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„Entkommen!“ flüsterte Pel Lin erleichtert. Der Leiter wandte sich langsam zu ihm und sagte: „Nein! Der Treibstoff reicht nur für Umkreisung und Landung.“

„Was jetzt?“

„Abwarten! Ich habe den Kurs ein wenig ändern können. Aber wir kommen immer noch zu dicht heran. Wer wird den Sieg davontragen: die Schwerkraft des Sterns oder die Geschwindigkeit der ›Tantra‹? Wir haben jetzt das Tempo einer Mondrakete. Wenn es uns gelingt, von diesem Stern freizukommen, fliegen wir in Richtung der Sonne. Die Reisezeit wird dann allerdings beträchtlich länger. In dreißig Jahren werden wir ein Notsignal senden, und acht Jahre darauf wird Hilfe eintreffen…“

„Achtunddreißig Jahre!“ flüsterte Keh Ber Ingrid kaum hörbar zu. Sie zog ihn heftig am Ärmel und wandte sich ab.

Erg Noor lehnte sich im Sessel zurück und ließ die Hände sinken. Die Menschen schwiegen, nur die Geräte summten leise. Ein disharmonischer, drohend anmutender Ton mischte sich in das Summen der Steuerungsapparate. Die Drohung des Eisensterns, seine Kraft, die das sich verlangsamende Schiff festhielt, waren beinahe körperlich zu spüren.

Nisa Krits Wangen brannten, und ihr Herz schlug schneller. Das Warten wurde unerträglich.

Langsam verrannen die Stunden. Die Expeditionsmitglieder, aus dem Schlaf erwacht, fanden sich einer nach dem anderen in der Steuerzentrale ein, bis alle vierzehn versammelt waren.

Die „Tantra“ flog jetzt mit weniger als der Entweichgeschwindigkeit, so daß sie vom Eisenstern nicht mehr wegkam. Niemand dachte an Essen und Schlafen. Alle harrten aus in der Zentrale, viele bange Stunden lang, in denen sich der Kurs der „Tantra“ immer mehr krümmte, bis sie auf einer verhängnisvollen Ellipse dahinjagte. Damit war das Schicksal des Sternschiffs entschieden.

Ein plötzlich Stöhnen ließ alle zusammenfahren. Der Astronom Pur Hiss sprang auf und fuchtelte mit den Armen. Er war nicht wiederzuerkennen, nichts hatte er mehr mit einem Menschen der Ära des Großen Rings gemein. Furcht, Todesangst und Rachgier verzerrten das Gesicht des Wissenschaftlers.

„Er, er ist schuld!“ schrie Pur Hiss und zeigte auf Pel Lin. „Idiot, Holzkopf, hirnloser Wurm…“ Der Astronom schluckte und suchte nach längst vergessenen Flüchen der Urahnen. Nisa, die neben ihm stand, wandte sich angewidert ab. Da erhob sich Erg Noor.

„Was beschimpfen Sie den Navigator! Die Zeiten sind vorbei, wo Fehler absichtlich gemacht wurden. Und in diesem Falle“ — Noor drehte an den Schaltern der Rechenmaschine — „beträgt, wie Sie sehen, die Wahrscheinlichkeit für einen Fehler dreißig Prozent. Berücksichtigt man noch die Ermüdung, die stets am Schluß einer Schicht eintritt, und die Erschütterungen durch das Schaukeln des Sternschiffs, so hätten Sie, Pur Hiss, dessen bin ich sicher, den gleichen Fehler begangen!“

„Und Sie?“ schrie der Astronom wütend.

„Ich — keinesfalls. Während der sechsunddreißigsten Sternenexpedition habe ich etwas Ähnliches erlebt. Doch ich trage in diesem Fall die größte Schuld: Ich wollte das Sternschiff in dem noch unerforschten Raum selbst steuern, dabei habe ich nicht alles vorher bedacht, sondern mich auf eine einfache Instruktion beschränkt.“

„Woher konnten Sie wissen, daß wir ohne Sie in diesen Bereich geraten!“ rief Nisa.

„Ich hätte es wissen müssen“, antwortete Erg Noor fest, „aber darüber werden wir noch auf der Erde sprechen.“

„Auf der Erde!“ rief Pur Hiss, und selbst Pel Lin machte ein betretenes Gesicht. „Wie können Sie so reden, wo alles verloren ist und uns nichts als der Tod erwartet.“

„Nicht der Tod erwartet uns, sondern ein schwieriger Kampf“, antwortete Erg Noor fest und nahm in dem Sessel am Tisch Platz. „Setzen Sie sich! Wir haben Zeit, bis die ›Tantra‹ anderthalb Umläufe gemacht hat.“

Alle gehorchten schweigend, und Nisa lächelte dem Biologen trotz der Hoffnungslosigkeit des Augenblicks triumphierend zu.

„Zweifellos hat der Stern einen Planeten, vermutlich sogar zwei, nach der Krümmung seiner Isograven zu urteilen. Wie Sie sehen, müssen die Planeten recht groß sein.“ Der Expeditionsleiter entwarf rasch eine genaue Skizze. „Folglich sind sie auch von einer Atmosphäre umgeben. Vorläufig sind wir noch nicht gezwungen zu landen, da wir noch einen großen Vorrat an festem atomarem Sauerstoff haben.“ Erg Noor verstummte, um sich zu sammeln. „Wir umkreisen den Planeten und werden zu seinem Satelliten. Wenn sich seine Atmosphäre als geeignet erweist und wir unsere Luft nahezu verbraucht haben, reicht unser planetarischer Treibstoff noch zur Landung aus“, fuhr er fort. „Im Laufe eines halben Jahres werden wir die Richtung berechnen, unsere Forschungsergebnisse von der Sirda durchgeben, ein Hilfsschiff herbeirufen und uns und unser Schiff retten.“

„Wenn die Rettung gelingt!“ warf Pur Hiss ein.

„Ja, wenn!“ bestätigte Erg Noor. „Aber es ist unser Ziel, und wir werden es unter allen Umständen zu erreichen suchen. Pur Hiss und Ingrid, Sie führen die Beobachtungen durch und berechnen die Ausmaße der Planeten. Keh Ber und Nisa, Sie errechnen aus der Masse der Planeten die Entweichgeschwindigkeit und daraus die Umlaufgeschwindigkeit und den optimalen Radianten für unsere Umlaufbahn.“

Für alle Fälle trafen die Forscher auch Vorbereitungen zur Landung. Der Biologe, die Geologin und die Ärztin bereiteten eine automatische Erkundungsstation zum Abwurf vor. Die Mechaniker überprüften die Landeradargeräte und die Scheinwerfer und montierten einen kleinen Satelliten für die Nachrichtenübermittlung zur Erde.

Nach dem ausgestandenen Schrecken und der Hoffnungslosigkeit ging die Arbeit besonders schnell voran. Sie wurde nur dann unterbrochen; wenn das Sternschiff durch Gravitationswirbel ins Schaukeln geriet. Doch die „Tantra“ flog so langsam, daß die Erschütterungen die Besatzung nicht mehr gefährdeten.

Pur Hiss und Ingrid bestätigten durch ihre Berechnungen das Vorhandensein zweier Planeten. Der äußere war ein riesiger kalter Planet, umgeben von einer mächtigen, wahrscheinlich giftigen atmosphärischen Hülle, die der Expedition den Tod bringen konnte. Solche furchtbaren Riesenplaneten gab es auch im Sonnensystem — Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun.

Die „Tantra“ näherte sich unaufhaltsam dem Stern. Nach neunzehn Tagen hatten Pur Hiss und Ingrid die Ausmaße des zweiten Planeten bestimmt; er war größer als die Erde. Da sich der Planet sehr nahe seiner eisernen Sonne befand, umkreiste er sie mit rasender Geschwindigkeit; sein Jahr dauerte kaum länger als zwei bis drei Erdmonate. Der unsichtbare Stern T erwärmte den Planeten mit seinen infraroten Strahlen wahrscheinlich stark genug, so daß bei Vorhandensein einer Atmosphäre dort Lebewesen existieren konnten. In diesem Fall würde eine Landung besonders gefährlich sein, denn das fremde Leben, das sich unter den Bedingungen anderer Planeten und in anderer Evolution, wenn auch in der für den ganzen Kosmos gemeinsamen Form von Eiweißkörpern, entwickelte, war für die Erdenbewohner außerordentlich schädlich. Die Schutzstoffe, welche die Organismen auf der Erde in Millionen von Jahrhunderten herausgebildet hatten, waren gegen anders geartetes Leben wirkungslos. Den gleichen Gefahren waren Lebewesen anderer Planeten auf der Erde ausgesetzt.

Der Haupttrieb des tierischen Lebens — zu töten, um fressen zu können, und zu fressen, um töten zu können — hatte beim Zusammentreffen von Lebewesen verschiedener Welten besonders schreckliche Auswirkungen. Furchtbare Krankheiten und Epidemien traten bei den ersten Erforschungen bewohnbarer, aber unbesiedelter Planeten auf. Deshalb trafen auch die von denkenden Wesen besiedelten Welten verschiedene Vorkehrungen, bevor sie die direkte Sternschiffverbindung zu anderen Gestirnen aufnahmen. Auf die Erde, die weit entfernt ist von den zentralen bewohnten Zonen der Galaxis, waren bisher noch keine Gäste von anderen Sternsystemen, noch keine Vertreter anderer Zivilisationen gekommen. Der Rat für Astronautik war erst seit kurzem vorbereitet für die Aufnahme von Freunden nahe gelegener Sterne aus dem Sternbild des Schlangenträgers, des Schwans, des Großen Bären und des Paradiesvogels.