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Wieder allein, wirft er sich auf mich und weint bittere Tränen.

Am nächsten Tag trägt er meinen Leichnam zum Scheiterhaufen, hebt ihn vor den Augen Brisëis’ und der Myrmidonen aufs Holz und legt Feuer. Flammen lodern empor, und ich sehe mich weiter und weiter vom Leben abrücken und in Luft auflösen. Sehnsuchtsvoll zieht es mich hin in die Dunkelheit und Stille der Unterwelt, wo ich endlich ruhen kann.

Obwohl es das Amt einer Frau ist, sammelt Achill meine Asche ein und gibt sie in eine goldene Urne, die schönste aus unserem Lager. Mit ihr in den Händen wendet er sich den Griechen zu.

»Wenn ich tot bin, sollt ihr meine Asche unter seine mengen und uns gemeinsam begraben.«

Hektor und Sarpedon sind gefallen, doch es treten andere Helden an ihre Stelle. Troja hat viele Verbündete. Sie schließen sich zum Kampf gegen die Eindringlinge zusammen, allen voran Memnon, Sohn der Morgenröte Eos und König von Äthiopien, ein hochgewachsener dunkelhäutiger Mann mit stattlichem Heer. Er hat es auf einen bestimmten Mann abgesehen und schmunzelt in froher Erwartung.

Dieser Mann tritt ihm gegenüber, bewaffnet nur mit einem Speer. Sein Brustpanzer ist liederlich angelegt, und seine einst hellen Haare sind ungewaschen und strähnig. Memnon glaubt leichtes Spiel zu haben und lacht. Als er, vom Schwert durchbohrt, in sich zusammensackt, gefriert ihm das Lachen im Gesicht. Müde entwindet ihm Achill seine Waffe.

Als Nächstes kommen die Amazonen mit entblößten Brüsten. Ihre Haut glänzt wie geöltes Holz, die Haare sind zurückgebunden. Sie tragen Bündel von Speeren und Pfeilen in den Armen, und an den Sätteln hängen halbmondförmige Schilde. An ihrer Spitze reitet auf einem kastanienbraunen Pferd eine Gestalt mit frei fliegenden Haaren und schlitzartigen dunklen Augen, die rastlos hin und her gehen: Penthesilea.

Sie trägt einen Umhang, der ihr zum Verhängnis wird, denn es ist ein Leichtes, den Saum zu packen und sie vom Pferd zu ziehen. Geschmeidig wie eine Katze fällt sie zu Boden und greift nach dem Speer, der am Sattel hängt. Sie kauert tief, den Schaft fest im Griff, als der Widersacher seinen Schatten auf sie wirft. Er trägt keine Rüstung und bietet ihr den entblößten Körper wie zum Geschenk.

Sie sticht zu, doch Achill weicht unglaublich schnell dem mörderischen Anschlag aus. Wie schon so oft, wird er auch jetzt von seiner Kraft verraten, die überleben will, anstatt der Friedensverheißung des Todes zu folgen. Sie versucht es ein zweites Mal, und er springt federleicht über die gestählte Spitze hinweg. Er hat gehofft, sie, der schon so viele erlegen waren, würde ihn erlösen. Im Sattel sah sie so schnell, anmutig und unerbittlich aus wie er selbst. Aber das ist sie nicht. Mit einem einzigen Stoß reißt er ihre Brust auf und bringt sie zu Fall. Ihre Mitstreiterinnen schreien vor Wut und Trauer, als er mit gesenktem Kopf das Feld räumt.

Zuletzt stellt sich ihm ein junger Bursche, Troilos, der jüngste Sohn des Priamos. Damit er verschont bliebe, wurde er hinter den Mauern in Sicherheit gehalten. Doch der Tod seines Bruders hat ihn vor die Stadt geführt. Er ist mutig und töricht und will nicht hören. Ich sehe, wie er sich aus den Händen der älteren Brüder losreißt und auf seinen Streitwagen springt. Wie ein losgelassener Windhund stürmt er hinaus, von Rachedurst getrieben.

Der Speerschaft schlägt auf seine noch knabenhaft schmale Brust. Er taumelt und stürzt, hält aber am Zügel fest, während die scheuenden Pferde durchgehen. Der Speer, den er hinter sich herzieht, schreibt mit seiner bronzenen Spitze eine Spur in den Sand.

Es gelingt ihm schließlich, aufzustehen. Seine Beine und der Rücken sind zerkratzt und geschunden. Helläugig und mit emporgerecktem Kinn tritt er auf den älteren Gegner zu, jenen gräulichen Schatten, der alle in Angst und Schrecken versetzt und mit müder Miene einen Mann nach dem anderen tötet. Gegen ihn kann der Junge nichts ausrichten. Die Speerspitze trifft auf den ungeschützten, weichen Teil seines Halses. Die Farbe des Bluts, das ihm entströmt, verläuft sich im Dunst, der mich umhüllt. Der Junge fällt.

Hinter der Stadtmauer eilen schnelle Schritte die Stufen des Turms hinauf, der das Schlachtfeld überblickt. Wo ein Gott wartet. Ein Bogen wird mit hastiger Hand gespannt.

Paris hat sein Ziel bald gefunden. Es bewegt sich langsam wie ein verwundeter Löwe, doch sein goldenes Haar ist unverkennbar. Paris legt den Pfeil auf die Sehne.

»Worauf soll ich zielen? Es heißt, dass er unverwundbar ist. Außer –«

»Er ist ein Mensch«, sagt Apoll. »Triff ihn, und er wird sterben.«

Paris fasst sein Opfer ins Auge. Der Gott legt eine Fingerspitze an das gefiederte Pfeilende und stößt einen Schwall Luft aus, als wollte er eine Kerze löschen. Der Pfeil fliegt in hohem Bogen auf Achills Rücken zu.

Achill hört sein leises Sirren, kurz bevor der Pfeil einschlägt, dreht den Kopf und schließt die Augen. Er spürt die Spitze eindringen, den Muskel teilen und das Rippenfell durchschlagen, ehe sie – endlich – das Herz findet. Blut schießt zwischen den Schulterblättern hervor, dunkel und ölig. Lächelnd stürzt Achill zu Boden. 

Dreiunddreißigstes Kapitel

Die Meeresnymphen kommen und ziehen lange Schleppen aus Seetang hinter sich her. Sie waschen seinen Leichnam mit Rosenwasser und Nektar und flechten ihm Blumen ins goldene Haar. Die Myrmidonen errichten einen Scheiterhaufen und legen ihn darauf. Als die Flammen ihn verzehren, weinen die Nymphen. Von seiner schönen Gestalt bleibt nur graue Asche übrig.

Viele weinen nicht: Brisëis, die sich nicht rührt, bis die letzte Glut verglommen ist; Thetis, der der Wind durch die schwarzen, schlangenhaften Haare weht; Fürsten und Fußsoldaten. Sie stehen abseits aus Furcht vor den gespenstisch heulenden Nymphen und den blitzenden Augen von Thetis. Den Tränen nahe ist Ajax. Vielleicht denkt er daran, endlich selbst Aristos Achaion zu sein.

Der Scheiterhaufen ist heruntergebrannt. Wenn die Asche nicht bald eingesammelt wird, holt sie sich der Wind. Doch Thetis, deren Aufgabe es ist, sie zu bergen, rührt sich nicht. Odysseus wird geschickt, um mit ihr zu reden.

Er kniet vor ihr nieder. »Göttin, tu uns deinen Willen kund. Sollen wir die Asche einsammeln?«

Sie schaut auf ihn hinab. Ob sie trauert oder nicht, ist ihr nicht anzusehen.

»Sammelt sie. Bestattet sie. Ich habe getan, was ich zu tun bereit war.«

Er verbeugt sich tief. »Große Thetis, dein Sohn wünscht, dass seine Asche mit der –«

»Ich weiß. Tut, was ihr für richtig haltet. Mich geht es nichts mehr an.«

Dienerinnen sammeln die Asche ein und tragen sie zu der goldenen Urne, in der ich ruhe. Werde ich ihn spüren? Ich denke an die Schneeflocken, die uns am Pelion kühl auf die roten Wangen gefallen sind. Meine Sehnsucht nach ihm ist wie nagender Hunger. Seine Seele wartet irgendwo, bleibt aber für mich unerreichbar. Begrabt uns unter einem Stein mit unseren Namen. Lasst uns frei sein. Seine Asche vermengt sich mit meiner, doch ich spüre nichts.

Agamemnon lässt über den Bau einer Gruft beraten.

»Sie sollte dort sein, wo er gefallen ist«, schlägt Nestor vor.

Machaon schüttelt den Kopf. »Angemessener wäre es, sie in der Nähe der Agora zu errichten.«

»Damit wir tagtäglich Anstoß daran nehmen? Ausgeschlossen«, widerspricht Diomedes.

»Auf dem Hügel hinter dem Lager der Myrmidonen«, sagt Odysseus.

Egal wo.

»Ich bin gekommen, um den Platz meines Vaters einzunehmen«, schallt eine helle Stimme durch den Raum.

Die Köpfe der Könige fahren herum. Im Eingang des Pavillons steht ein Junge mit roten Haaren, die schimmern wie Flammenränder. Er ist wunderschön, aber auf seltsam kalte Weise, schön wie ein Wintermorgen. Kaum einer im Raum, der nicht sofort gewusst hätte, wer sein Vater war. Der Name steht ihm ins Gesicht geschrieben. Nur das Kinn ist anders; es läuft spitz zusammen wie das seiner Mutter.