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Mit verzweifelter Hast stolperte er auf die NAUTILUS zu. Ben und Trautman, die das Unglück mit angesehen hatten, machten ihm Platz, damit er das Schiff noch erreichte, bevor der Kater ertrank.

Als er den halben Weg zur Tauchkammer hinter sich gebracht hatte, begann Astaroth in seinen Händen zu zappeln, Mike vermochte ihn kaum noch zu halten. Der Kater kratzte und biß wie wild um sich. Mike versuchte noch schneller zu gehen, näherte sich der Tauchkammer - und stolperte zum zweiten Mal.

Diesmal vermochte er seinen Sturz nicht mehr rechtzeitig abzufangen. Er fiel, ließ den Kater los und stürzte schwer in den schlammigen Grund. Der Anzug bewahrte ihn vor einer Verletzung, aber er verhinderte auch, daß Mike sich aus eigener Kraft wieder aufrichtete. Erst Ben und Trautman zusammen gelang es, ihn wieder auf die Füße zu stellen.

Mikes erster Blick galt dem Kater. Er war fest überzeugt, Astaroth sterbend oder bereits tot vorzufinden.

Das genaue Gegenteil war der Fall. Astaroth tollte wie ein junger Fischotter zwischen Trautman und Ben herum. Mike konnte die Gesichter der beiden hinter den spiegelnden Scheiben ihrer Helme nicht erkennen, aber ihre Armbewegungen machten ihm klar, daß sie das, was sie sahen, genauso verblüffte wie Mike. Es war einfach unglaublich.

Aber unglaublich oder nicht - es dauerte noch fast fünf Minuten, bis Mike, Ben und Trautman wieder an Bord der NAUTILUS waren. Und die ganze Zeit über sprang Astaroth höchst vergnügt zwischen ihnen im Wasser herum.

»Wie geht es ihm?« fragte Mike und sah mit bangem Gefühl auf das schwarze Fellbündel auf dem Tisch hinab. Im Wasser hatte sich Astaroth so unbefangen und natürlich bewegt, als wäre dies sein eigentliches Element, aber das hatte sich nach der Rückkehr an Bord der NAUTILUS schlagartig geändert. Er hatte sich geschüttelt und dem direkt neben ihm stehenden Ben, der sich gerade aus seinem Taucheranzug geschält hatte, eine unfreiwillige Dusche verpaßt - dann war er zusammengebrochen. Naß und verwundet, wie er war, bot er ein Bild des Jammers. Sein vorher so dichtes, langes Fell klebte strähnig an seinem Körper, der in Wirklichkeit nicht viel größer als der einer etwas zu groß gewordenen Ratte war.

Singh hatte die Wunde an seiner Flanke untersucht. Nun richtete er sich auf und lächelte Mike beruhigend zu. »Macht Euch keine Sorgen«, sagte er. »Es ist nur ein Streifschuß. Ich werde ihm einen Verband anlegen, und in ein paar Tagen müßte es ihm wieder gutgehen. Das Tier ist im Moment nur geschwächt. Es hat ziemlich viel Blut verloren.« Er griff nach einer Rolle Verbandmull und begann damit, Astaroth einzuwickeln, als wollte er ihn in eine ägyptische Mumie verwandeln. Singh neigte manchmal dazu, zu übertreiben; vor allem, wenn er glaubte, jemandem helfen zu können. »Er ist im Wasser geschwommen, sagt Ihr?«

Mike nickte. »Wie ein Fisch. Und er schien sich dabei auch genauso wohl zu fühlen. Er war mindestens fünf Minuten unter Wasser.«

»Das ist ... schwer zu glauben«, sagte Singh zögernd. »Womit ich natürlich nicht sagen will, daß ich Euch nicht glaube.«

»Was du niemals wagen würdest, ich weiß«, fügte Mike mit gutmütigem Spott hinzu. Aber er wurde sofort wieder ernst. »Ich verstehe es ja selbst nicht, Singh - aber es war fast so, als könnte er unter Wasser atmen. Das ist doch unmöglich, oder?«

»Ich weiß allmählich selbst nicht mehr, was möglich ist und was nicht«, seufzte Singh.

»So wenig, wie wir wissen, wie er in die Kuppel gekommen ist und dort die lange Zeit überlebt hat«, murmelte Mike. »Oder wovon er sich ernährt hat. Ich habe nichts Eßbares in der Kuppel entdeckt.«

Singh verknotete den Verband und vergewisserte sich pedantisch von seinem korrekten Sitz. Astaroth hatte jetzt tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit einer ägyptischen Katzenmumie. Der Kater streckte sich, als wollte er den Sitz des Verbandes prüfen, rollte sich auf den Rücken und schnüffelte daran, dann sprang er mit einem etwas schiefen Satz vom Tisch und begann, den Salon der NAUTILUS zu erkunden. Er war noch ziemlich wackelig auf den Beinen - aber wenn man bedachte, daß es noch nicht einmal eine halbe Stunde her war, seit er vor Mikes Augen angeschossen worden war, dann hatte er sich bereits erstaunlich gut erholt.

Mike beobachtete Astaroth noch einige Sekunden, dann ging er zu Trautman hinüber, der wieder im Kapitänssessel Platz genommen hatte und abwechselnd seine Instrumente und das große Aussichtsfenster betrachtete. Mike konnte auf keinem davon irgendwelche Besonderheiten entdecken: Hinter dem Fenster herrschte noch immer Schwärze, und die Funktion der meisten Geräte war ihm nach wie vor rätselhaft. Da Trautman vorgehabt hatte, die NAUTILUS zu versenken, hatte er sich die Mühe gespart, den Jungen jedes Detail zu erklären.

»Eine verdammt clevere Idee, das mit den Helmen«, sagte Mike grinsend zu Trautman.

Trautman nahm das Kompliment an, ohne eine Miene zu verziehen. »Winterfeld wird andere Leute herunterschicken, wenn die erste Mannschaft nicht zurückkommt«, sagte er. »Die werden dann sicher nach uns suchen.«

»Woher wußten Sie eigentlich, daß sie nicht auf uns schießen würden?« fragte Ben.

»Ich verstehe ein paar Brocken Deutsch«, antwortete Trautman. »Winterfeld hat offensichtlich Befehl gegeben, uns lebendig zu fangen. Das bringt uns einen kleinen Vorteil.«

»Er wäre entschieden größer, wenn Sie nicht absichtlich vorbeigeschossen hätten«, sagte Ben. »Wenn ich eine Waffe dabeigehabt hätte -«

»Was dann?« fiel ihm Trautman ins Wort. »Dann hättest du dir ein tolles Feuergefecht mit ihnen geliefert, wie? Die Männer im Alleingang niedergemacht - falls sie nicht ihrerseits uns vorher umgebracht hätten, heißt das. Das hättest du getan, wie? Und dich wie ein richtiger Held gefühlt, wie?«

»Das waren Deutsche«, schnappte Ben. Er schob trotzig das Kinn vor. »Und gegen die führen wir Krieg, wie Sie wohl wissen.«

»Wir«, entgegnete Trautman betont, »führen gegen überhaupt niemanden Krieg. Das tun Menschen, die mit Gewalt alle Macht an sich reißen wollen. Und deshalb werde ich mit allen Mitteln verhindern, daß irgendein Staat der Erde die NAUTILUS in die Hände bekommt. Wer das nicht begreift, ist bei uns fehl am Platz, merk dir das!«

Ben starrte ihn an. Er war blaß geworden. Auch Mike war überrascht. Trautman gehörte nicht zu den Menschen, die sich ein Blatt vor den Mund nahmen; aber es kam trotzdem selten vor, daß er sich so deutlich äußerte. Aber er glaubte Trautman auch sehr gut zu verstehen - letztendlich wäre dies alles nicht geschehen, hätte er getan, was er von Anfang an vorgehabt hatte, und die NAUTILUS versenkt. Er machte sich Vorwürfe, ob sie nun berechtigt waren oder nicht.

Etwas berührte sacht seine Beine. Der Kater war ihm gefolgt und blickte abwechselnd Ben, Trautman und ihn selbst an, fast als hätte er jedes Wort verstanden und versuchte auf diese Weise seine Meinung zu dem Thema kundzutun.

»Ich muß noch einmal zur Kuppel«, sagte Trautman plötzlich.

Nicht nur Mike sah ihn überrascht an.

»Aber warum denn?« fragte André, und Juan, pragmatisch wie immer, fügte hinzu:

»Das kann verdammt gefährlich werden.«

»Ich weiß«, antwortete Trautman. Mit einem Ruck drehte er sich vom Fenster weg. »Aber es muß sein. Ich muß irgendwie versuchen, diese Taucherglocke zu zerstören. Ich hätte es sofort tun sollen, aber ich habe wohl die Nerven verloren.«

»Damit verurteilen Sie die Soldaten, die in der Kuppel sind, zum Tode«, sagte Singh ernst. »Ohne die Taucherglocke können sie von Winterfelds Leuten nicht wieder zur LEOPOLD gebracht werden.«

Trautman schwieg einen Moment. Dann schüttelte er den Kopf. »Da ich ihre Helme zerstört habe, können sie die Kuppel nicht verlassen«, sagte er. »Wir werden später zurückkommen und sie an Bord nehmen - sobald die LEOPOLD abgefahren ist. Ohne Arronax' Taucherglocke hat Winterfeld keine Chance, jemals diese Tiefe zu erreichen. Er weiß das.«