»Es wird anders sein als in den Tagen, als ich unsere Reihen angeführt habe«, sagt er.
»Ich weiß.« Ich versuche, meine Schultern anzuheben. Die Rüstung ist steif und schwer. Ich sage ihm, dass ich mir vorkäme wie Daphne, gefangen in ihrer Lorbeerhaut. Er lächelt nicht, sondern reicht mir zwei Speere mit glänzenden Spitzen. Als ich sie entgegennehme, rauscht mir das Blut in den Ohren. Er gibt mir weitere Ratschläge, doch ich achte nicht darauf, weil ich nur mein ungeduldiges Herz pochen höre. »Beeil dich«, erinnere ich mich, gesagt zu haben.
Nachdem er mir auch den Helm aufgesetzt hat, der meine dunklen Haare verbirgt, hält er mir einen Spiegel aus polierter Bronze hin. Ich starre mich in der Rüstung an, die ich so gut kenne wie meine eigenen Hände, den Helmbusch, das silberne Schwert am Gurt und das aus Gold getriebene Wehrgehenk. All dies sind unverwechselbar die Attribute Achills. Ich erkenne mich nur an den Augen wieder, die dunkel und größer sind als seine. Er küsst mich, seine süße Wärme füllt meine Kehle, er nimmt meine Hand und führt mich nach draußen.
Die Myrmidonen haben sich bereits zur Schlachtordnung formiert, verschanzt hinter Schilden, die wie Zikadenflügel schimmern. Achill bringt mich zum Streitwagen, vor dem bereits seine drei Rösser eingespannt sind – unter keinen Umständen von Automedons Seite weichen oder gar auf eigene Faust handeln –, und ich verstehe, dass er Angst hat, ich könnte mich verraten, wenn ich selbst zu kämpfen versuchte. »Mach dir keine Sorgen«, sage ich, erklimme den Wagen und stelle die Speere vor mir ab.
Achill hat sich inzwischen an die Myrmidonen gewandt, spricht zu ihnen und zeigt auf die brennenden Schiffe, über denen schwarzer Rauch aufsteigt. »Bringt ihn mir zurück«, sagt er. Sie nicken und klappern zum Zeichen ihres Einverständnisses mit den Waffen auf die Schilde. Gleich darauf steigt Automedon zu mir auf den Wagen und nimmt die Zügel in die Hand. Wir alle wissen, warum der Streitwagen unverzichtbar ist. Wäre ich zu Fuß den Strand entlanggelaufen, hätte mich niemand mit Achill verwechselt.
Die Pferde schnauben, als sie den Wagenlenker hinter sich spüren, und legen sich ins Zeug. Der Streitwagen ruckt ein Stück nach vorn, für mich so unerwartet, dass ich fast nach hinten weggekippt wäre. »Festhalten!«, sagt Automedon, und ich sehe mich von allen beobachtet, als ich linkisch den verrutschten Helm zurechtzurücken und gleichzeitig die Speere zu halten versuche.
»Alles in Ordnung«, sage ich, vor allem an mich selbst gerichtet.
»Bist du bereit?«, fragt Automedon.
Ich werfe einen letzten Blick zurück auf Achill, der neben dem Streitwagen steht und einen fast verlorenen Eindruck macht. Ich reiche ihm die Hand. Er ergreift sie und sagt: »Sei vorsichtig.«
»Versprochen.«
Es gibt noch einiges mehr zu sagen, doch zum ersten Mal bleiben wir stumm. Es würde andere Gelegenheiten geben, den Abend oder den nächsten Morgen oder all die Tage danach. Er lässt meine Hand los.
Ich wende mich wieder an Automedon. »Ich bin bereit«, sage ich. Die Pferde ziehen an, und Automedon führt sie auf den festen Sandstreifen nahe der Brandung. Dort angekommen, rollen die Räder leicht darüber hinweg. Mit Blick auf die Schiffe nehmen wir Fahrt auf. Ich spüre Gegenwind auf der Brust und wähne den Helmbusch flattern. Ich hebe die Speere.
Automedon duckt sich, um den Blick auf mich freizugeben. Von den Rädern stiebt Sand auf. Die Myrmidonen folgen im Laufschritt mit rasselnder Rüstung. Ich atme in kurzen Stößen und halte die Speere gepackt, bis mir die Finger schmerzen. Wir passieren die leeren Zelte von Idomeneus und Diomedes, fliegen dann an den kämpfenden Griechen vorbei, die ich hinter mir freudig ausrufen höre: »Achill! Es ist Achill!« Ich fühle mich von einer Welle der Erleichterung durchströmt. Unser Plan geht auf.
Wir steuern geradewegs auf die Schiffe und die Schlachtreihen zu. Noch zweihundert Schritte, und wir würden sie erreicht haben. Vom Stampfen der Hufe und den lärmenden Myrmidonen aufgeschreckt, drehen sich die Kämpfenden zu uns um. Ich hole tief Luft und straffe die Schultern unter meiner – seiner – Rüstung, ich stemme meine Füße links und rechts vor die Seitenwände des Streitwagens, reiße einen Speer in die Höhe und schreie aus Leibeskräften, den Kopf in den Nacken geworfen, wobei ich im Stillen bete, der Wagen möge nicht holpern und mich abwerfen. Zahllose Gesichter wenden sich uns zu, Trojaner und Griechen, die einen entsetzt, die anderen triumphierend. Mit lautem Getöse fahren wir in ihre Mitte.
Ich brülle seinen Namen und höre die bedrängten Griechen antworten, ein tierisches Heulen der Hoffnung. Vor mir stieben Trojaner auseinander. Ich zeige ihnen die Zähne und spüre mein Blut heiß durch die Adern schießen, aufgewühlt vom Anblick derer, die vor mir davonrennen. Doch die Trojaner sind tapfere Männer, und nicht alle suchen ihr Heil in der Flucht.
Vielleicht ist es die Rüstung, die mich gleichsam anders formt; vielleicht liegt es daran, dass ich ihn viele Jahre lang habe beobachten können. Jedenfalls fällt meine alte Unbeholfenheit von mir ab. Und dann, ohne einen Gedanken darauf zu verschwenden, was ich tue, schleudere ich einen Speer in die Brust eines Trojaners. Die Fackel, die er auf Idomeneus’ Schiff hatte werfen wollen, gleitet ihm aus der Hand, als er rücklings in den Sand stürzt. Ob er verblutet oder sich den Schädel aufschlägt, sehe ich nicht mehr. Tot, denke ich.
Automedon hat die Augen weit aufgerissen und bewegt die Lippen. Vermutlich will er mich an Achills Mahnung erinnern, nur ja nicht in den Kampf einzugreifen, doch schon greife ich zum zweiten Speer. Ich kann es. Die Pferde scheren aus, Männer springen aus unserer Bahn. Wieder empfinde ich deutlich jenes Gefühl von Stärke und Balance. Ich fasse einen Trojaner in den Blick, werfe und spüre den Schaft am Daumen entlanggleiten. Er fällt, am Schenkel aufgespießt von meinem Speer, der ihm, woran kein Zweifel bestehen kann, den Knochen zerschlagen hat. Um mich herum schreien die Männer den Namen Achills.
Ich packe Automedon bei der Schulter. »Einen weiteren Speer.« Er zögert einen Moment, zügelt dann das Gespann und gibt mir Gelegenheit, über den Rand des Wagens hinauszugreifen und einen Speer zu bergen, der in einem gefallenen Krieger steckt. Der Schaft scheint mir in die Hand zu springen. Ich hebe ihn und suche schon mein nächstes Ziel.
Die Griechen gehen zum Sturmangriff über. Neben mir tötet Menelaos einen Mann, während einer von Nestors Söhnen mit dem Speer auf unseren Streitwagen schlägt, um uns Glück zu wünschen, bevor er ihn in Richtung Kopf eines trojanischen Prinzen schleudert. Die Trojaner weichen zurück, darunter Hektor, der, Befehle brüllend, auf seinen Streitwagen springt, um ihn durchs Tor, über die schmale Brücke über dem Graben und aufs weite Feld dahinter zu lenken.
»Auf! Ihnen nach!«
Obwohl er sich sträubt, gehorcht Automedon und lenkt die Pferde zum Ausgang des Lagers. Ich sammele weitere Speere ein, schleppe dabei manchen Leichnam hinter uns her, ehe sich die Spitze löst, und jage dem Feind nach, dessen Streitwagen das Tor blockieren. Deren Lenker werfen entsetzte Blicke über die Schulter zurück auf Achill, der aus seiner grollenden Verbitterung auferstanden ist wie Phönix aus der Asche.
Nicht alle Gespanne sind so schnell und wendig wie das von Hektor, und etliche Wagen stürzen von der Brücke in den Graben, sodass ihre Lenker zu Fuß fliehen müssen. Wir setzen ihnen nach. Achills göttliche Pferde fliegen dahin. Wir könnten umkehren, denn die Trojaner sind zurückgeschlagen. Aber die Griechen hinter uns brüllen meinen Namen. Seinen Namen. Ich kann mich nicht mehr zurückhalten.
Auf meinen Befehl hin lenkt Automedon den Wagen im Bogen vorbei an den fliehenden Haufen, um ihnen von vorn zu begegnen. Meine Speere treffen und treffen wieder, reißen Bäuche und Kehlen auf, Lungen und Herzen. Ich kenne kein Erbarmen und finde mein Ziel an Schnallen und bronzenen Platten vorbei ins Fleisch, das aufplatzt wie löchrige Weinschläuche. Aus meiner Arbeit im weißen Zelt kenne ich die Schwachstellen. Es ist so leicht.