Winterfeld blieb stehen. »Du kannst dich also tatsächlich mit ihm verständigen«, sagte er.
Mike schwieg. Es hatte auch keinen Sinn, zu leugnen. »Du solltest ihm wirklich gut zureden«, fuhr Winterfeld fort. »Wenn er noch einen meiner Männer verletzt, lasse ich ihn erschießen.«
Astaroth fauchte. Winterfeld musterte ihn kühl und wich einen Schritt vom Bett zurück, steckte seine Waffe aber immer noch nicht ein.
Plötzlich begann sich Serena zu regen. Sie hatte bisher - außer auf Astaroth - auf nichts irgendeine Reaktion gezeigt, aber nun spürte Mike, wie unruhig und nervös sie war. Irgend etwas ... geschah. Er konnte es deutlich fühlen.
Sicher fragst Du Dich voll Spannung, wie es mit Mike, dem geheimnisvollen Mädchen und dem einäugigen Kater weitergeht. Gleich wirst Du es erfahren, wir wollen Dich vorher nur etwas fragen: Hat es Dir Spaß gemacht, mit Mike und seinen Freunden zu tauchen und das Mädchen in der Kuppel zu entdecken? Möchtest Du auch weiterhin mit ihnen und der Nautilus die Weltmeere durchqueren und die aufregendsten Abenteuer erleben? Das kannst Du: Wolfgang Hohlbein schreibt bereits an den nächsten Bänden dieser Reihe.
Aber hast Du schon den ersten Band gelesen, in dem erzählt wird, wie die fünf Jungen das Unterseeboot gefunden haben? Er heißt »Die Vergessene Insel« und wartet in der Buchhandlung auf Dich.
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So, jetzt geht's weiter...
»Sie sollten so etwas nicht sagen, wenn sie es hört«, sagte Mike leise.
Und auch nicht, wenn ich es höre, fügte Astaroth in seinen Gedanken hinzu.
Winterfeld zog es vor, nicht weiter auf dieses Thema einzugehen, sondern wandte sich abrupt zur Tür und öffnete sie. Einige Soldaten betraten den Raum, hielten aber respektvoll Abstand zu Serenas Bett - wohl des Katers wegen -, während der Arzt, obwohl selbst verletzt, sich um den verwundeten Soldaten kümmerte.
Mike registrierte dies alles nur mit einem flüchtigen Blick. Seine ganze Aufmerksamkeit galt Serena, die sich mittlerweile halb im Bett aufgesetzt hatte und die ganze Szene aus vor Angst geweiteten Augen betrachtete. Mike versuchte sich vorzustellen, welchen Eindruck das, was sie sah, auf sie machen mochte, aber seine Phantasie kapitulierte vor dieser Aufgabe.
»Kannst du ... mich verstehen?« fragte er zögernd. Er konnte nicht sagen, ob Serena die Worte verstand oder nur auf seine Stimme reagierte - auf jeden Fall drehte sie langsam den Kopf und sah ihn aus ihren großen, dunklen Augen an, und ...
Auch hinterher fehlten Mike einfach die Worte, um zu beschreiben, was in der endlosen Sekunde, in der sich ihre Blicke trafen, vor sich ging. Es war mehr als nur ein Berühren der Blicke, das zwischen ihnen stattfand. Wie schon einmal fühlte sich Mike dem Mädchen so nahe und so tief verbunden wie niemals zuvor einem anderen Menschen, und es war ein Gefühl von solcher Wärme und Wohltat, daß er hoffte, es würde nie enden.
»Kannst du mich verstehen?« fragte er noch einmal. Als Serena auch jetzt nicht antwortete, sondern ihn nur unverwandt anblickte, fügte er lächelnd hinzu: »Du mußt keine Angst haben. Wir wollen dir helfen.«
Wieder streckte er die Hand nach dem Mädchen aus, führte die Bewegung aber nicht zu Ende, denn Astaroth schob sich drohend zwischen ihn und das Mädchen und machte einen Buckel. Sein einzelnes Auge funkelte tückisch.
Faß sie nicht an! erscholl die lautlose Stimme des Katers in seinen Gedanken.
»Hör endlich mit dem Blödsinn auf, Astaroth«, sagte Mike. »Was soll das? Ich stehe auf deiner Seite!«
Ich bin nicht mehr sicher, daß hier irgendeiner auf meiner Seite steht, antwortete der Kater gereizt.
»Sei vernünftig, Astaroth«, sagte Mike. »Der Mann dort ist Arzt. Alles, was er tut, geschieht nur, um Serena zu helfen.«
Langsam streckte er die Hand wieder aus, und diesmal ließ Astaroth es zu, daß er Serenas Hand erfaßte. Das Mädchen erschauerte unter seiner Berührung, aber auch Mike verspürte ein kaltes Frösteln. Serenas Haut war eiskalt, und sie fühlte sich glatt und hart an, fast wie kaltes Porzellan, kaum wie lebendiges Fleisch. Er spürte, wie ihr Puls raste, aber irgend etwas sagte ihm, daß es nicht nur die Furcht war, die ihr Herz schneller schlagen ließ.
»Ich weiß nicht, ob du mich verstehst«, sagte er langsam und deutlich und bemühte sich, seiner Stimme einen beruhigenden Tonfall zu geben. »Aber wir werden versuchen, dir zu helfen. Diese Männer sind nicht deine Feinde.«
Er war plötzlich ganz sicher, daß das stimmte. Und etwas von dieser Gewißheit schien sich auf Serena zu übertragen, denn zum ersten Mal überhaupt lächelte sie; wenn auch nur schwach und voller mühsam niedergehaltener Furcht.
»Du kannst dich auch mit ihr verständigen«, sagte Winterfeld. Er kam langsam näher. Astaroth drehte sich zu ihm, bleckte die Zähne und stieß ein drohenden Fauchen aus, und Winterfeld verharrte für einen Moment im Schritt und musterte den Kater finster. Seine Hand glitt zu den tiefen, blutigen Kratzern, die ihm Astaroth zugefügt hatte. Aber seine Faszination erwies sich als stärker, er ging weiter, blieb unmittelbar neben dem Bett stehen und lächelte Serena zu.
Und dann beging er einen Fehler, der ihn - und vielleicht auch die anderen auf dem Schiff - um ein Haar das Leben gekostet hätte. Er streckte die Hand aus, um Serena zu berühren, wie Mike es tat.
»Nein!« sagte Mike erschrocken. »Tun Sie das nicht!«
Es war zu spät! Alles geschah so schnell, daß Winterfeld nicht einmal mehr hätte reagieren können, wenn er es gewollt hätte. Astaroths Fauchen steigerte sich zu einem schrillen Schrei, mit dem er in die Höhe schnellte und Winterfeld ansprang, die Krallen drohend vorgestreckt und die Zähne gefletscht. Winterfeld riß schützend die Arme vor das Gesicht und zog den Kopf zwischen die Schultern.
Ein Schuß fiel. In dem Raum hörte sich das Geräusch wie ein Kanonenschlag an. Eine grelle, orangerote Feuerlanze stach nach Astaroth, und der Kater wurde mitten im Sprung herumgewirbelt, als wäre er von einem Faustschlag getroffen worden. Aus seinem Fauchen wurde ein gepeinigtes Kreischen, während er durch die Luft flog und knapp neben dem Kopfende von Serenas Bett gegen die Wand prallte. Hilflos rutschte er daran herunter und blieb liegen.
Winterfeld fuhr herum. Noch bevor der Kater ganz zu Boden gefallen war, hatte er den Mann erreicht, der auf ihn geschossen hatte, und entriß ihm das Gewehr. »Sie Idiot!« brüllte er. »Wer hat Ihnen das erlaubt?! Sind Sie wahnsinnig geworden?«
Er schleuderte das Gewehr zu Boden und drehte sich wieder zu Mike herum. »Es tut mir leid«, sagte er keuchend. »Das wollte ich nicht, das mußt du mir glau -« Er sprach nicht weiter, denn sein Blick war auf Serena gefallen. Alle Farbe wich aus seinem Gesicht, und auch Mike spürte, wie sich ein eisiger, lähmender Schrecken in ihm breitzumachen begann.
Serena hatte sich stocksteif im Bett aufgerichtet. Einige Sekunden lang hing ihr Blick wie gebannt an dem Körper des schwarzen Katers, der reglos und in einer rasch größer werdenen Blutlache neben ihrem Bett lag, und dann ...
Irgend etwas geschah mit ihr. Mike spürte förmlich diese Veränderung, und es war keine Veränderung zum Guten. Dabei regte sich in ihrem Gesicht kein Muskel - aber in ihren Augen erwachte etwas, was dunkel und wild und von unglaublicher Stärke war.
»Nein, Serena«, sagte Mike beschwörend. »Nicht!«
»Was soll das heißen!« Winterfeld sah ihn an. »Was tut sie?« Auch er schien zu spüren, daß irgend etwas mit dem Mädchen vor sich ging.