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Wieder schienen die Sterne Nadeln gleich, die „Tantra“ entfernte sich immer weiter von dem schrecklichen Planeten. Mit jeder Sekunde verringerte sich die Schwerkraft. Immer leichter wurde der Körper. Das Gerät für künstliche Gravitation begann zu summen, und die normale irdische Anziehungskraft kam der Besatzung nach dem anhaltenden Druck des schwarzen Planeten unbeschreiblich gering vor. Alle sprangen aus den Sesseln. Ingrid, Luma und Eon vollführten einen Freundentanz. Doch bald trat die unvermeidliche Reaktion ein, und fast alle versanken in einen kurzen Schlaf. Nur Erg Noor, Pel Lin, Pur Hiss und Luma Laswi blieben wach. Der vorläufige Kurs des Sternschiffs mußte berechnet werden, damit man auf einer gigantischen Kurve senkrecht zur Rotationsebene des gesamten Systems des T-Sterns dem Eis- und Meteoritengürtel dieses Systems ausweichen konnte. Erst dann durfte das Schiff auf annähernde Lichtgeschwindigkeit gebracht werden, erst dann konnte man beginnen, in langwieriger Arbeit den endgültigen Kurs zu bestimmen.

Die Ärztin beobachtete Nisas Zustand beim Start und nach dem Übergang zur normalen Schwerkraft. Bald konnte sie alle mit der Mitteilung beruhigen, daß die Pulsschläge zwar langsamer geworden, aber konstant geblieben waren — ein Schlag in hundertzehn Sekunden. Bei Erhöhung der Sauerstoffzufuhr bedeutete das keinesfalls den Tod. Luma schlug vor, Thyratron und organische Stimulatoren zu Hilfe zu nehmen.

Fünfundfünfzig Stunden lang vibrierten die Schiffswände unter dem Donnern der Anamesontriebwerke, bis die Zeiger endlich eine Geschwindigkeit von neunhundertsiebzig Millionen Kilometern in der Stunde anzeigten, das war nahe an der Gefahrengrenze. Der Abstand vom Eisenstern vergrößerte sich innerhalb von vierundzwanzig Erdenstunden auf mehr als zwanzig Milliarden Kilometer. Es läßt sich mit Worten kaum beschreiben, wie erleichtert die dreizehn Weltraumfahrer nach den schweren Prüfungen auf dem toten Planeten waren. Doch ihre Freude über die Befreiung war getrübt; das vierzehnte Besatzungsmitglied, die junge Nisa Krit, lag hinter der Tür der Krankenkabine bewegungslos zwischen Schlaf und Tod.

Alle fünf Frauen — Ingrid, Luma, die Elektroneningenieurin, die Geologin und die Lehrerin für rhythmische Gymnastik, Irne Mar, hatten sich bei der Kranken versammelt. Über eine Luftmatratze breiteten sie einen Teppich aus weichen Mittelmeerschwämmen, legten Nisa darauf und stülpten die Glocke aus rosa Silikoll über sie. Exakte Geräte konnten jahrelang die erforderliche Temperatur, den Druck und die Zusammensetzung der Luft in der Druckkammer konstant halten. Weiche Schaumgummikissen hielten Nisa in einer Lage, die die Ärztin nur einmal im Monat änderte. Allerdings konnte die absolute Bewegungslosigkeit abgestorbene oder wund gelegene Stellen zur Folge haben. Deshalb wollte die Ärztin Nisa nicht ohne Aufsicht lassen und lehnte es ab, sich die ersten ein bis zwei Jahre der bevorstehenden Flugzeit in Schlaf versenken zu lassen.

Der kataleptische Zustand Nisas hielt an. Das einzige, was die Ärztin zu erreichen vermochte, war die Beschleunigung des Pulses auf einen Schlag in sechzig Sekunden. Wie gering auch der Erfolg war, er machte es möglich, die für die Lunge auf die Dauer schädliche Übersättigung mit Sauerstoff aufzuheben.

Vier Monate waren vergangen. Das Sternschiff flog sicher auf dem exakt errechneten Kurs, der in großem Bogen um das Gebiet der Meteoritenschwärme herumführte. Die von den Abenteuern und der kräftezehrenden Arbeit ermüdete Besatzung wurde in einen siebenmonatigen Schlaf versenkt. Den Dienst versahen diesmal nicht drei, sondern vier Personen. Zu Erg Noor und Pur Hiss hatten sich noch die Ärztin Luma Laswi und der Biologe Eon Tal gesellt.

Der Leiter der Expedition, der aus der äußerst schwierigen Lage als Sieger hervorgegangen war, fühlte sich einsam. Die ersten vier Jahre der Reise zur Erde erschienen ihm endlos. Er gab sich keiner Selbsttäuschung hin: nur auf der Erde konnte er Rettung für Nisa erhoffen.

Lange hatte er aufgeschoben, was er am Tag nach dem Start hätte tun sollen — die Durchsicht der Elektronen-Stereofilme von der „Parus“. Doch gemeinsam mit Nisa hatte er die erste Nachricht von einer fremden Welt empfangen wollen, von dem Planeten des blauen Sterns am nördlichen Himmel der Erde. Sie hatte teilnehmen sollen an der Entdeckung neuer Sternenwelten, der künftigen fernen Inseln der Menschheit.

Die Filme, die vor achtzig Jahren in acht Parsek Entfernung von der Sonne aufgenommen worden waren und im offenen Schiff auf dem Eisenstern gelegen hatten, waren ausgezeichnet erhalten. Der hemisphärische Stereobildschirm trug die vier Zuschauer von der „Tantra“ dorthin, wo hoch über ihnen die blaue Wega leuchtete.

Schnell wechselten die kurzen Szenen — der blendendblaue Himmelskörper glitt vorüber, dann folgten einige Aufnahmen über das Leben an Bord des Sternschiffes. An der Rechenmaschine arbeitete geräuschlos der achtundzwanzigjährige Expeditionsleiter, noch jüngere Astronomen führten die Beobachtungen durch. Aufnahmen vom obligatorischen täglichen Sport und Tanz schlossen sich an, die Besatzungsmitglieder hatten es bis zu akrobatischer Meisterschaft darin gebracht.

Es mutete seltsam an, diese klaren, durchaus realen Bilder, die nichts von ihren Farben eingebüßt hatten, auf dem Hemisphärenbildschirm zu sehen. Man vergaß, daß diese fröhlichen, energischen jungen Astronauten schon vor langer Zeit von den schrecklichen Ungeheuern des Eisensterns verschlungen worden waren.

Die kurze Chronik des Lebens an Bord war schnell vorübergezogen. Nun lenkte nichts mehr von der Wega und ihren Planeten ab. Der blaue Stern strahlte so hell, daß selbst die blasse Reflexion auf dem Bildschirm die Menschen zwang, Schutzbrillen aufzusetzen. Die Wega, in ihrem Durchmesser und ihrer Masse fast dreimal so groß wie die Sonne, rotierte mit einer Äquatorialgeschwindigkeit von dreihundert Kilometern in der Sekunde — eine Kugel außerordentlich hellglühenden Gases mit einer Oberflächentemperatur von elftausend Grad. In dem gleißenden Licht verbarg sich der dem blauen Stern nächstgelegene Planet. Doch dorthin, in diesen Feuerozean, vermochte kein Schiff der Erde oder ihrer Nachbarn vom Großen Ring vorzustoßen.

Die Aufnahmen wurden von einem Bericht über Beobachtungen abgelöst, und auf dem Bildschirm waren fast gespensterhafte Linien stereometrischer Zeichnungen zu sehen, die die Stellung des ersten und zweiten Planeten der Wega kenntlich machten. Die „Parus“ hatte sich nicht einmal dem zweiten Planeten, der hundert Millionen Kilometer von der Wega entfernt lag, nähern können.

Aus den Tiefen des violetten Flammenozeans schossen gewaltige Protuberanzen hervor, reckten ihre allesverbrennenden Arme in den Raum. Die Strahlungsenergie der Wega war so groß, daß sie stärkste Quanten aussandte — Licht des ultravioletten, unsichtbaren Spektralteils. Dadurch entstand das seltsame Empfinden von etwas Gespenstischem, von einem nahezu unsichtbaren, aber tödlichen Phantom. Ringsum tobten Photonenwirbel, die die Anziehungskraft des Sternes überwunden hatten. Ihr ferner Nachhall ließ die „Parus“ gefährlich schwanken. Die Zähler für kosmische und andere Arten harter Strahlungen versagten. Selbst im Innern des zuverlässig geschützten Schiffes verstärkte sich die gefährliche Ionisierung, sie ließ die Kraft der ungebändigten Strahlenenergie ahnen, die als gewaltiger Strom in den Raum entwich.

Der Leiter der „Parus“ steuerte das Sternschiff vorsichtig zu einem dritten großen Planeten, der aber nur von einer dünnen Atmosphäre umgeben war. Offensichtlich blies der Feuerodem des blauen Sterns die Hülle leichter Gase auf die Schattenseite des Planeten, wo sie einen langen, schwach leuchtenden Schweif bildeten. Fluordämpfe, Kohlenoxid: tödliche Gase — in einer solchen Atmosphäre konnte nichts Irdisches auch nur eine Sekunde existieren.

Auf der Oberfläche des Planeten ragten scharfe Zacken, Kämme und zerklüftete Steinwände empor, bald rot wie frische Wunden, bald schwarz wie die Nacht. Auf den Hochebenen aus vulkanischer Lava, wo mit unheimlicher Gewalt Wirbelwinde tobten, sah man Spalten und Schluchten, die glühendes Magma ausspien.