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»Was soll das heißen?« Mein Vater runzelte die Stirn. »Wenn nicht wegen Helena, weswegen ist er dann gekommen? Soll er doch zu seinen Felsen und Ziegen zurückkehren.«

Der Mann zog die Brauen in die Stirn, sagte aber nichts.

Auch Tyndareos blieb gelassen. »Wenn sich, wie du sagst, dein Sohn um meine Tochter bewirbt, so lass ihn doch für sich sprechen.«

Selbst mir war bewusst, dass ich mich nun vorzustellen hatte. »Ich bin Patroklos, Sohn des Menoitios.« Weil ich lange nichts gesagt hatte, klang meine Stimme rau und holprig. »Ich möchte Helena zur Frau nehmen. Mein Vater ist König und der Sohn von Königen.« Mehr wusste ich nicht vorzutragen. Mein Vater hatte mich nicht vorbereitet und wohl auch nicht damit gerechnet, dass Tyndareos mich zu reden auffordern würde. Ich stand auf, trug die Schale zu den anderen Geschenken und legte sie vorsichtig ab. Anschließend kehrte ich auf meinen Platz auf der Bank zurück, erleichtert darüber, weder gezittert zu haben noch gestolpert zu sein, und ich hatte mich auch nicht mit meinen Worten zum Narren gemacht. Dennoch brannte mein Gesicht vor Verlegenheit. Ich ahnte, was diese Männer von mir hielten.

Doch mein peinlicher Auftritt schien schon bald vergessen zu sein. Als nächster Bewerber ging ein riesiger Mann auf die Knie, um einiges größer und breiter als mein Vater. Hinter ihm hatten zwei Sklaven einen gewaltigen Schild aufgerichtet, der anscheinend zu seiner Ausstattung gehörte und von den Füßen bis zur Krone reichte. Ein normaler Sterblicher hätte ihn unmöglich allein tragen können. Und ein Schmuckstück war es nicht. Tiefe Kerben und Einschnitte zeugten von seinem Einsatz im Kampf. Der Riese stellte sich als Ajax vor, Sohn des Telamon. Er sprach mit einfachen, schnörkellosen Worten, behauptete, in direkter Linie von Zeus abzustammen, und stellte seine mächtige Statur als Beweis dafür heraus, dass er immer noch in der Gunst seines Urgroßvaters stand. Er brachte einen Speer mit wunderschönem Schnitzwerk als Geschenk dar. Die geschmiedete Spitze glimmte im Licht der Fackeln.

Als Letzter kam der Mann mit der Narbe an die Reihe. »Nun, Sohn des Laertes?« Tyndareos wandte ihm sein Gesicht zu. »Was sagt ein unbeteiligter Beobachter zu diesen Vorgängen?«

Der Angesprochene lehnte sich zurück. »Ich frage mich, wie du die Verlierer der Brautwerbung davon abhalten wirst, dir den Krieg zu erklären. Oder Helenas glücklichem Gatten. Ich sehe hier ein halbes Dutzend Männer, die sich am liebsten gegenseitig an die Gurgel springen würden.«

»Das scheint dich zu amüsieren.«

Der Mann zuckte mit den Achseln. »Ja, ich finde närrische Männer komisch.«

»Der Sohn des Laertes macht sich über uns lustig«, schimpfte Ajax, der Riese, und ballte eine Faust, die so groß war wie mein Kopf.

»Oh nein, Sohn des Telamon, niemals.«

»Was dann, Odysseus? Erklär dich, und sei es nur dieses eine Mal.« Tyndareos schlug einen scharfen Ton an.

Wieder zuckte Odysseus mit den Achseln. »Du treibst ein gefährliches Spiel mit diesen Männern. Ein jeder von ihnen ist voller Stolz und nähme es dir übel, wenn er abgewiesen würde.«

»All das hast du mir bereits unter vier Augen gesagt.«

Mein Vater zuckte zusammen. Verschwörung. Nicht nur er schien verärgert zu sein.

»Das ist wahr, nun aber biete ich dir einen Vorschlag zur Güte an.« Er hob die leeren Hände. »Ich habe kein Geschenk mitgebracht und will auch nicht um Helena werben. Wie schon gesagt wurde, ich bin nur ein König über Felsen und Ziegen. Als Gegenleistung für meinen Vorschlag erbitte ich nur den Preis, den ich bereits genannt habe.«

»Du sollst ihn haben im Austausch für deinen Vorschlag.« Wieder war eine flüchtige Bewegung auf dem Podest wahrzunehmen. Eine der Frauen berührte das Kleid der anderen.

»So höre. Ich finde, wir sollten Helena entscheiden lassen.« Odysseus legte eine Pause ein, weil Unmutsäußerungen laut wurden. Frauen hatten in solchen Dingen nicht mitzubestimmen. »Niemand wird es dir je verübeln können. Aber sie muss sich jetzt entscheiden, hier und heute, damit man ihr nicht nachsagen kann, sie habe sich mit dir beraten oder gar von dir beeinflussen lassen. Und …« Er streckte einen Finger in die Höhe. »Bevor sie ihre Entscheidung trifft, sollte jeder, der hier anwesend ist, einen Eid leisten und schwören, dass er Helenas Wahl anerkennt und ihren zukünftigen Gatten gegen alle verteidigt, die sie ihm streitig machen.«

Ich spürte die Unruhe in der Halle. Ein Schwur? In einer so unkonventionellen Angelegenheit wie die selbstbestimmte Gattenwahl einer Frau? Die Männer reagierten mit unverhohlenem Argwohn.

»Nun denn.« Tyndareos wandte sich den verschleierten Frauen zu. Er verriet mit keiner Miene, was er dachte. »Helena, nimmst du diesen Vorschlag an?«

Ihre Stimme klang wunderschön, war zwar leise, aber füllte dennoch den Raum. »Ich bin einverstanden.« Mehr sagte sie nicht, doch es reichte, um die Männer um mich herum zu berauschen. Selbst als Kind, das ich noch war, spürte ich die Macht, die von dieser Frau ausging. Ich erinnerte mich an Gerüchte, wonach ihre Haut vergoldet sei und ihre Augen wie Obsidiane leuchteten, jene schwarzen, gläsernen Steine, gegen die wir unsere Oliven tauschten. In diesem Moment war sie all die Preise wert, die in der Mitte der Halle aufgehäuft waren. Mehr noch, sie war unser aller Leben wert.

Tyndareos nickte. »Also ordne ich es an. Wer zu schwören bereit ist, möge es nun tun.«

Ich hörte Gemurmel und ein paar ärgerliche Stimmen. Doch niemand verließ die Halle. Helena, deren Schleier sich durch ihren Atem bauschte, hielt uns alle in ihrem Bann gefangen.

Ein eilends herbeigerufener Priester führte eine weiße Ziege zum Altar. Hier in der Halle war ein solches Opfertier verheißungsvoller als ein Bulle, dessen Blut den gesamten Steinboden überspült hätte. Die Ziege starb ohne großes Klagen, worauf der Priester in einer Schale das Blut mit der Zypressenasche aus dem Kamin vermengte. Es war so still im Raum, dass alle hörten, wie es in der Schale zischte.

»Sei du der Erste.« Tyndareos zeigte auf Odysseus. Selbst als Neunjähriger erkannte ich, wie passend diese Aufforderung war. Odysseus hatte sich als besonders schlau erwiesen. Bündnisse unter Fürsten und Königen hatten nur dann Bestand, wenn keinem Einzelnen erlaubt wurde, mächtiger zu sein als die anderen. Ich sah, dass manche gehässig grinsten. Odysseus würde sich dem jetzt nicht entziehen können.

Er verzog den Mund zu einem angedeuteten Schmunzeln. »Natürlich. Mit Vergnügen.« Letzteres glaubte ich ihm nicht. Als die Ziege geopfert worden war, hatte ich bemerkt, dass er sich an den Rand lehnte, um in den Hintergrund zu treten. Nun stand er auf und trat vor den Altar.

Er streckte dem Priester seine Arme entgegen und sagte: »Helena, vergiss nicht, dass ich diesen Eid als dein Gefolgsmann leiste und nicht als Freier. Du würdest dir nie verzeihen, mich auserwählt zu haben.« Seine Worte erregten Heiterkeit unter den Männern. Wir alle wussten, dass es einer so strahlenden Frau wie Helena niemals einfallen würde, den König von Ithaka, diesem dürren und kargen Landstrich, zum Mann zu nehmen.

Der Priester rief einen nach dem anderen zur Feuerstelle und markierte ein Handgelenk mit Blut und Asche als Zeichen des Gelübdes. Auch ich sprach den Eid, als ich an die Reihe kam, und hob den Arm, damit alle das Zeichen sehen konnten.

Als schließlich der Letzte auf seinen Platz zurückgekehrt war, stand Tyndareos auf. »Triff nun deine Wahl, meine Tochter.«

»Menelaos«, sagte sie, ohne zu zögern, was uns alle verblüffte. Wir hatten mit einer spannenderen Entscheidung gerechnet und erwartet, dass sie sich Zeit lassen würde. Ich schaute den rothaarigen Mann an, der nun aufstand und übers ganze Gesicht grinste. Überglücklich, wie es schien, gab er seinem schweigenden Bruder einen Klaps auf den Rücken. Alle anderen zeigten sich wütend, enttäuscht oder gar betrübt. Aber keiner griff nach seinem Schwert. Das Blut auf den Handgelenken war getrocknet.