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Mwen Mass erkannte den zweithöchsten Berg Afrikas, den Kenia.

Wieder erfüllte der seltsame Ton den unterirdischen Raum und ließ die Anwesenden gespannt lauschen.

Dar Weter führte Mwens Hand zu einem runden Knopf mit granatrotem Auge. Gehorsam drehte ihn Mwen Mass bis zum Anschlag. Jetzt wurde die gesamte von eintausendsiebenhundertsechzig riesigen Kraftwerken der Erde erzeugte Energie zum Äquator umgeleitet, zu diesem Berg von fünftausend Meter Höhe. Über seinem Gipfel zog sich ein vielfarbiges Leuchten zusammen, verdichtete sich zu einer Kugel und jagte plötzlich wie ein Speer senkrecht nach oben in den Himmel. Einer Windhose gleich, wuchs über dem steinernen Ring eine schlanke Säule auf, an der sich grelleuchtende blaue Rauchspiralen in die Höhe schlängelten.

Die gelenkte Strahlung durchstieß die Atmosphäre und bildete einen ständigen Kanal zu den Außenstationen für Empfang und Sendung. Sechsunddreißigtausend Kilometer über der Erde befand sich ein Tagessatellit — eine große Station, die in Äquatorhöhe in vierundzwanzig Stunden einmal um den Planeten kreiste und dadurch stets über dem Kenia in Ostafrika stand. Ein anderer großer Satellit rotierte in siebenundfünfzigtausend Kilometer Höhe meridional um die Erde und stand mit dem tibetanischen Empfangs- und Sendeobservatorium in Verbindung. Dort waren die Voraussetzungen, einen Sendekanal zu bilden, am günstigsten, dafür aber fehlte eine ständige Verbindung. Die beiden großen Satelliten waren außerdem mit mehreren automatischen Außenstationen gekoppelt, die um die ganze Erde herum verteilt waren.

Das Licht auf der rechten Täfelung erlosch — der Kanal war an die Empfangsstation des Satelliten angeschlossen. Im gleichen Augenblick leuchtete der goldgerahmte Bildschirm auf. In seinem Zentrum erschien eine bizarr vergrößerte Figur, wurde deutlicher und lächelte mit übergroßem Mund. Das war Gur Gan, einer der Beobachter vom Tagessatelliten. Auf dem Bildschirm war er zu einem Märchenriesen geworden. Er nickte freundlich, reckte seinen drei Meter langen Arm und schaltete das Satellitennetz ein. In alle Richtungen des Weltalls streckten die Empfangsgeräte ihre hochempfindlichen Antennen. Der matte rote Stern im Sternbild des Einhorns, von dessen Planeten kurz zuvor ein Aufruf ergangen war, ließ sich am besten vom Satelliten 57 anpeilen. Gur Gan stellte die Verbindung zu ihm her. Der unsichtbare Kontakt der Erde mit dem Stern konnte nur eine dreiviertel Stunde aufrechterhalten werden. Keine Minute der kostbaren Zeit durfte deshalb ungenutzt vergehen.

Auf ein Zeichen von Dar Weter trat Weda Kong in den blauen Metallkreis vor dem Bildschirm. Von oben ergoß sich eine wahre Lichtflut und ließ die sonnengebräunte Haut des Mädchens noch dunkler erscheinen. Geräuschlos schalteten sich die Elektronenmaschinen ein, die Wedas Rede in die Sprache des Großen Rings übersetzten. Nach dreizehn Jahren werden die Empfänger des Planeten im Sternbild des Einhorns die ausgestrahlten Schwingungen in Form von allgemeinverständlichen Zeichen auffangen. Elektronische Übersetzungsmaschinen werden — falls dort eine Lautsprache existiert — die Zeichen in diese Sprache übersetzen.

Nur schade, dachte Dar Weter, daß die dort nicht die warme, wohlklingende Stimme einer Frau unserer Erde hören, nicht deren Ausdrucksfähigkeit vernehmen können.

Wer weiß, wie sich ihr Gehör von dem unseren unterscheidet. Nur der Gesichtssinn, der sich der elektromagnetischen Schwingungen der Atmosphäre bedient, ist im gesamten Kosmos fast gleich, und die Planetenbewohner können die bezaubernde, vor Aufregung glühende Weda sehen. Dar Weter lauschte ihrem Vortrag, ohne den Blick von ihrem kleinen Ohr zu wenden, das von einer Haarsträhne halb verdeckt war.

Knapp, aber verständlich erzählte Weda Kong von den Entwicklungsetappen in der Menschheitsgeschichte. Von den lange zurückliegenden Epochen, von der Rivalität der Völker untereinander und ihren wirtschaftlichen und ideologischen Auseinandersetzungen sprach sie nur sehr kurz. Diese Epochen erhielten die Sammelbezeichnung ÄPW: Ära der Partikularistischen Welt. Doch die Menschen der Ära des Großen Rings interessierte nicht eine Aufzählung der Vernichtungskriege, der schrecklichen Leiden oder der angeblich großen Herrscher, die die alten Geschichtsbücher der Antike, des Mittelalters oder des Zeitalters des Kapitalismus gefüllt hatten. Weit wichtiger war die widerspruchsvolle Entwicklung der Produktivkräfte, die Formierung der Ideen, der Kunst und der Wissenschaft, das geistige Ringen um den wahren Menschen, um die Menschheit. Das ständig wachsende Bedürfnis, neue Vorstellungen zu schaffen von der Welt und den gesellschaftlichen Beziehungen, von den Pflichten und Rechten und dem Glück des Menschen; ihnen entsprang schließlich auf dem gesamten Erdball die mächtige kommunistische Gesellschaft.

In der letzten Epoche der ÄPW, im sogenannten Zeitalter der Spaltung, begriffen die Menschen endlich, daß ihr ganzes Elend von einer Gesellschaftsordnung ausging, die sich bereits in Urväterzeiten spontan herausgebildet hatte. Sie erkannten, daß die Stärke und die Zukunft der Menschheit auf der Arbeit, den vereinten Anstrengungen der Millionen von Unterdrückung befreiter Menschen, auf der Wissenschaft und der Umgestaltung des Lebens auf wissenschaftlicher Grundlage beruhten. Die Grundgesetze der gesellschaftlichen Entwicklung wurden ihnen verständlich, die dialektischen Widersprüche im Geschichtsablauf sowie die Notwendigkeit der Erziehung zu strenger gesellschaftlicher Disziplin, die um so wichtiger wurde, je mehr die Bevölkerung auf der Erde zunahm.

Im Zeitalter der Spaltung verschärfte sich der Kampf zwischen den alten und neuen Ideen und führte zur Bildung zweier Lager mit unterschiedlichen Wirtschaftssystemen: Das eine bestand aus den alten, kapitalistischen Staaten und das andere aus den jungen, sozialistischen. Die Entdeckung der Atomenergie und der Starrsinn der Verteidiger der alten Welt hätten damals beinahe zu einer schrecklichen Katastrophe für die gesamte Menschheit geführt.

Doch die neue Gesellschaftsordnung mußte siegen, obgleich dieser Sieg durch das Zurückbleiben in der Erziehung des gesellschaftlichen Bewußtseins hinausgezögert wurde. Die Umgestaltung der Welt auf kommunistischer Grundlage ist undenkbar ohne eine grundlegende Veränderung der Wirtschaft, ohne die Beseitigung der Armut, des Hungers und der schweren körperlichen Arbeit. Die Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse machte jedoch eine komplizierte Lenkung der Produktion und der Verteilung notwendig und war nur dadurch möglich, daß jeder einzelne zu gesellschaftlichem Bewußtsein erzogen wurde.

Die kommunistische Gesellschaftsordnung setzte sich nicht sofort bei allen Völkern und in allen Ländern durch. Haß und Verleumdung zu beseitigen, die aus der chauvinistischen Propaganda während der ideologischen Auseinandersetzungen im Zeitalter der Spaltung resultierten, erforderte ungeheure Anstrengungen. Nicht wenig Fehler wurden auch bei der Entwicklung neuer menschlicher Beziehungen gemacht. Hier und da kam es zu Aufständen, angezettelt von unbelehrbaren Anhängern des Alten. In ihrer Begrenztheit sahen sie in der Wiederherstellung der alten Verhältnisse einen leichten Ausweg aus den Schwierigkeiten, vor denen die Menschheit stand.

Doch unvermeidlich und unaufhaltsam breitete sich die neue Lebensordnung über die ganze Erde aus, und schließlich wurde aus den verschiedenen Völkern und Rassen eine einträchtige Familie.

So begann die ÄVW — die Ära der Vereinigten Welt —, unterteilt in das Zeitalter der Union der Länder, der Verschiedenen Sprachen, des Kampfes um die Energie und der Gemeinsamen Sprache.

Die gesellschaftliche Entwicklung ging immer rascher voran, jede neue Epoche war kürzer als die vorhergehende. Immer schneller wuchs die Macht des Menschen über die Natur.

In ihren utopischen Vorstellungen von einer schönen Zukunft träumten die Menschen früher, sie werden allmählich von jeglicher Arbeit befreit werden. Die Schriftsteller prophezeiten eine kurze Arbeitszeit — zwei, drei Stunden täglich für das allgemeine Wohl. In dieser Zeit würden sich die Menschen mit allem Lebensnotwendigen versorgen, die übrige Zeit könnten sie sich dem süßen Nichtstun hingeben. Diese Vorstellungen entsprangen der Abneigung gegen erzwungene, schwere Arbeit.