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»Ist er verletzt?«

Eine tiefe Stimme meldete sich aus dem Hintergrund. Achill warf einen Blick über die Schulter. Am Boden liegend, sah ich nur die Beine eines Pferdes, dunkelbraun und die Fesseln voller Staub.

Wieder erklang die Stimme, maßvoll und bedächtig. »Kann es sein, Achill Pelides, dass er der Grund ist, warum du noch nicht zu mir auf den Berg gekommen bist?«

Ich versuchte, mir einen Reim darauf zu machen. Achill war nicht zu Cheiron gegangen und hatte stattdessen hier auf mich gewartet.

»Zum Gruße, Meister Cheiron. Ich bitte um Entschuldigung. Ja, deshalb bin ich säumig.« Achill sprach mit seiner Prinzenstimme.

»Verstehe.«

Ich wünschte, Achill wäre aufgestanden, kam ich mir doch töricht vor, wie ich so unter ihm am Boden lag. Und ich hatte Angst. Die Stimme des Mannes ließ zwar keine Verärgerung erkennen, aber auch keine Freundlichkeit. Sie war klar, ernst und leidenschaftslos.

»Steh auf«, sagte er.

Achill gehorchte.

Ich hätte laut aufgeschrien, wäre mir nicht vor Schreck die Luft weggeblieben. Stattdessen gab ich nur ein Winseln von mir und kroch hastig zurück.

Die kräftigen Vorderläufe des Pferds trugen den nicht weniger kräftigen Rumpf eines Mannes. Ich starrte auf die sonderbare Nahtstelle zwischen Tier und Mensch, diesen Übergang zwischen glatter Haut und glänzendem braunem Fell.

Achill verbeugte sich. »Meister Zentaur«, sagte er. »Entschuldige meine Verspätung. Ich musste auf meinen Gefährten warten.« Er kniete nieder in den Staub. »Bitte verzeih mir. Schon seit langem wünsche ich mir, dein Schüler zu sein.«

Die Miene des Mannes – des Zentauren – war so ernst wie seine Stimme. Er war schon betagt, wie ich sah, und hatte einen sorgfältig gestutzten schwarzen Bart.

Er betrachtete Achill einen Moment lang. »Du musst vor mir nicht niederknien, Pelides. Obwohl ich deine Höflichkeit zu schätzen weiß. Und wer ist dieser Gefährte, der dich aufgehalten hat?«

Achill schaute mich an und reichte mir seine Hand. Ich ergriff sie und ließ mir aufhelfen.

»Das ist Patroklos.«

Es blieb eine Weile still. Anscheinend war es nun an mir, zu sprechen.

»Mein Herr«, sagte ich und verbeugte mich.

»Ich bin kein Herr, Patroklos Menoitiades.«

Mein Kopf schnellte in die Höhe, als ich den Namen meines Vaters hörte.

»Ich bin Zentaur und ein Lehrer der Menschen. Mein Name ist Cheiron.«

Ich schluckte und nickte. Zu fragen, woher er meinen Namen kannte, wagte ich nicht.

Er musterte mich. »Mir scheint, du bist sehr müde. Du brauchst Wasser und etwas zu essen. Es ist ein weiter Weg bis zu mir nach Hause auf den Pelion, zu weit für dich. Also müssen wir andere Mittel bemühen.«

Er drehte sich um, und ich versuchte, ihn nicht anzustarren, als ich sah, wie er seine Läufe bewegte.

»Ihr beide werdet auf meinem Rücken reiten«, sagte der Zentaur. »Einem Unbekannten erweise ich diese Ehre normalerweise nicht. Aber jetzt gilt es, eine Ausnahme zu machen.« Er stockte. »Ich vermute, man hat euch zu reiten gelehrt.«

Wir beide nickten eifrig.

»Schade. Vergesst, was ihr gelernt habt. Ich mag es nicht, wenn mir Beine die Flanken quetschen oder wenn man an mir zerrt. Wer vorn sitzt, hält sich an meiner Hüfte fest, der andere am Vordermann. Wenn einer zu stürzen droht, soll er mir ein Zeichen geben.«

Achill und ich schauten einander an.

Er trat vor.

»Wie soll ich –?«

»Ich gehe in die Knie.« Seine Vorderläufe knickten ein. Er hatte einen breiten Rücken, der schweißnass glänzte. »Hier, nehmt meinen Arm als Stütze«, sagte der Zentaur. Achill folgte seinem Rat und schwang ein Bein über den Widerrist.

Jetzt war ich an der Reihe. Immerhin musste ich nicht vorn sitzen, unmittelbar hinter der Stelle, wo die nackte Haut in ein Fellkleid überging. Cheiron reichte mir seine kräftige Hand, auf der schwarze Haare wucherten, die so gar nicht mit der Farbe und Beschaffenheit seines Fells übereinstimmten. Ich musste meine Beine auf seinem breiten Rücken so weit spreizen, dass es fast schmerzte.

Cheiron sagte: »Ich richte mich jetzt auf.« Obwohl er langsam und vorsichtig in die Höhe ging, hielt ich mich ängstlich an Achill fest. Cheiron war um einiges größer als ein normales Pferd, und mir wurde schwindlig in der Höhe. Achill hatte ihm seine Hände lose auf die Hüften gelegt. »Wenn ihr euch nicht richtig festhaltet, werdet ihr stürzen«, mahnte der Zentaur.

Ich hielt Achill mit beiden Armen fest umklammert und wagte es nicht, mich auch nur für einen Moment zu entspannen. Die Gangart des Zentauren war weniger gleichmäßig als die eines Pferdes und steil der Grund, auf dem wir ritten. Ich geriet auf dem verschwitzten Fell immer wieder bedrohlich ins Rutschen.

Ein Pfad war nirgends auszumachen, doch wir stiegen zwischen den Bäumen rasch bergan, getragen von Cheiron, dessen sichere Schritte kein einziges Mal zögerten. Manchmal schüttelte es mich so heftig, dass ich ihm versehentlich in die Seite trat.

Cheiron erklärte uns mit ruhiger Stimme, wo wir waren.

Das ist das Othrys-Gebirge.

Wie ihr seht, sind die Zypressen hier stämmiger als auf der Nordseite.

Dieser Bach dort mündet in den Apidanos, der durch Phthia fließt.

Achill drehte sich zu mir um und grinste.

Wir stiegen immer höher hinauf, und der Zentaur ließ seinen Schweif hin und her peitschen, um die Fliegen von uns fernzuhalten.

In einem lichten Wäldchen angelangt, hielt er so plötzlich an, dass ich gegen Achills Rücken prallte. Noch war der Gipfel nicht erreicht, der über uns in den blauen Himmel ragte. In unmittelbarer Nähe erhob sich ein Halbrund schroffer Felsen.

»Wir sind am Ziel.« Cheiron ging in die Knie und ließ uns absitzen.

Vor uns öffnete sich eine Höhle, die aber nicht etwa ins Dunkle führte, sondern in ein Gewölbe aus schimmerndem Rosenquarz.

»Kommt«, sagte der Zentaur. Wir folgten ihm durch den Eingang, der so hoch war, dass er sich nicht bücken musste. Die kristallenen Wände funkelten, und es dauerte eine Weile, bis sich unsere blinzelnden Augen an das eigentümliche Licht gewöhnt hatten. In einer Nische plätscherte das Wasser einer Quelle herab und verlor sich im Gestein darunter.

An den Wänden hingen Gegenstände, wie ich sie noch nie gesehen hatte: seltsame, bronzene Geräte. An der Decke über uns waren Linien und Farbflecken zu sehen, die die Himmelsgestirne und ihre Bewegungen abbildeten. Auf hölzernen Regalen standen Dutzende kleiner Keramikbehälter, beschriftet mit sonderbaren Zeichen. In einer Ecke entdeckte ich Leiern und Flöten neben Werkzeugen und Kochgeschirr.

Es gab nur ein einziges Bett, dick gepolstert mit Tierhäuten. Darin sollte Achill schlafen. Der Zentaur selbst schien kein Lager zu haben. Vielleicht brauchte er keins.

»Setzt euch«, sagte er. Nach der heißen Sonnenglut war es angenehm kühl in der Höhle, und ich ließ mich dankbar auf eines der Kissen fallen, auf die der Pferdemensch zeigte. Er ging zur Quelle, füllte zwei Becher und brachte sie uns. Das Wasser schmeckte süß und frisch. Ich trank gierig. Cheiron betrachtete mich und sagte: »Spätestens morgen werden euch sämtliche Glieder im Leib wehtun. Ihr solltet euch kräftigen und etwas essen.«

Aus einem Topf, der über einem kleinen Feuer im hinteren Teil der Höhle hing, schöpfte er einen Eintopf aus Gemüse und Fleisch in zwei Schalen. Es gab auch Früchte, rote Beeren, die er in einer kleinen Einbuchtung der Höhlenwand aufbewahrte. Ich aß mit großem Appetit und wunderte mich selbst, wie hungrig ich war. Mein Blick wanderte immer wieder zu Achill zurück. Ich war überglücklich.