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»Paul!« sagte Ben. »Also hat diese kleine Ratte doch geredet! Aber das war schließlich zu erwarten.«

»Die kleine Ratte, wie du ihn nennst«, entgegnete Winterfeld ruhig, »ist immerhin mein Sohn, also überlege dir lieber, was du sagst.« Er trat einen Schritt zurück und hob ein wenig die Stimme. »Und wenn es euch beruhigt: Er hat mir leider nicht annähernd so viel verraten, wie ich mir gewünscht hätte. Er betrachtet euch nach wie vor als seine Freunde.«

»O ja, er ist ein richtiger Freund«, höhnte Ben. »Wirklich, solche Freunde habe ich mir immer gewünscht - dann braucht man nämlich keine Feinde mehr.« Er sah Winterfeld herausfordernd an, und trotz des Zorns, den seine Worte in Mike wachriefen, mußte er Bens Mut bewundern. »Was haben Sie jetzt mit uns vor?« fragte Ben. »Lassen Sie uns gleich erschießen, oder liefern Sie uns mitsamt der NAUTILUS dem Flottenkommando aus?«

Winterfeld schüttelte den Kopf. »Weder das eine noch das andere«, antwortete er ruhig. »Ich habe nicht vor, die NAUTILUS irgend jemandem auszuliefern, auch nicht der deutschen Marine.«

»Ach?« fragte Ben spitz, »Und wer soll das glauben?«

Mike versetzte ihm einen Ellbogenstoß in die Seite, der ihn verstummen ließ, und Winterfeld lächelte ihm kurz zu, bevor er fortfuhr: »Ich fürchte sogar, daß mein Kaiserreich nicht besonders gut auf mich zu sprechen ist und mich vor ein Kriegsgericht stellen würde, wenn ich so dumm wäre, zurückzugehen.«

»Soll das heißen, daß das alles hier -« begann Trautman, wurde aber von Winterfeld unterbrochen, der die Hand hob und nickte.

»- ganz allein auf meine Verantwortung hin geschehen ist, ganz recht. Ja. Niemand in Berlin weiß, was ich hier tue.«

»Also sind Sie nichts als ein gemeiner Pirat«, sagte Ben.

»Das Wort Dissident wäre mir lieber«, antwortete Winterfeld betont.

»Und was halten Sie von dem Begriff Deserteur?« fragte Mike. »Das ist es doch, was Sie getan haben, nicht wahr? Sie sind desertiert, zusammen mit der Besatzung. Wie haben Sie es geschafft, die Soldaten zu überreden? Sie müssen wissen, daß -«

Mit einer heftigen Handbewegung schnitt ihm Winterfeld das Wort ab. »Du enttäuschst mich, Michael«, sagte er, wobei er wieder in die deutsche Aussprache seines Namens zurückfiel, was Mike vom ersten Moment an geärgert hatte. »Hat dein Vater die NAUTILUS vielleicht der indischen Regierung übergeben? Ich habe ihn nie kennengelernt, aber nach allem, was ich über ihn gehört habe, haben wir einiges gemeinsam. Genau wie er glaube ich nicht daran, daß das Erbe der Atlantischen Kultur irgendeinem Land in die Hände fallen sollte. Diese Macht ist zu gewaltig, um von einer einzelnen Nation kontrolliert zu werden.«

»Dann tun Sie das lieber, wie?« sagte Trautman.

Winterfeld schüttelte den Kopf. »Sie müssen mich wirklich für sehr dumm halten, wenn Sie glauben, daß es mir auf Macht ankäme. Außerdem ist diese Vorstellung naiv. Nicht einmal mit der NAUTILUS könnte man die ganze Welt erobern. Nein, meine Ziele sind völlig anderer Art. Aber wir werden uns später noch darüber unterhalten, und ich hoffe, daß Sie dann zumindest einen Teil dessen, was Sie über mich denken, berichtigen können. Wer weiß, vielleicht werden wir sogar Verbündete.«

»Niemals«, sagte Trautman.

Winterfeld lächelte auf eine sonderbare Weise. »Das ist ein Wort, mit dem man äußerst sparsam umgehen sollte«, sagte er. »Vermutlich liegen unsere Ziele gar nicht so weit auseinander, wie Sie jetzt annehmen.«

»Ich glaube Ihnen kein Wort!« fuhr Ben auf.

Winterfeld schenkte ihm einen verächtlichen Blick. »Weißt du, mein Junge, es ist mir ziemlich egal, was du glaubst und was nicht«, sagte er kühl. »Es wäre mir nur lieber, wenn du dich etwas beherrschen könntest. Paul hat mir einiges über dich erzählt. Du bist gar nicht so dumm, wie du gerne tust. Wenn du lernst, dein Temperament im Zaum zu halten, dann -«

Er stockte mitten im Wort. Seine Augen wurden groß, und Mike konnte sehen, wie sein Gesicht blaß wurde, als er langsam an sich heruntersah. Und als Mikes Blick dem seinen folgte, verstand er auch, warum.

Astaroth, der am Anfang neugierig auf dem Deck herumgestrichen war, hatte es sich auf Winterfelds Füßen bequem gemacht. Jetzt war er aufgestanden und schritt mit würdevoll erhobenem Haupt davon. Winterfelds spiegelblank polierte Stiefel standen plötzlich in einer sich allmählich ausbreitenden, übelriechenden Pfütze. »Das Tier hat Geschmack«, sagte Ben grinsend.

Winterfelds Lippen bebten vor Zorn. Eine Sekunde lang war Mike fest davon überzeugt, daß er nun doch die Beherrschung verlieren würde, aber dann gab er sich einen sichtbaren Ruck und zwang sich sogar zu einem - wenn auch nicht völlig überzeugenden - Lächeln. »Bringt unsere Gäste in ihre Quartiere«, sagte er zu seinen Männern. »Und besorgt eine Kiste für diesen Kater.«

Mike unterdrückte sein schadenfrohes Grinsen nicht, er ließ sich in die Hocke sinken und streckte die Hand aus. Sofort kam Astaroth herbei, war mit einem Satz auf seinem Arm und kuschelte sich an seine Brust, wo er lautstark zu schnurren begann.

»Eine Katze auf einem Unterseeboot - originell«, sagte Winterfeld. »Wo kommt das Tier überhaupt her?«

»Wir haben es auf dem Meeresboden gefunden«, antwortete Mike. »Er ist in Wirklichkeit ein Meerkater und sieht nur so aus wie eine normale Katze.«

Winterfeld anwortete nicht, aber er sah ihn so wütend an, daß Mike es vorzog, nicht weiterzusprechen.

Von den deutschen Marinesoldaten eskortiert, wurden sie tief hinab in den Rumpf der LEOPOLD und in dieselben einander gegenüberliegenden Kabinen geführt, in denen sie bereits ihren ersten unfreiwilligen Aufenthalt auf dem Schiff verbracht hatten. Mike teilte seine Kabine zusammen mit Singh und - zu seinem Leidwesen - Ben, der mit dieser Einteilung ebenfalls nicht einverstanden war, zumal sich auch Astaroth bei ihnen befand.

»Dieser verdammte Deutsche«, begann Ben zu schimpfen, kaum daß sie wieder allein waren. »Hättet ihr damals auf mich gehört und die NAUTILUS der englischen Marine übergeben, säßen wir jetzt nicht hier!«

Kannst du diesen plappernden Schwachkopf nicht irgendwie zum Verstummen bringen? erkundigte sich Astaroth. Oder darf ich das erledigen?

»Ach, laß mich doch in Ruhe«, sagte Mike, wohlweislich offen lassend, wen er mit diesen Worten meinte. Er legte sich in eine der Kojen und verschränkte die Hände hinter dem Kopf, während es sich der Kater auf seiner Brust bequem machte. Ihre Lage war - vorsichtig ausgedrückt - ziemlich aussichtslos. Anders als bei ihrer ersten Gefangenschaft konnten sie diesmal nicht damit rechnen, plötzlich Hilfe von unerwarteter Seite zu bekommen. Und auch der Umstand, daß Winterfeld zugegeben hatte, auf eigene Faust zu handeln, und sie es somit nicht mit der gesamten deutschen Kriegsmarine, sondern nur mit ihm allein zu tun hatten, stellte keinen wirklichen Trost dar. Denn wenn es tatsächlich so war, dann hatte der Kapitän um so mehr Grund, auf der Hut zu sein und die Nähe aller anderen Schiffe zu meiden.

Es verging sicher eine Stunde, in der Mike reglos auf dem Bett lag, die Metalldecke über sich anstarrte und seinen immer düsterer werdenden Gedanken nachhing, bis schließlich die Tür wieder geöffnet wurde und Trautman hereinkam. Er wurde von zwei deutschen Soldaten begleitet, und hinter ihm betrat ein sehr alter, weißhaariger Mann den Raum. Mike setzte sich auf und sah dem Fremden neugierig ins Gesicht, während Astaroth mit einem Satz aus der Koje sprang und dem Neuankömmling mit grüßend aufgestelltem Schwanz entgegenlief. Der Fremde beugte sich lächelnd hinunter und streichelte ihm über den Kopf und den Rücken, und Astaroth ließ sich diese Behandlung laut schnurrend einige Augenblicke lang gefallen, dann senkte er den Kopf - und schnüffelte prüfend an den Schuhen des Mannes. Mike hielt den Atem an, aber Astaroth beließ es bei dieser Begutachtung, drehte sich dann herum und kam wieder zurück. Mit einem Satz war er wieder auf dem Bett neben Mike und rollte sich zusammen.