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»Jossip hat sie verletzt. Sie hat sich gewehrt, meine Elenaschka. Oh, sie ist ein tapferes Mädchen!« Osik atmete schwer. »Schlagen Sie Plakate an, Meerholdt. 100.000 Dinare Belohnung dem, der mir Elena oder Jossip findet!«

Hauptmann Vrana kam wieder herein, er hatte draußen seinen Unteroffizieren nur vier Worte gesagt. »Übermorgen geht es ab!« Das genügte. Er hörte noch den letzten Satz Osiks, als er eintrat.

»Für 100.000 Dinare bekommen Sie keine Röntgenaugen, Herr Osik! Wir haben nach den besten Karten die Berge durchgekämmt... das Versteck Jossips haben wir nicht gefunden! Wissen Sie, was es heißt, diese Schluchten und Spalten, Zerklüftungen und Plateaus, diese Höhlen und ausgewaschenen Buchten zu untersuchen? Es ist ein Labyrinth, in dem sich keiner auskennt! Es wird nie möglich sein, die schwarzen Berge bis ins einzelne zu erforschen! Es sei denn, man hat Jahre zur Verfügung ... nicht Tage oder sogar nur Stunden wie wir.«

Stanis Osik kaute an der Unterlippe. »Setzen Sie die Bauern ein, Vrana.«

»Seit dem Überfall auf Rosa durchzieht der alte Fedor Suhaja jede Nacht die Berge und sucht Jossip. Wenn er am Abend aufbricht, in seinem langen Umhang, das Beil in der Hand, denke ich immer an ein Bild aus irgendeiner griechischen Tragödie. Glauben Sie mir, daß der alte Suhaja die Berge kennt... seit über sechzig Jahren durchstreift er sie. Auch er findet Jossip nicht.«

Stanis Osik rauchte eine seiner dicken Zigarren an. Der Arzt wollte sie ihm wegnehmen, aber Osik schlug ihm auf die Hand. »Lassen Sie das, Doktor. Ich weiß, daß ich ein Wrack bin ... aber das Wrack soll wenigstens noch qualmen, wenn es schon nicht mehr fahren kann! Wenigstens nach außen hin lassen Sie mich den starken Mann spielen!« Er lächelte und wandte sich dann wieder an Meer-holdt und Hauptmann Vrana. »Machen wir es anders. Ich kann mich entsinnen, daß die Deutschen uns Partisanen in den Bergen nicht ausräuchern konnten ... sie fuhren deshalb mit großen Lautsprechern durchs Gebirge und forderten uns auf, uns freiwillig zu ergeben. Sie sicherten uns das Leben zu und volle Freiheit. Wäre das nicht ein Weg? Wir fahren mit drei Lautsprechern in die Felsen und bitten Jossip, Elena herauszugeben. Ich wäre sogar bereit, ihm die 100.000 Dinare zu geben!«

»Verrückt!« Vrana schüttelte wild den Kopf. »An einem Strick ziehe ich ihn hoch! 100.000 Dinare für einen Verbrecher und Saboteur!«

»Reden Sie bei mir nicht mit der Terminologie volkseigener Staaten! Ich will mein Kind wiederhaben, wenn es lebt! Dafür verspreche ich ihm 100.000 Dinare!«

»Und ich hänge ihn auf!« sagte Vrana störrisch.

»Das werden Sie nicht! Wenn ich Jossip mein Wort gebe, müssen Sie mich schon neben ihm aufhängen! Was hat er denn gemacht? Meerholdt lebt, Rosa lebt, Elena wird auch leben!«

»Für Entführung gibt es in Amerika die Todesstrafe!«

»Amerika!« Osik lächelte breit. »Sie, Hauptmann Vrana, als Repräsentant einer sozialistischen Regierung, als Offizier eines freien Volkes<, führen das Beispiel eines verruchten kapitalistischen Staates an?! Sie stellen ein System, das wir bisher immer verbrecherisch nannten, als Vorbild dar? Aber Herr Hauptmann - was soll ich von Ihrer Linientreue denken?!«

Vrana sah zu Boden. Er war blutrot geworden und zuckte mit den Augenlidern.

»Bieten Sie ihm das Drecksgeld«, sagte er wütend. »Und wenn er es genommen hat, werden wir ihn den ordentlichen Gerichten übergeben. Wegen Körperverletzung und versuchter Notzucht!«

»Das steht Ihnen frei! Aber Sie hängen ihn nicht auf!«

Vrana lächelte breit. »Es wäre besser, er hängt, Herr Osik. Wissen Sie, was drei Jahre Steinbruch bedeuten?«

Stanis Osik wandte sich ab. »Ich danke Gott, daß ich noch nicht so völlig materialisiert bin wie Sie. Meerholdt - gehen wir und montieren wir ein paar Lautsprecher ab.«

Am Abend fuhren drei Jeeps in die Schluchten, und vier Männer trugen Lautsprecher an den Rand des Waldes. Von allen Seiten schallte es bald durch den stillen Abend, immer und immer wieder ... 100.000 Dinare ... Straffreiheit. Für Elenas Rückgabe freies Geleit für Jossip Petaki.

Jossip lag an der Tür und hörte die Worte aus dem Lautsprecher. Auch Elena saß aufrecht an der Wand und lauschte auf die Sätze.

»Mein Vater sucht mich! Hörst du ... dir wird nichts geschehen, wenn du mich freiläßt!«

Jossip lehnte sich gegen die Tür. »Ich glaube es nicht.«

»Mein Vater hat noch nie sein Wort gebrochen!«

»Aber die anderen. Hauptmann Vrana.« Jossip nickte, er kannte seine Landsleute. »Und Fedor wird sich rächen. Jede Nacht streift er durch den Wald. Ich habe ihn gestern gesehen, als ich Wasser holte.«

»Mein Vater und auch ich werden mit Vrana und Fedor sprechen.« Elenas Stimme wurde eindringlich. »Wir werden dich in die Stadt schaffen zu einem Arzt. Du wirst ein reicher Mann sein, mit 100.000 Dinaren! Die ganze Welt steht dir offen, Jossip.«

»Meine Welt ist hier«, sagte er dumpf. »Ich will nicht hinaus aus den Bergen!«

»Du wirst elend sterben, Jossip! Deine Beine werden schon gelähmt ... du hast den Wundbrand! Ein Arzt kann dich noch retten! Du

bist ja wahnsinnig, dieses Angebot zurückzuweisen!«

Jossip schüttelte den Kopf. »Sie wollen mich töten! Sie locken mich heraus ... und dann töten sie mich! Kein Tier, nichts auf der Welt ist gemeiner als der Mensch! Ein Löwe brüllt und peitscht mit dem Schwanz die Erde, und du weißt - jetzt springt er dich an! Ein Wolf heult und hetzt dich zu Tode ... eine Schlange richtet sich auf, ihre Zunge züngelt, und sie stößt vor und schlägt ihren Giftzahn in dein Fleisch. Bei allen weißt du - jetzt tötet es dich! Jetzt gibt es kein Zurück ... nur der Mensch lächelt, verspricht, gibt dir die Hand der Freundschaft, und mit dieser Hand zieht er dich zu sich heran und erwürgt dich! Mit einem Lächeln ... mit einer Zufriedenheit, die keiner unter dem Himmel kennt ... mit einer Selbstverständlichkeit, daß Gott tot sein muß, weil er zu allem schweigt!«

Die Lautsprecher tönten immer noch ... einmal nah ... dann wieder weiter ... sie sprachen die halbe Nacht hindurch, und Jossip saß lauschend an der Tür und lächelte.

»Sie wollen mich überlisten«, sagte er störrisch. »Sie wollen mich hervorlocken!«

Elena war am Ende ihrer Kräfte. Die nahen Stimmen ihrer Befreiung und die Unmöglichkeit, sie in diesen Schlupfwinkel zu führen, brachten sie an den Rand ihrer Fassung. Jossip bemerkte es, und er legte sich die Peitsche und das lange Messer zurecht.

»Rühr dich nicht«, sagte er stöhnend vor Schmerzen. In seinen Beinen begann das Blut zu klopfen, die Knie waren dick angeschwollen und stachen wie mit tausend Nadeln. »Auch wenn du schreist, töte ich dich!«

So ging die Nacht herum mit hoffendem Wachen und einer immer größer werdenden und das Herz fast abschnürenden Enttäuschung. Die Lautsprecher entfernten sich immer mehr ... die Stimmen, die durch die nächtlichen Berge dröhnten, wurden schwächer und waren später nur noch ein Echo von weit entfernten Tälern. Sie gingen unter in der Einsamkeit.

Jossip saß an der Tür und lachte. Er war zufrieden. Triumphierend sah er die weinende Elena an.

»Jossip ist nicht so dumm, wie es deine Freunde annehmen! Er ist nicht in die Falle gelaufen!«

»Sie haben es ehrlich gemeint!« Elena sank auf das Strohlager zurück und deckte sich mit den Fellen zu. »Wenn sie dich jetzt bekommen, kennen sie keine Gnade mehr!«

»Ich werde sie alle vernichten, bevor sie mich sehen!« sagte er störrisch. »Nur ich weiß, wie man die Natur aus ihren Fesseln befreit!«

Elena drehte sich zu der rohen Holzwand. Zu oft hatte sie diese irren Reden gehört, um weiter darauf zu achten. Daß man sie suchte, beruhigte sie. Einmal würden sie auch diese verborgene Hütte entdecken ... vielleicht konnte sie in ein paar Tagen selbst das Haus verlassen, über den ohnmächtigen Jossip steigend, den seine eiternden Wunden zersetzten.