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»So möge es geschehen.« Auch Tyndareos hatte sich von seinem Thron erhoben. »Und dein ehrenwerter Bruder Agamemnon soll ebenfalls nicht mit leeren Händen nach Hause zurückkehren.« Er zeigte auf die größere der Frauen. »Klytämnestra, meine andere Tochter, sei seine Braut.« Die Frau, nach wie vor verschleiert, rührte sich nicht. Ich fragte mich, ob sie die Worte ihres Vaters gehört hatte.

»Was ist mit dem dritten Mädchen?« Die Frage, laut in die Halle hinausgerufen, kam von einem kleinen Mann, der neben dem Riesen Ajax stand. »Deine Nichte. Kann ich sie haben?«

Die Männer lachten, erleichtert darüber, dass sich die Anspannung löste.

»Du kommst zu spät, Teukros«, sagte Odysseus über das allgemeine Gelächter hinweg. »Sie ist bereits mir versprochen.«

Mehr konnte ich nicht hören. Mein Vater zerrte mich von der Bank. »Wir haben hier nichts mehr verloren.« Noch in derselben Nacht machten wir uns auf den Heimweg. Ich bestieg meinen Esel, enttäuscht und voller Bedauern, die sagenhaft schöne Helena nicht einmal zu Gesicht bekommen zu haben.

Mein Vater kam auf diese Reise nie mehr zu sprechen, und in meiner Erinnerung nahmen die Ereignisse von damals eine sonderbare Färbung an. Das Blut des Opfertiers, der Raum voller Könige – all das erschien mir fern und blass, fast so, als hätte ich es nicht selbst erlebt, sondern nur von einem Sänger vorgetragen gehört. War ich tatsächlich vor Tyndareos auf die Knie gegangen? Und was hatte es mit diesem Schwur auf sich? Allein daran zu denken erschien mir abwegig, töricht und so unwirklich wie ein Traum. 

Drittes Kapitel

Ich war auf dem Feld und hielt zwei Würfel in der Hand, ein Geschenk. Nicht von meinem Vater, der an so etwas nie gedacht hätte. Auch nicht von meiner Mutter, die mich manchmal nicht erkannte. Ich weiß selbst nicht mehr, wer sie mir gab. Ein König, der bei uns zu Besuch gewesen war? Ein Höfling, der sich einzuschmeicheln versucht hatte?

Die Würfel waren aus Elfenbein geschnitzt und mit kleinen Onyx-Einlagen versehen, vollkommen glatt unter meinem Daumen. Es war Spätsommer, und ich rang, außer Atem nach dem schnellen Lauf hinaus aus dem Palast, nach Luft. Seit dem Wettkampf damals hatte man mir einen Mann zur Seite gestellt, der mich in unseren athletischen Disziplinen unterrichten sollte: Boxen, Schwert- und Speerkampf, Diskus. Aber ich war vor ihm davongelaufen und wie benommen vor Freude darüber, seit Wochen endlich einmal wieder allein sein zu können.

Plötzlich tauchte dieser Junge auf. Er hieß Kleitonymos und war der Sohn eines Edelmanns, der häufig in unserem Palast zu Gast war. Er war älter und größer als ich und unangenehm stämmig. Offenbar hatte er es auf die Würfel in meiner Hand abgesehen, denn er streckte seine Hand aus und sagte: »Lass mal sehen.«

»Nein.« Ich wollte nicht, dass er sie mit seinen schmutzigen Fingern begrabschte. Ich war zwar kleiner, aber immerhin ein Prinz. Hatte ich nicht das Recht, nein zu sagen? Allerdings waren diese Söhne von Edelmännern daran gewöhnt, alles von mir verlangen zu können, was sie wollten. Sie wussten, dass mein Vater nie einschreiten würde.

»Gib her!« Er machte sich nicht einmal die Mühe, mir zu drohen. Dafür hasste ich ihn. Mir zu drohen wäre das Wenigste gewesen, was ich an Respekt verlangen durfte.

»Nein.«

Er trat auf mich zu. »Ich will sie haben.«

»Sie gehören mir.« Ich zeigte ihm die Zähne wie Hunde, die um das kämpften, was vom Tisch zu Boden fällt.

Er streckte die Hand aus, doch ich stieß ihn zurück. Er stolperte, worüber ich mich freute. Ich würde ihm nicht geben, was mir gehörte.

»He!«, brüllte er wütend. Ich war so klein, und viele hielten mich für dumm. Es wäre eine Schmach für ihn, wenn er sich von mir abweisen ließe. Hochrot im Gesicht griff er an. Ich wich unwillkürlich zurück.

Er grinste. »Feigling.«

»Ich bin kein Feigling«, rief ich laut. Mir wurde ganz heiß.

»Dein Vater hält dich aber für einen.« Er wählte seine Worte mit Bedacht und schien sie zu genießen. »Ich habe gehört, wie er sich vor meinem Vater über dich beklagt hat.«

»Hat er nicht«, entgegnete ich, obwohl ich wusste, dass es doch so war.

Der Junge hob die Faust. »Nennst du mich einen Lügner?« Ich zweifelte keinen Augenblick daran, dass er zuschlagen würde. Er wartete nur noch auf einen Vorwand. Ich konnte mir vorstellen, wie mein Vater dieses Wort ausgesprochen hatte. Feigling. Ich stemmte dem Jungen beide Hände gegen die Brust und stieß ihn so fest, wie ich nur konnte, von mir. Unser Land bestand aus Wiesen und Getreidefeldern. Hinzufallen tat nicht weh.

Nun, um ehrlich zu sein, gab es auch jede Menge Steine.

Er schlug heftig mit dem Kopf auf, und ich sah, wie er vor Schreck die Augen aufriss. Um seinen Kopf herum breitete sich eine Blutlache aus.

Vor lauter Entsetzen über das, was ich getan hatte, schnürte sich mir die Kehle zu. Ich hatte nie zuvor einen Menschen sterben sehen. Bullen, ja, und Ziegen, nicht zuletzt auch Fische in ihrem zappelnden Todeskampf. Auch auf Gemälden hatte ich es gesehen, auf Wandteppichen und unserem Geschirr, in das solche Szenen von Mord und Totschlag unter schwarzen Gestalten eingebrannt war. Aber das war mir noch nie zu Gesicht oder zu Ohren gekommen: dieses Gliederzucken und Röcheln. Und dann dieser Gestank des blutigen Ausflusses! Ich ergriff die Flucht.

Irgendwann später fanden sie mich vor den knorrigen Wurzeln eines Olivenbaums. Ich lag, schlaff und bleich, in meinem eigenen Erbrochenen. Die Würfel waren verschwunden, verloren auf der Flucht. Mein Vater musterte mich mit wütendem Blick. Die grimmige Miene ließ seine gelb gewordenen Zähne zum Vorschein kommen. Auf sein Zeichen hin trugen mich die Diener nach Hause.

Die Familie des Jungen verlangte meinen Tod oder meine Verbannung. Sie war mächtig und der Verstorbene ihr ältester Sohn. Ein Prinz mochte unbehelligt ihre Felder niederbrennen oder eine ihrer Töchter missbrauchen, solange Schadensersatz geleistet wurde. Doch die Söhne eines Mannes galten als unantastbar. Für sie würde ein Edelmann Krieg führen. Wir alle kannten die Regeln und hielten daran fest, um das Schlimmste zu vermeiden, das uns ständig bedrohte. Blutfehde. Die Diener machten das Zeichen zur Abwehr des Bösen.

Mein Vater hatte sich zeit seines Lebens für den Erhalt seines Königreichs eingesetzt, und das wollte er nun nicht wegen eines solchen Sohns wie mich verlieren, zumal es ihm ein Leichtes sein würde, mit irgendeiner Sklavin andere Erben zu zeugen. Also willigte er ein: Ich sollte ins Exil geschickt und am Hof eines anderen Königs für den Preis von Gold, aufgewogen mit meinem Gewicht, zum Mann erzogen werden. Ich würde keine Eltern haben, keinen Familiennamen, kein Erbe. In unseren Tagen wäre es besser zu sterben. Aber mein Vater dachte praktisch. Mein Gewicht an Gold kostete ihn weniger als eine aufwändige Bestattung, die in meinem Fall nötig gewesen wäre.

So wurde ich im Alter von zehn Jahren zum Waisenkind. So kam ich nach Phthia.

Phthia war das kleinste unserer Länder, ein winziger Fleck nur, im Norden zwischen der Meeresküste und den Gipfelgraden des Othrys-Gebirges gelegen. Sein König Peleus war ein Liebling der Götter, selbst zwar nicht göttlich, aber klug, tapfer, stattlich und an Frömmigkeit allen Männern seines Standes überlegen. Und weil sie ihm günstig gesinnt waren, gaben ihm die Götter eine Nymphe zur Frau, womit ihm die größtmögliche Ehre zuteilwurde. Denn welcher Sterbliche würde nicht einer Göttin beiwohnen und einen Sohn mit ihr zeugen wollen? Göttliches Blut läuterte unser irdenes Geschlecht und brachte aus Staub und Lehm Helden hervor. Und mit dieser Göttin verband sich ein noch größeres Versprechen: Die Moiren hatten geweissagt, ihr Sohn werde den Vater bei weitem übertreffen. Sein Stamm wäre gesichert. Doch wie alle Geschenke der Götter hatte auch dieses einen Haken. Die Göttin selbst widersetzte sich.