich herunter, sie färbte sich sogar die Lippen und hatte Mühe, sich in den hohen Schuhen gerade zu halten und nicht zu stolpern.

Mit wiegenden Hüften trat sie dann aus der Kammer und ging an Fedor vorbei.

»Heilige Mutter«, stammelte der Alte. »Beschütze unser Haus.« Und Marina in der Herdecke bekreuzigte sich.

Der Wind spielte in ihrem langen Haar, als Rosa aus der Tür trat und die Straße hinabging zum Lager.

Mit Jossip war eine Veränderung geschehen. Seitdem er den unterirdischen See entdeckt hatte, den riesigen See, der bei seiner Entfesselung aus dem Felsen die ganzen Täler überschwemmen konnte und die Welt in einer Flut kristallklaren Wassers ertränkte, fühlte er sich nicht mehr als der Verfolgte, der Geächtete und Vogelfreie, sondern als König der schwarzen Berge, als Herrscher über alle Menschen, die unter seinen Füßen durch das Tal und durch Zabari wimmelten und nicht ahnten, welche Macht er in seinen Händen hielt. Eine Macht, die sie alle vernichten konnte in Sekundenschnelle, wenn er den Felsen aufsprengte und den See wie eine Sintflut über die

Täler kommen ließ.

Jossip berauschte an diesen Gedanken sein aufgewühltes Innere und steigerte seine Rache in die Bereiche göttlicher Vergeltung. Gott hat mir den See gezeigt, dachte er, um damit alle zu strafen, die mir Leid antaten. Aber bevor sie ertrinken, will ich Rosa retten. Rosa, den einzigen Menschen, den ich liebe und der mir gehört ... versprochen in der Wiege von unseren Vätern nach alter Sitte.

Er saß jetzt öfter als sonst in den Schneisen des Waldes oder hinter hervorspringenden Felsnasen und blickte hinunter auf den Bau der Talsperre. Er lächelte über den Eifer der tausend Menschen. Wie schnell würde alles vernichtet werden, wenn er den Felsen öffnete. Wie einst die Posaunen von Jericho die Mauern umbliesen, so würde das Wasser seines Felsens auch diese starken Mauern aus Eisen und Beton zersplittern wie dünnes Reisig. Und nichts würde dann sein als ein riesiger See, über dem er allein der Herr war, ein König in einer gewaltigen Landschaft.