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Nisa setzte sich in den Sessel, ihr Blick glitt gewohnheitsmäßig über alle Geräte, und sie versank in tiefes Nachdenken.

Schwarz hoben sich über ihr die Reflexbildschirme ab, die das Blickfeld der Steuerzentrale wiedergaben. Das vielfarbige Licht der Sterne stach in die Augen wie Nadeln. Das Sternschiff überholte den Planeten und kam durch dessen Schwerkraft am Rande des veränderlichen Gravitationsfeldes ins Schlingern. Die Sterne auf den Reflexbildschirmen vollführten wilde Sprünge, die Sternbilder wechselten mit atemberaubender Schnelligkeit.

Der Planet K-2-2N-88, weit entfernt von seiner Sonne, kalt und leblos, war als geeigneter Ort für das Treffen der beiden Sternschiffe vorgesehen, für eine Begegnung, die nicht stattgefunden hatte. Der fünfte Kreis! Nisa stellte sich die „Tantra“ vor, wie sie mit verminderter Geschwindigkeit auf dem riesengroßen Kreis mit einem Radius von Milliarden Kilometern dahinjagte und den wie eine Schildkröte kriechenden Planeten unaufhaltsam überholte. In einhundertundzehn Stunden würde das Sternschiff den fünften Kreis passiert haben. Und was dann? Erg Noor bot seinen ganzen vortrefflichen Verstand auf, um den bestmöglichen Ausweg zu finden. Er, der Expeditionsleiter und Schiffskommandant, durfte sich nicht irren, sonst würde die „Tantra“, ein Sternschiff erster Kategorie, mit ihrer Besatzung von hervorragenden Wissenschaftlern niemals aus dem Weltraum zurückkehren! Und Erg Noor würde sich nicht irren.

Nisa empfand plötzlich Übelkeit; das Sternschiff war um den Bruchteil eines Grades vom Kurs abgekommen. Kaum war der graue Nebel vor den Augen des Mädchens gewichen, wiederholte sich der Zustand — das Schiff kehrte auf seinen alten Kurs zurück. Die äußerst empfindlichen Radargeräte hatten in der schwarzen Leere einen Meteorit ausgemacht — die größte Gefahr für Sternschiffe. Durch die Steuerung mit Hilfe der Elektronenmaschinen konnte die „Tantra“ innerhalb einer millionstel Sekunde ausweichen und nach Überwindung der Gefahr ebensoschnell wieder den früheren Kurs einnehmen.

Was hatte nur solche Maschinen gehindert, die „Algrab“ zu retten? fragte sich Nisa, nachdem die Übelkeit vorübergegangen war. Das Sternschiff ist bestimmt durch den Zusammenprall mit einem Meteorit vernichtet worden. Erg Noor hat gesagt, bisher sei trotz der hochempfindlichen Radargeräte jedes zehnte Sternschiff durch Meteorite vernichtet worden. Der Untergang der „Algrab“ hatte sie alle in eine riskante Lage gebracht. Das Mädchen rief sich die Ereignisse vom Start an ins Gedächtnis zurück.

Die siebenunddreißigste Sternenexpedition war zu einem Planetensystem im Sternbild des Schlangenträgers entsandt worden, dessen einziger besiedelter Planet, die Sirda, schon lange mit der Erde und anderen Welten über den Großen Ring Verbindung hatte. Plötzlich war die Verbindung abgebrochen, und seit über siebzig Jahren war von dort keine einzige Nachricht mehr gekommen. Die Erde, der der Sirda nächstgelegene Planet des Rings, war verpflichtet, festzustellen, was geschehen war. Aus diesem Grunde hatte das Expeditionsschiff viele Apparate und einige hervorragende Wissenschaftler an Bord genommen, deren Nervensystem sich nach unzähligen Versuchen als fähig erwiesen hatte, die jahrelange Isolierung im Sternschiff zu überstehen. Der Vorrat an Treibstoff für die Triebwerke war nicht sehr groß; nicht daß das Anameson zu schwer war, aber es mußte in riesigen Behältern aufbewahrt werden. Der Vorrat sollte auf der Sirda ergänzt werden. Falls mit dem Planeten etwas geschehen war, hatte das Sternschiff „Algrab“ an der Flugbahn des Planeten K-2-2N-88 mit der „Tantra“ zusammentreffen und neuen Treibstoff bringen sollen.

Mit ihrem feinen Gehör fing Nisa den veränderten Summton des künstlichen Gravitationsfeldes auf. Die Skalenscheiben dreier Geräte begannen zu flackern, und auf Steuerbord schaltete sich der Elektronenfühler ein. Der erleuchtete Bildschirm zeigte einen kantigen schwarzen Klumpen. Wie ein Geschoß bewegte er sich geradewegs auf die „Tantra“ zu, war jedoch noch weit entfernt — ein gigantisches Stück Materie, wie man es höchst selten im Kosmos antrifft. Nisa ging sofort daran, Umfang, Gewicht, Geschwindigkeit und Flugrichtung zu bestimmen. Erst als die Spule des automatischen Kontrollgeräts, das die Daten festhielt, klickte, überließ sich Nisa wieder ihren Erinnerungen.

Am deutlichsten entsann sie sich der matten blutroten Sonne, die im Sichtfeld der Bildschirme mit den letzten Monaten des vierten Reisejahres immer größer geworden war. Es war das vierte Jahr für die Besatzung der „Tantra“, die mit fünf Sechstel der Lichtgeschwindigkeit dahinraste. Auf der Erde waren in dieser Zeit annähernd sieben Jahre vergangen.

Die Bildschirmfilter, die das menschliche Auge schonten, ließen die Strahlen jedes Himmelskörpers so erscheinen, wie sie durch den Sauerstoff- und Stickstoffschutzmantel der dichten Erdatmosphäre zu sehen sind. Das unbeschreibliche fahlviolette Licht der heißen Himmelskörper erschien bläulich oder weiß, die matt rötlichen Sterne wirkten goldgelb wie unsere Sonne. Hier im Weltraum dagegen nahm ein purpurrot leuchtender Himmelskörper eine tiefrote Färbung an. Der Planet Sirda befand sich bedeutend näher an seiner Sonne als unsere Erde an der ihren. Je mehr sich das Schiff der Sirda näherte, desto riesiger wurde die scharlachrote Scheibe ihrer Sonne, die intensive Wärmestrahlen aussandte.

Zwei Monate vor der Expedition zur Sirda hatte die „Tantra“ versucht, mit der Außenstation des Planeten Verbindung aufzunehmen. Es existierte nur eine einzige Station auf einem kleinen atmosphärefreien natürlichen Satelliten, der weniger weit von der Sirda entfernt war als der Mond von der Erde.

Das Sternschiff hatte seine Rufzeichen auch dann noch fortgesetzt, als es vom Planeten nur noch dreißig Millionen Kilometer entfernt und auf eine Geschwindigkeit von dreitausend Kilometer pro Sekunde heruntergegangen war. Dienst hatte damals Nisa, doch die gesamte Mannschaft war wach und saß erwartungsvoll in der Steuerzentrale vor den Bildschirmen.

Nisa sendete immer wieder und mit zunehmender Sendestärke Rufzeichen und schickte Fächerstrahlen voraus.

Endlich erblickten sie den winzigen glänzenden Punkt der Außenstation. Das Sternschiff ging allmählich auf die Bahn des Satelliten über, indem es sich ihm spiralförmig näherte und seine Geschwindigkeit der des Satelliten anglich. Bald waren die „Tantra“ und der Satellit wie durch ein unsichtbares Seil miteinander verbunden, und das Sternschiff hing über dem schnell dahinjagenden kleinen Himmelskörper. Die Elektronen-Stereoteleskope des Schiffes tasteten die Oberfläche des Satelliten ab. Da bot sich plötzlich der Besatzung der „Tantra“ ein unvergeßliches Bild.

Ein riesiges flaches Glasgebäude erstrahlte im Widerschein der blutroten Sonne. Direkt unter dem Dach befand sich ein großer Raum in der Art eines Versammlungssaales oder Auditoriums. Dort verharrten reglos viele Gestalten, die zwar den Erdbewohnern nicht ähnlich, aber zweifellos denkende Wesen waren. Einer der Astronomen der Expedition, Pur Hiss, ein Neuling im Kosmos, der unmittelbar vor dem Start für einen erfahrenen Mitarbeiter hatte einspringen müssen, drückte erregt auf den Abstimmknopf des Instruments. Die unter dem Glasdach verschwommen sichtbaren Wesen blieben unbeweglich. Pur Hiss verstärkte die Vergrößerung. Ein Podest war zu erkennen, Gerätepulte und ein langer Tisch, an dem eines der Wesen mit starr in die Ferne gerichtetem Blick vor den Versammelten saß.

„Sie sind tot!“ rief Erg Noor.

Das Sternschiff blieb weiterhin über dem Satelliten der Sirda, und vierzehn Augenpaare blickten unverwandt auf das gläserne Grab. Wieviel Jahre schon mochten diese Toten hier sitzen? Vor siebzig Jahren war der Planet verstummt; rechnete man noch sechs Jahre hinzu, die die Funkstrahlen bis zur Erde gebraucht hatten, so war es ein dreiviertel Jahrhundert. Aller Augen richteten sich auf den Expeditionsleiter. Erg Noor blickte auf den gelblichen Dunstschleier der Planetenatmosphäre. Nur mit Anstrengung ließen sich Gebirgszüge und Meere erkennen, doch nichts gab die Antwort, um derentwillen sie hierhergeflogen waren.