Выбрать главу

Vor einer Glastür blieb er stehen.

In Goldbuchstaben stand darauf:Station III.

Und darunter: Männer-Station.

Bonelli schluchzte und trat die Tür auf. Über den Gang kam ihm Katja entgegen ... in einem weißen Kittel, auf den gedauerwellten Locken ein weißes Häubchen, in seidenen Strümpfen und hohen Pumps, mit einem hellrotgeschminkten Mündchen und ein wenig Rouge auf den braunen Wangen.

Carissima - welche Wonne, sie zu sehen. Bonelli hob beide Arme und schrie:

»Madonna! Katja! Süßes! Pietro ist da!«

Was Katja in der Hand trug, sah Bonelli nicht. Er hörte es nur klirren, als es zu Boden fiel, und am Zerschellen vernahm er, daß es etwas Gläsernes gewesen sein mußte. Dann lagen sie sich in den Armen, küßten sich, drückten sich und sagten so viel dumme Worte, daß keiner den anderen verstand, und man sich nur einig war, wenn man sich küßte.

So traf sie der Stationsarzt. Er tippte Pietro auf die Schulter. Bonelli sah zur Seite, bemerkte einen weißen Kittel, dachte, es sei der Portier und schrie: »Geh weg, du Mißgeburt!«

Als er seinen Irrtum bemerkte, war es bereits zu spät. Zwei stämmige Krankenwärter, wie Klötze aus Eichen geschnitzt, faßten ihn und warfen ihn auf die Treppe. Es ging schnell, als habe man es geübt.

»Heute abend im Cafe Mostar!« schrie Bonelli noch, dann roll-te er glücklich die Treppe hinab, vor die Füße des Portiers.

»Chefarzt?« fragte dieser voll Mitleid.

»Stationsarzt!« Bonelli erhob sich und rückte seinen Rock gerade. »Aber sie hat mich geküßt!«

»Katja?«

»Ja.«

»Dann sind Sie wirklich der richtige Bräutigam?«

»Ja.« Bonelli hob stolz seine Brust. »Ich kann für mich in Anspruch nehmen, die schönste Frau Sarajewos zu besitzen.«

Mit stampfenden Schritten verließ er das Krankenhaus. Der Bos-niake sah ihm lange nach, wie er durch den Staub der Straße marschierte, von Kennif, dem Barbier, ehrfürchtig gegrüßt wurde und dann im Gewimmel des Marktes und des Bazars verschwand.

»Die Katja«, sagte er. »Es ist doch merkwürdig, daß die schönsten Frauen die blödesten Männer haben!«

Womit er etwas aussprach, was täglich Tausende von Männern denken.

Am Abend trafen sich Katja und Bonelli im Cafe Mostar. Katja Dobor hatte drei Koffer bei sich und sah sehr unglücklich aus.

»Sie haben mich 'rausgeworfen«, sagte sie. »Sie meinten, sie könnten kein Mädchen beschäftigen, das einen Flegel als Mann hat.«

Bonelli hatte drei Martell getrunken und war sehr mutig. »Ich breche den Ärzten die Knochen!« sagte er selbstbewußt. »Und im übrigen braucht meine zukünftige Frau nicht zu arbeiten! Bonelli hat Geld genug! Wir werden nach Capri ziehen und eine Cafeteria aufmachen. Mit Wein, Musik, Lampions, Gondelfahrten und einer Küche. Katja . sie wird in einem Jahr in der ganzen Welt berühmt sein!«

Sie glaubte es ihm. Ihr Gesicht hellte sich wieder auf. »Wie lange bleibst du in Sarajewo?« fragte sie, indem sie den Kaffee trank.

»Drei Tage nur, angelo mio . dann fahren wir zurück nach Zabari.«

»Ich auch? Ich wollte mir hier eine neue Stelle suchen. Ich muß noch Geld verdienen für deine - wie hieß das?«

»Cafeteria! Aber das ist doch Dummheit, Katja. Wenn die Sperre in Zabari fertig ist, läuft mein Vertrag ab. Dann fahren wir in einem schönen Zug nach Triest, von Triest nach Rom, von Rom nach Capri. Du wirst sie alle übertreffen ... die Amerikanerinnen, die schlanken Engländerinnen, die schmalhüftigen Griechinnen, die grazilen Französinnen und die Deutschen, die gleich, wenn sie ins Lokal kommen, rufen: Herr Ober - ein Pils! Oder: Herr Ober - ein Schnitzel mit Bratkartoffeln! Katja - sie werden dich bewundern und dich umschwärmen wie die Motten das Licht. Und ich werde stolz sein und mich in deiner Schönheit sonnen.«

Was er sagte, glaubte er selbst nicht. Schon der Gedanke, daß die Gäste seines Lokals Katja ansahen, erzeugte in ihm die Übelkeit der Eifersucht. Aber er spielte den Großzügigen und glänzte vor Katja wie ein Pfau, der sein glitzerndes Rad schlägt und nach dem Weibchen gurrt.

Drei Tage wohnten sie in einem kleinen Hotel nahe der Bosna. Sie sahen aus dem Fenster auf den Fluß und die Bogenbrücken, auf die Moscheen des islamischen Teiles der Stadt und den Bazar mit den bunten Wimpeln. Unter ihrem Fenster, am Ufer der Bosna, knieten jeden Morgen die Waschfrauen und schlugen mit Holzklatschen den Schmutz aus der Wäsche, die sie nachher im fließenden Wasser spülten. Ein Limonadenverkäufer rief sein süßes Getränk aus... Brezelbäcker und Silberhändler standen an den Ecken und stürzten sich auf die Fremden. Ein Bettler saß vom frühen Morgen bis zum späten Abend gegenüber dem Hotel auf der Erde und hatte seinen Mund weit offen. Man sah einen zahnlosen Gaumen, besät mit Geschwüren. Wovon er lebte, wie er essen konnte, das wußte niemand und sah keiner. Aber er lebte und saß auf der Erde. Wie sagte doch Kennif? Allah ist groß! Nur der Mensch erkennt es nicht.

Es waren drei Tage aus dem Märchenbuch von 1001 Nacht.

Pietro Bonelli war nach diesen drei Tagen überzeugt, daß er ein Glückspilz sei und daß es überhaupt keinen Menschen auf der Welt

gäbe, der sich mit seinem Glück messen konnte.

»Onassis hat Millionen«, sagte er einmal zu Katja. »Rockefeller hat Milliarden, den Aga Khan beten einige Millionen als Halbgott an ... sie alle sind arm gegen mich! Denn nur Pietro Bonelli hat das Glück, von dir geliebt zu werden.«

Am vierten Tag fuhren sie zurück nach Zabari . die elegante, kokett gewordene Katja Dobor und der vor Stolz wie ein englischer Kröpfer einherstolzierende Bonelli.

Ihr Einzug in das Dorf war überwältigend. Schon die Fahrer der Transportkolonne, mit der sie zurückfuhren, schnalzten mit der Zunge und sagten: »Na, Puppe!«, was Bonelli bereits sehr mißfiel . im Dorf rotteten sich die Bauernburschen zusammen und stierten Katja wie einem Weltwunder nach, als sie trippelnd und hüftenschwenkend in Bonellis Küchenbaracke verschwand. Josef Lukacz kratzte sich den Kopf - es war das Pech Bonellis, daß er gerade aus Plewlja gekommen war, um einen defekten Betonmischer abzuholen.

»Katja«, sagte Lukacz entgeistert. »Es ist, als ob der Mond plötzlich heller ist als die Sonne.«

Um so dunkler wurde es bei Pietro Bonelli. Während sich in seiner Kantine die Arbeiter stauten und die Theke belagerten, hinter der Katja bediente, während es unterirdische Tritte gegen Schienbeine gab und Kämpfe um den Platz vor Katjas Ausschnitt (ein Kleid, das sie sich nach einem Pariser Modenblatt selbst genäht hatte), erlitt Bonelli einen Rückfall in die düstere Zeit der ersten Wochen von Zabari.

Er holte aus dem Magazin gerade einige Flaschen Slibowitz und einige Dosen Würstchen, als wieder aus der dunklen Ecke eine Faust hervorschnellte und Bonellis linkes Auge traf. Brüllend warf er die Flaschen und die Würstchendosen hin . aber der Täter war schon in der Nacht verschwunden, schemenhaft und katzengleich.

Bonelli schrie und kreischte. Er tanzte wie ein Irrer auf dem Hof herum und brüllte Flüche, die auf keinem Index stehen, da sich der Index schämen würde, sie aufzunehmen.

Trotz sofortiger Kühlung mit Alkohol, trotz Borwasser und absoluter Ruhe ... das linke Auge wurde blau und bildete die freudige Sensation von Zabari. Selbst Meerholdt kam in das Zimmer Bo-nellis und drückte ihm sein Beileid aus. Katja saß neben ihm auf dem Bett und kühlte das Auge mit feuchter Watte.

»Es war wieder Josef!« schrie Bonelli und war nur mit Mühe im Bett zu halten. »Ich kenne diesen Hieb! Morgen bringe ich ihn um.«

Am nächsten Tag war Lukacz schon wieder in Plewlja und betrank sich vor Kummer und Wonne. Für Josef aber kamen andere Konkurrenten, diesesmal sogar aus den Reihen von Bonellis Landsleuten. Sie brachten Katja ein Mandolinenständchen, und Mario, der singende Holzfäller, schluchzte eine Arie aus La Boheme und lockte damit Katja im Nachthemd an das Fenster.