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»Sie tut mir leid«, sagte Meerholdt leise. Er schämte sich vor Osik.

»Sie wird andere Männer finden und lieben lernen.« Osik steckte seine Zigarre an. »Im Winter wollen wir nach Ägypten fahren ... nächstes Frühjahr nach Cannes und Nizza. Elena wird vergessen, wenn sie den gewohnten Luxus wieder um sich hat. Und bilden Sie sich bloß nicht ein, der einzige Mann auf der Welt zu sein, der Elena imponiert!«

Lachend gingen sie in den Nebenraum.

An zehn Zeichenbrettern standen die Techniker und zeichneten die Details der Pläne.

»Darf ich zurückfragen?« meinte Osik. »Was macht Rosa?«

»Sie ist in Dubrovnik. Es geht ihr gut.« Meerholdt sah aus dem Fenster hinaus auf die Baustellen und das Tal, in dem die ersten Bauten emporwuchsen . das neue Zabari. »Ich werde nächste Woche zu ihr fahren und ihr sagen, daß ich -«, er zögerte und drehte sich von Osik weg, damit er nicht seine Erschütterung sah - »daß ich in Jugoslawien bleibe ... in Zabari.«

»Meerholdt!« Osik riß ihn an der Schulter herum und drückte ihn an sich. »Kerl . ist das wahr?!«

Und Stanis Osik küßte ihn stürmisch und benahm sich wie ein kleiner, beschenkter Junge.

Rosa lag am Strand in einem Liegestuhl, als Ralf in Dubrovnik an-kam. Ein großer, runder Sonnenschirm schützte sie vor den starken Strahlen. Neben sich, auf einem kleinen Tisch, der in den pulverfeinen, weißen Sand gerammt war, stand ein Eissiphon mit Orangeade. Sie trug einen einteiligen, goldgelben Badeanzug, über den ihr schwarzes Haar floß.

Ralf Meerholdt betrachtete sie von weitem, ehe er näher trat. Sie war etwas schmaler geworden in den Wochen der Aufregungen und Sorgen, aber noch immer war ihr Körper von jener faszinierenden Proportion, die die Männer am Strande von Dubrovnik zu balzenden Auerhähnen werden ließ. Meerholdt beobachtete es mit einem Schmunzeln und einem gewissen Besitzerstolz, wie drei muskulöse Herren vor den Augen Rosas am Strand mit einem Medizinball spielten, ihn hochwarfen, auffingen, sich damit jagten und das Spiel ihrer Muskeln priesen. Ab und zu sahen sie zu Rosa hinüber und waren enttäuscht, daß sie die Augen geschlossen hielt und sie gar nicht bemerkte. Da zogen sie nahe an ihrem Liegestuhl vorbei und sangen, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen.

Meerholdt lachte vor sich hin. »Eine geile Bande!« sagte er. Er machte dem Zauber ein Ende, indem er leise an Rosa herantrat und sie unter den entsetzten Augen der anderen Männer einfach auf den Mund küßte. Sie fuhr empor, ihre Hand zuckte vor ... die Männer grinsten bereits schadenfroh ... da sah sie Ralfs Augen, sie jauchzte auf und fiel ihm um den Hals. Sie küßte ihn stürmisch vor allen Leuten und zog ihn zu sich, so daß er auf die Knie fiel und neben ihrem Liegestuhl hockte.

»Du bist hier.«, sagte sie glücklich. »Endlich ... endlich bist du hier.« Sie fuhr mit ihren schmalen Händen durch seine blonden Haare und wuschelte sie durcheinander. Beleidigt gingen die anderen Männer fort und suchten den Strand nach anderen schönen Mädchen ab.

»Ich wollte dir sagen, daß wir bald zurück nach Zabari gehen.« Er richtete sich auf und setzte sich auf die Lehne des Stuhles. »Du wirst es nicht wiedererkennen.«

»So schön ist es geworden?« »Das weiß ich nicht. Aber anders ist es... ganz anders. Es gibt keine Ställe mehr.«

Rosa riß die Augen auf. »Keine Herden?«

»Nein.«

»Keine Brunnen und eine hölzerne Viehtränke?«

»Nein.«

»Keinen Wald mehr, aus dem wir das Winterholz holen?«

»Nein.« Er umfaßte ihre schmale Schulter. »Das Fleisch kaufst du in einem Geschäft . das Wasser kommt aus einer Leitung, die in jedes Haus führt ... du brauchst nur einen Hahn aufzudrehen wie hier in Dubrovnik. Und Holz für den Winter? In allen Häusern werden Öfen stehen, die man elektrisch beheizt. Zabari hat Strom genug .für alle Ewigkeiten, solange Wasser von seinen Bergen kommt!«

»Es ist ein Märchen, Ralf.«

»Ein Märchen? Ich weiß nicht. Es ist der Fortschritt, die Zivilisation in konzentrierter Form. Es wird dir vieles fremd sein.«

»Nicht, wenn du bei mir bist.«

Sie sahen über das strahlend blaue Meer auf die weißen Segel, die wie zarte Wolken über das Wasser schwebten. Motorboote knatterten durch die Klippen und zogen Wellenreiter hinter sich her. Hoch-auf spritzte das Wasser, wenn sie stürzten und sich schwimmend zu einem Felsen retteten. Ein weißes Bäderschiff mit niedrigem Schornstein und buntüberdachten Sonnendecks fuhr langsam durch die Bucht von Dubrovnik. Musik tönte herüber . man sah sie tanzen in ihren weißen Hosen und Hemden und den bunten, leichten Kleidern. Es war für Rosa eine neue Welt.

»Wann holst du mich?« fragte sie und lehnte sich zurück.

»Bald. So schön wie hier wird es nicht sein.«

»Es ist nirgendwo schön, wo du nicht bist. Ich bin hier so einsam, Ralf. Ich bin so ganz allein mit meiner Sehnsucht. Wenn es Abend wird und das Meer leuchtet golden und rot, dann sitze ich am Fenster und könnte weinen. Allein, immer allein . Tage, Wochen, Monate . jede Nacht. Ach Ralf, warum liebe ich dich so.«

Sie kuschelte sich in seinen Armen und ließ den salzigen Seewind über ihr Gesicht streichen. So saßen sie bis zum Abend und waren glücklich, daß sie sich fühlten, daß jeder den Atem des anderen hörte und daß ihre Herzen klopften, schneller, immer schneller, je weiter die Sonne am Horizont in das Meer versank.

Kapitel 7

Ein Jahr nach der Zerstörung Zabaris wehten rund um das Tal die Fahnen Jugoslawiens, waren die Straßen geschmückt, spannten sich Blumengirlanden über weite Plätze und war die Mauer des Staudammes mit Tannengrün verziert. Auf der Höhe, neben dem Röhrenwerk des eingedämmten Felsenflusses, stand eine hundert Mann starke Militärkapelle aus Titograd ... auf dem Platz, wo früher das Barackenlager stand, tanzten Hunderte fröhliche Menschen in den bunten Trachten ihrer montenegrinischen Heimat. Pietro Bonellis neue Wirtschaft, halb fertig und mit einem mächtigen Hotelanbau, war überfüllt ... mit zwanzig Kellnern und Kellnerinnen bediente er die lauten und lustigen Gäste. Frau Katja Bonelli kommandierte bereits nach Bonelli-Art in der Küche ... ab und zu rannte sie in einen Nebenraum und sah nach dem kleinen, kaum zwei Monate alten Jungen, der schwarzlockig in seinem Körbchen lag und schlief. Mario Bonelli hieß er. Und einer seiner Paten war Josef Lukacz. »Wenn ihn später eine solch starke Hand beschützt, habe ich keine Angst um ihn«, sagte Bonelli, als er Josef um die Patenschaft bat.

Auf einer Plattform vor der hohen Staumauer stand Stanis Osik. Er blickte über den Stausee, der sich langsam füllte, er sah hinüber auf die wachsende Stadt, auf die halbfertigen oder schon bezogenen Häuser, auf die Straßen, die die Stadtviertel umgrenzten, auf die Kirche, deren Turm noch unter einem Gerüst verborgen war, und die Kuppel der Moschee, an der in einigen Wochen ein schlankes Minarett emporwachsen würde. Überall Betonmischmaschinen, Gerüste, Steinhaufen, Sand und Kies, Kalk und Dachpfannen, wimmelndes Leben. Eine Sturmflut von Kraft und Wollen, wo vor einem Jahr noch das Wasser alles Irdische zerstörte.

Stanis Osik wandte sich um. Die Vertreter der Regierung standen an der Brüstung der Plattform . ein General mit ordengeschmückter Uniform, drei Minister, ein Heer von Presseleuten, die Wochenschau aller Länder, der Rundfunk von Belgrad. Neben Meer-holdt stand Rosa Suhaja. In ihrem weißen Kleid verfing sich der Wind, er bauschte den Schleier auf und ließ ihn flattern wie eine Fahne. Auch die Frackschöße von Ralfs Frack pendelten im Wind . ein warmer Wind, der durch die Berge rauschte und den heißen Sommer aus dem Inneren brachte.