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»Ja, das war Herakles’ Waffenträger und einer der tapfersten von uns.« Auch war es typisch für ihn, solche Komplimente zu machen. Ich verstand nun, warum seine Schatzkammern so voll waren von Geschenken, die er Verträgen und Bündnissen verdankte. Unter unseren prahlerischen Helden bildete Peleus eine Ausnahme: Er war bescheiden. Wir hörten ihm gern zu und saßen lange am Feuer, während Diener immer wieder Holzscheite nachlegten, und manchmal dämmerte schon der Morgen, wenn er uns schließlich ins Bett schickte.

Der einzige Ort, an den ich Achill nicht folgen durfte, war das Gemach seiner Mutter. Er besuchte sie immer nachts oder am frühen Morgen, wenn noch alles schlief, und wenn er zurückkehrte, verströmte er Meeresgeruch und sein Gesicht war gerötet. Als ich ihn einmal nach diesen Treffen fragte, gab er mir bereitwillig, aber mit seltsam tonloser Stimme Auskunft.

»Es ist immer dasselbe. Sie will wissen, was ich treibe und wie es mir geht, und spricht mit mir über mein Ansehen in der Welt. Am Ende fragt sie, ob ich mit ihr gehen werde.«

Ich war ganz Ohr. »Wohin?«

»In die Höhlen am Meeresgrund.« Wo die Seenymphen lebten, in großer Tiefe, unerreicht von Sonnenstrahlen.

»Und? Wirst du mit ihr gehen?«

Er schüttelte den Kopf. »Mein Vater will es nicht. Er sagt, kein Sterblicher, der zu ihnen ginge, kehrte je zurück.«

Als er nicht hinsah, schlug ich ein Zeichen gegen das Böse, auf dass es mich nicht befalle. Es machte mir Angst, ihn so ruhig und gelassen über solche Dinge sprechen zu hören. Wenn sich in unseren Geschichten Götter und Sterbliche aufeinander einließen, endete das nie gut. Aber sie war seine Mutter, sagte ich mir, und er selbst ein Halbgott.

Mit der Zeit gewöhnte ich mich auch an diese sonderbaren Besuche wie an das Wunder seiner schnellen Füße und die übermenschliche Geschicklichkeit seiner Hände. Wenn ich hörte, wie er im Morgengrauen durchs Fenster zurück in die Kammer stieg, fragte ich immer von meinem Bett aus: »Geht es ihr gut?«

Und er antwortete dann: »Ja, es geht ihr gut.« Manchmal fügte er hinzu: »Heute tummeln sich große Fischschwärme vor der Küste«, oder: »Das Meer ist warm wie Badewasser.« Danach schliefen wir wieder.

Eines Morgens im Frühling – es war mein zweiter Frühling im Palast – kam er später als gewöhnlich von seinem Besuch zurück. Die Sonne ging gerade hinter dem Horizont auf, und auf den Hügeln tönten die Glocken der Ziegen.

»Geht es ihr gut?«

»Ja. Sie will dich kennenlernen.«

Ich erschrak, ließ mir aber nichts anmerken. »Meinst du, ich sollte?« Ich wusste, dass sie Sterbliche verabscheute, und konnte mir nicht vorstellen, weshalb sie mich kennenlernen wollte.

Er schaute mich nicht an und spielte mit einem Stein, den er gefunden hatte. »Es passiert dir schon nichts. Morgen Nacht, sagt sie.« Das war ein Befehl. Götter baten nicht. Ich kannte Achill gut genug, um zu sehen, dass er verlegen war, was selten vorkam.

»Morgen?«

Er nickte.

Obwohl wir uns sonst gegenseitig nie etwas vormachten, wollte ich ihn diesmal nichts von meiner Angst spüren lassen. »Sollte ich – soll ich ihr ein Geschenk mitbringen? Süßen Wein vielleicht?« Damit besprengten wir an Festtagen die Altäre; es war unsere kostbarste Opfergabe.

Er schüttelte den Kopf. »Das mag sie nicht.«

Als in der nächsten Nacht alles schlief, kletterte ich aus unserem Fenster. Der Halbmond leuchtete so hell, dass ich ohne Fackel den Weg durch die Felsen fand. Achill hatte gesagt, ich solle in der Brandung auf sie warten, sie werde mich abholen, und es sei nicht nötig, sie zu rufen.

Die Wellen waren warm und voll aufgespülten Sandes. Kleine weiße Krabben nahmen von mir Reißaus. Ich lauschte und hoffte, sie hören zu können. Ein milder Wind wehte über den Strand, und ich schloss für einen Moment die Augen. Als ich sie wieder öffnete, stand sie vor mir.

Sie war größer als ich, die größte Frau, die ich je gesehen hatte. Ihre schwarzen Haare fielen lose über den Rücken, und die Haut schimmerte unglaublich fahl und schien das Mondlicht aufzusaugen. Sie war mir so nahe, dass ich sie riechen konnte. Sie duftete nach Salzwasser und dunkelbraunem Honig. Ich hielt die Luft an, wagte es nicht, zu atmen.

»Du bist Patroklos.« Ich zuckte vor Schreck über ihre Stimme zusammen, hatte ich doch einen glockenhellen Klang erwartet und nicht dieses raue Schürfen wie von Kieselsteinen in der Brandung.

»Ja, der bin ich.«

Sie betrachtete mich mit unverhohlenem Abscheu. Ihre Augen waren nicht die eines Menschen, sondern pechschwarz mit goldenen Flecken. Ich brachte es nicht über mich, ihr länger ins Gesicht zu sehen.

»Er wird ein Gott sein«, sagte sie. Weil ich nicht wusste, was ich darauf entgegnen sollte, schwieg ich. Sie beugte sich vor, und ich glaubte schon, sie wollte mich berühren. Doch das tat sie natürlich nicht.

»Verstehst du?« Ich spürte ihren Atem auf meiner Wange, der so kühl war wie die Tiefe des Meeres. Verstehst du? Auch wusste ich von Achill, dass sie es nicht leiden konnte zu warten.

»Ja.«

Sie rückte noch näher an mich heran und überragte mich. Ihr Mund war ein roter Schlitz wie die Wunde eines aufgeschnittenen Opfertiers, blutig und voller Orakel. Dahinter schimmerten Zähne, scharf und weiß wie Knochen.

»Gut.« Und als spräche sie mit sich selbst, fügte sie hinzu: »Du wirst früh genug sterben.«

Dann wandte sie sich um und sprang ins Wasser, ohne dass es aufspritzte.

Ich ging nicht sofort zurück zum Palast. Das war mir einfach nicht möglich. Stattdessen verschlug es mich in den Olivenhain, wo ich mich an einen knorrigen Stamm zwischen gefallenen Früchten auf den Boden setzte, weit weg vom Meer. Ich mochte die salzige Luft nicht riechen.

Du wirst früh genug sterben, hatte sie gesagt, mitleidslos, als Feststellung. Ihr missfiel es offenbar, dass ich der Gefährte ihres Sohnes war, doch mich zu töten kam ihr wohl nicht in den Sinn. Die wenigen Jahrzehnte, die ein Mensch zu leben hatte, waren für eine Göttin kaum der Beachtung wert.

Und sie wollte, dass ihr Sohn in den Götterhimmel aufstieg. Auch das hatte sie so formuliert, als sei es eine Selbstverständlichkeit. Dass er ein Gott wurde. Als solchen konnte ich ihn mir kaum vorstellen. Götter waren hartherzig und so weit entfernt von uns wie der Mond, ganz anders als Achill mit seinen hellen Augen und dem schelmischen Lächeln.

Sie hatte ambitionierte Wünsche, denn es dürfte selbst ihr kein Leichtes sein, einen Halbgott unsterblich werden zu lassen. Gewiss, so etwas hatte es schon gegeben, nämlich in den Fällen Herakles und Orion. Diese Männer aber waren Söhne des Zeus, von edelstem Blut und unübertrefflichen Gaben. Thetis dagegen war eine geringere unter den geringeren Gottheiten, nur eine Nymphe. In unseren Geschichten buhlten solche geringeren um die Gunst der höheren Götter mit Schmeicheleien und Überredungskunst. Von sich aus vermochten sie nicht viel, außer ewig zu leben.

»Woran denkst du?« Es war Achill, der mich gesucht hatte. Seine Stimme tönte laut durch den stillen Olivenhain, doch ich erschrak nicht. Ich hatte erwartet, dass er zu mir kommen würde.

»An nichts«, sagte ich, was nicht ganz der Wahrheit entsprach.

Er setzte sich neben mich. Seine bloßen Füße waren voller Staub.

»Hat sie dir gesagt, dass du bald sterben wirst?«

Ich schaute ihn verblüfft an.

»Ja«, antwortete ich.

»Tut mir leid.«

Der Wind wehte durch die silbergrauen Blätter über uns. Ich hörte ein paar Früchte von den Bäumen fallen.

»Sie will, dass aus dir ein Gott wird«, berichtete ich.

»Ich weiß.« Er war sichtlich verlegen, was mich ein wenig erleichterte, denn nur Menschen gerieten in Verlegenheit, allzumal Kinder, und zwar häufig ihrer Eltern wegen.