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Ich setzte mich auf den letzten leeren Platz und straffte kampfbereit die Schultern. Die Jungen gaben mächtig an und plapperten durcheinander. Sie redeten über einen Speer, einen toten Vogel am Strand und über die Wettkämpfe im Frühling. Ich hörte nicht hin. Seine Gegenwart störte mich wie ein Stein im Schuh, der sich einfach nicht ignorieren ließ. Seine Haut hatte die Farbe frisch gepressten Olivenöls und war so glatt wie poliertes Holz, ohne Schrammen und Blessuren wie bei all den anderen.

Nach dem Essen wurde das Geschirr weggeräumt. Hinter den Fenstern zeigte sich der Erntemond, voll und rötlich gelb am Abendhimmel. Achill blieb länger als sonst. Gedankenversunken strich er die Haare aus dem Gesicht. Sie waren in den Wochen seit meiner Ankunft lang geworden. Er langte nach einer Schale auf dem Tisch, in der sich Feigen befanden, und klaubte mehrere heraus.

Mit einem Schlenker aus dem Handgelenk warf er die Feigen in die Luft, eine, zwei, drei, und ließ sie so leicht umeinanderfliegen, dass die zarte Haut der Früchte unbeschädigt blieb. Dann fügte er eine vierte, eine fünfte hinzu. Die Jungen lachten und applaudierten. Mehr, mehr!

So schnell schwirrten die Feigen durch die Luft, dass das Auge kaum folgen konnte, und es schien, als seien die Hände gar nicht im Spiel, als flögen die Früchte aus eigener Kraft. Solche Kunststücke waren eigentlich Sache von Gauklern und Bettlern, doch er schuf ein lebendiges Luftgebilde, so schön, dass ich mein Interesse nicht länger verhehlen konnte.

Sein Blick, der den fliegenden Früchten folgte, richtete sich kurz auf mich. Ich hatte nicht die Zeit, wegzuschauen, bevor er leise, aber deutlich sagte: »Fang!« Eine Feige löste sich aus dem schwerelosen Kreis, flog auf mich zu und landete, weich und warm, in meinen geöffneten Händen. Ich hörte die Jungen johlen.

Daraufhin pflückte Achill eine Frucht nach der anderen aus der Luft, verbeugte sich wie ein Schausteller und legte sie zurück in die Schale, bis auf eine, die er in den Mund steckte und mit den Zähnen zerteilte. Die Frucht war reif und voller Saft. Ohne lange zu überlegen, führte ich diejenige, die er mir zugeworfen hatte, an die Lippen, schmeckte ihr süßes, körniges Fleisch, die weiche Haut auf der Zunge.

Er stand auf. Die Jungen verabschiedeten ihn im Chor. Ich dachte, er würde mich noch einmal ansehen. Stattdessen aber wandte er sich ab und ging zurück in seine Kammer im hinteren Teil des Palasts.

Am nächsten Tag kehrte Peleus zurück. Man brachte mich in den Thronsaal, wo ein Eibenholzfeuer brannte und würzigen Rauch verbreitete. Wie es sich geziemte, kniete ich nieder und verbeugte mich, worauf er sein mildes Lächeln zeigte, für das er berühmt war. »Patroklos«, antwortete ich auf seine Frage nach meinem Namen. Daran, dass ich ihn ohne Hinweis auf meinen Vater nannte, hatte ich mich inzwischen gewöhnt. Peleus nickte. Er hatte einen Buckel und kam mir vor wie ein Greis, obwohl er kaum älter als fünfzig war, so alt wie mein Vater. Wie ein Mann, der eine Göttin erobert und mit ihr ein Kind wie Achill gezeugt hatte, sah er nicht aus.

»Du bist hier, weil du einen Jungen getötet hast. Verstehst du?«

Aus seiner Frage sprach die Grausamkeit der Erwachsenen. Verstehst du?

»Ja«, antwortete ich. Ich hätte ihm von meinen Träumen erzählen können, die mich nicht in Ruhe ließen und so sehr quälten, dass ich schreien mochte; sie raubten mir den Schlaf und ich lag nächtelang wach, die kreisenden Sterne vor Augen.

»Du bist hier willkommen. Aus dir kann immer noch ein guter Mann werden.« Er meinte es als Trost.

An diesem Tag erfuhren alle den Grund meiner Verbannung, vielleicht vom König selbst oder durch einen Sklaven, der gelauscht hatte. Damit war eigentlich zu rechnen gewesen, denn es wurde viel getratscht. Gerüchte waren für die Jungen die einzige Währung, mit der sie handeln konnten. Dennoch verblüffte mich der plötzliche Umschwung in ihrem Verhalten mir gegenüber. Sooft ich an ihnen vorbeiging, spiegelten sich Furcht und Faszination auf ihren Gesichtern. Selbst der frechste von ihnen murmelte ein Gebet vor sich hin, wenn ich ihm zu nahe kam. Unglück steckt bekanntlich an, und die Erinnyen, unsere gefürchteten Rachegöttinnen, waren nicht wählerisch. Gespannt schauten sie aus sicherer Entfernung zu. Was glaubt ihr, werden sie sein Blut trinken?

Das Getuschel schlug mir auf den Magen. Ich schob meinen Teller weg und suchte stille Ecken und Räume auf, wo mich niemand störte, allenfalls ein Sklave, der vorbeikam. Meine enge Welt wurde noch enger und begrenzte sich auf die Fugen im Boden oder die in Steinmauern gemeißelten Ornamente, die leise wisperten, wenn ich mit den Fingerspitzen darüberstrich.

»Man hat mir gesagt, wo du bist.« Eine klare Stimme, wie aus schmelzendem Eis tropfendes Wasser.

Mein Kopf fuhr empor. Ich saß mit eingezogenen Beinen in einer Vorratskammer, eingeengt zwischen Fässern voller Olivenöl. Ich hatte geträumt, ein Fisch zu sein, der aus dem Wasser springt und, von der Sonne beschienen, silbern glitzert. Die Wellen lösten sich auf, und stattdessen traten wieder die unförmigen Getreidesäcke zum Vorschein.

Es war Achill, der vor mir stand. Er machte einen ernsten Eindruck und musterte mich mit seinen grünen Augen. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil mir bewusst war, dass ich mich hier in der Kammer nicht aufhalten durfte.

»Ich habe dich gesucht«, sagte er mit ausdrucksloser Stimme, der nicht mehr als diese Worte anzuhören waren. »Du hast den Drill geschwänzt.«

Mein Gesicht lief rot an, unter das schlechte Gewissen mischte sich dumpfe Wut. Er hatte das Recht, mich zu maßregeln, doch dafür hasste ich ihn.

»Woher weißt du das? Du warst doch auch nicht auf dem Hof.«

»Dem Meister ist es aufgefallen, und er hat meinen Vater informiert.«

»Der hat dich wohl geschickt.« Ich wollte, dass er sich schämte.

»Nein, niemand hat mich geschickt.« Seine Stimme klang unaufgeregt, doch seine Miene verriet etwas anderes. »Ich habe das Gespräch der beiden belauscht und bin gekommen, um zu sehen, wie es dir geht.«

Ich antwortete nicht. Er musterte mich immer noch.

»Mein Vater denkt darüber nach, dich zu bestrafen«, sagte er.

Wir wussten beide, was damit gemeint war. Strafe bedeutete körperliche Züchtigung, meist vor aller Augen. Ein Prinz musste nicht fürchten, ausgepeitscht zu werden, aber ich war kein Prinz mehr.

»Bist du krank?«, fragte er.

»Nein.«

»Dann kommt das als Entschuldigung nicht in Frage.«

»Wie bitte?« Vor lauter Angst konnte ich ihm nicht folgen.

»Als Entschuldigung, den Drill geschwänzt zu haben.« Er schien die Geduld zu verlieren. »Um der Strafe zu entgehen. Was wirst du sagen?«

»Ich weiß nicht.«

»Du musst aber etwas sagen.«

Seine Beharrlichkeit machte mich noch wütender. »Du bist der Prinz«, platzte es aus mir heraus.

Er zeigte sich überrascht und neigte den Kopf wie ein neugieriger Vogel zur Seite. »Und?«

»Sprich du mit deinem Vater und sag ihm, wir wären zusammen gewesen. Das wird er entschuldigen.« Was so beherzt klang, war eher Ausdruck meiner Verlegenheit. Hätte ich mich vor meinem Vater für einen anderen Jungen stark gemacht, wäre dieser trotzdem ausgepeitscht worden. Aber ich war nicht Achill.

Zwischen seinen Augenbrauen bildete sich eine kleine Furche. »Mir gefällt es nicht, zu lügen«, entgegnete er.

So viel Anständigkeit wurde von anderen Jungen meist verlacht, und wer noch anständig war, gab es nicht offen zu.

»Lass mich an deinem Unterricht teilnehmen«, sagte ich. »Dann müsstest du nicht lügen.«