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Seine Worte rüttelten Deidameia aus ihrer Schockstarre. »Nein«, rief sie mit anschwellender Stimme. »Das kannst du nicht. Wir sind verheiratet. Du bist mein Gemahl. Deine Mutter hat es so verfügt.«

Lykomedes rang keuchend nach Luft. Seine Augen waren allein auf Thetis gerichtet. »Ist das wahr?«, fragte er.

»Es ist wahr«, antwortete die Göttin.

Mein Herz drohte auszusetzen. Achill wollte mir etwas sagen, doch seine Mutter kam ihm zuvor.

»Du bist jetzt an uns gebunden, König Lykomedes. Achill wird weiterhin unter deinem Schutz bleiben, und du verrätst niemandem, wer er ist. Im Gegenzug darf sich deine Tochter dereinst rühmen, meinen Sohn zum Gemahl zu haben.« Ihr Blick wanderte auf einen Punkt über Deidameias Kopf und wieder zurück. »Das ist mehr, als sie erhoffen konnte.«

Lykomedes strich sich über den Hals, als versuchte er die Falten zu glätten. »Mir bleibt keine Wahl«, sagte er, »und das wisst ihr.«

»Und was, wenn ich nicht schweigen werde?« Deidameia war hochrot im Gesicht. »Ihr habt mich ruiniert, du und dein Sohn. Ich habe ihm beigewohnt, wie du es von mir verlangt hast, und jetzt bin ich entehrt. Ich erhebe Anspruch auf ihn, auch vor Gericht.«

Ich habe ihm beigewohnt.

»Du bist ein törichtes Mädchen«, sagte Thetis, und jedes Wort fiel wie ein scharfes Beil. »Armselig und gewöhnlich, im besten Falle nützlich. Du hast meinen Sohn nicht verdient, und wenn du von dir aus keinen Frieden gibst, werde ich dafür sorgen.«

Deidameia wich zurück. Ihre Lippen waren weiß, die Augen weit aufgerissen. Mit zitternder Hand fuhr sie sich an den Bauch und bohrte die Finger ins Gewebe ihres Kleides. Draußen, jenseits der Klippen, war das Donnern einer wütenden Brandung zu hören.

»Ich bin schwanger«, flüsterte die Prinzessin.

Ich blickte Achill an, als sie dies sagte, und sah sein Entsetzen. Lykomedes gab einen Schmerzenslaut von sich.

Meine Brust war wie ausgehöhlt und eierschalendünn. Genug. Ich weiß nicht mehr, ob ich dieses Wort nur gedacht oder auch laut ausgesprochen hatte. Ich ließ Achills Hand los und ging zur Tür. Thetis muss mir wohl den Weg frei gemacht haben; anderenfalls wäre ich in sie hineingelaufen. Ich eilte ins Dunkel hinaus.

»Warte!«, rief Achill. Er brauchte überraschend lange, um zu mir aufzuschließen. Das Kleid behindert ihn, dachte ich. Er packte mich am Arm.

»Lass los«, sagte ich.

»Bitte, warte. Lass mich erklären. Ich wollte nicht, dass es dazu kommt. Meine Mutter –« Er war außer Atem und schnappte nach Luft. Ich hatte ihn noch nie so aufgebracht gesehen.

»Sie hat das Mädchen in meine Kammer geführt. Ich wollte es nicht. Aber meine Mutter sagte – sie sagte –« Er stolperte über seine Worte. »Sie sagte, wenn ich mich auf das Mädchen einließe, würde sie dir verraten, wo ich bin.«

Ich fragte mich, was Deidameia erwartet hatte, als sie ihre Frauen für mich tanzen ließ. Hatte sie tatsächlich geglaubt, ich würde ihn nicht erkennen? Ich hätte ihn auch mit geschlossenen Augen wiedererkannt, an seinem Duft, an seinen Schritten. Selbst im Tod und am Ende der Welt würde ich ihn wiedererkennen.

»Patroklos.« Er umfasste mein Gesicht mit beiden Händen. »Hörst du mir überhaupt zu? Bitte, sag etwas.«

Ich sah die beiden vor mir, eng umschlungen, und konnte nicht aufhören, daran zu denken. Ich erinnerte mich an die langen Tage und Nächte voller Trauer um ihn, an mein verzweifeltes Sehnen.

»Patroklos?«

»Du hast es umsonst getan.«

Meine Stimme schien ihm Angst zu machen. Aber wie hätte sie anders klingen können?

»Was soll das heißen?«

»Nicht deine Mutter hat mir gesagt, wo du bist, sondern Peleus.«

Er wurde bleich und schien auf einmal blutleer. »Sie hat es dir nicht gesagt?«

»Natürlich nicht. Hast du tatsächlich erwartet, sie würde ihr Versprechen halten?«, entgegnete ich schärfer als beabsichtigt.

»Ja«, flüsterte er.

Es gab jede Menge, was ich ihm um die Ohren hätte werfen mögen, zum Beispiel dass er schon immer viel zu leichtgläubig gewesen sei, dass er, begünstigt, wie er war, kaum etwas zu befürchten gehabt habe. Vor unserer Freundschaft hatte ich ihn fast dafür gehasst, und ein Funke der alten Wut flammte wieder in mir auf. Jeder wusste doch, dass Thetis nur eigennützige Zwecke verfolgte. Wie konnte er so töricht und naiv gewesen sein?

All diese Worte lagen mir auf der Zunge, doch sie wollten mir nicht über die Lippen kommen. Seine Wangen waren vor Scham gerötet und seine Augen wirkten müde. Die Vertrauensseligkeit gehörte zu ihm, wie auch seine Hände und Füße Teil von ihm waren. Und trotz meines Schmerzes wollte ich um keinen Preis der Welt, dass er sich veränderte und so zaghaft und furchtsam wäre wie alle anderen.

Er betrachtete mich aufmerksam und las in meinem Gesicht wie die Auguren die göttlichen Zeichen. Die kleine Falte zwischen seinen Brauen zeugte von angestrengter Konzentration.

Etwas geriet in mir in Bewegung wie die gefrorene Wasseroberfläche des Apidanos im Frühling. Mir war aufgefallen, wie er Deidameia anschaute oder, richtiger gesagt, wie er sie nicht anschaute. Ähnlich hatte er auf die Jungen in Phthia reagiert. Mich dagegen hatte er noch nie so teilnahmslos angesehen.

»Verzeih mir«, sagte er wieder. »Ich wollte es nicht. Es hat – mir nicht gefallen.«

Seine Worte linderten auch den Rest meines Kummers, der mich befallen hatte, als Deidameia seinen Namen gerufen hatte. Mir steckte ein Kloß in der Kehle, und ich war den Tränen nahe. »Es gibt nichts zu verzeihen«, sagte ich.

Am Abend kehrten wir zur Burg zurück. Es war dunkel in der großen Halle, in der Feuerstelle glimmten nur noch Reste von Glut. Achill hatte sein Kleid notdürftig zusammengebunden, doch an der Hüfte klaffte immer noch ein Riss. Er hielt das Tuch gerafft für den Fall, dass uns eine der Wachen begegnete.

Plötzlich tönte eine Stimme aus dem Dunkel. Wir erschraken.

»Ihr seid zurückgekehrt.« Das Mondlicht reichte nicht bis zu den Thronen, doch wir konnten die Umrisse einer Gestalt in dicken Fellen erkennen. Die Stimme des Königs klang tiefer, schwerer.

Ich bemerkte, dass Achill mit seiner Antwort ein wenig zögerte. »Ja, das sind wir.« Er hatte nicht damit gerechnet, Lykomedes so bald wiederzusehen.

»Deine Mutter ist gegangen, ich weiß nicht, wohin.« Der Alte legte eine Pause ein, als erwartete er eine Antwort.

Achill sagte nichts.

»Meine Tochter, deine Gemahlin, ist in ihrer Kammer und weint. Sie hofft, dass du zu ihr kommst.«

Ich spürte, wie sehr meinen Freund das schlechte Gewissen quälte, ein Gefühl, das er kaum kannte.

»Es ist bedauerlich, denn sie hofft vergebens«, murmelte er.

»Ja, das ist es«, erwiderte Lykomedes.

Wir standen eine Weile schweigend da. Der Alte atmete schwerfällig. »Ich vermute, du wünschst eine Kammer für deinen Freund.«

»Ja, wenn du nichts dagegen hast«, antwortete Achill vorsichtig.

Lykomedes lachte leise. »Nein, Prinz Achill, ich habe nichts dagegen.« Es wurde wieder still. Ich hörte, wie der König einen Becher hob, trank und ihn zurück auf den Tisch stellte.

»Das Kind muss deinen Namen tragen. Verstehst du das?« Darauf hatte er gewartet, dies zu sagen, unter seinen Fellen im Licht der letzten Feuersglut.

»Ich verstehe«, antwortete Achill ruhig.

»Schwörst du es?«

Der alte König tat mir leid, und ich war froh, dass Achill nach kurzem Zögern sagte: »Ich schwöre.«

»Gute Nacht euch beiden.«

Wir verbeugten uns und gingen.

Achill fand einen Wachposten und forderte ihn auf, uns ins Gästequartier zu führen. Er sprach mit heller, mädchenhafter Stimme. Ich sah, wie der Mann ihn von Kopf bis Fuß musterte und den Riss in seinem Kleid bemerkte. Er grinste breit.

»Komm mit, Fräulein«, sagte er.