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Dichte Aschewolken stiegen hoch, blendend blau auf der beleuchteten Seite, undurchdringlich schwarz auf der Schattenseite. Blitze von Tausenden Kilometer Länge zuckten nach allen Richtungen und zeugten von der Sättigung der toten Atmosphäre mit elektrischer Energie.

Mit teilnahmsloser Exaktheit hatten die Stereoteleskope diese Bilder aufgefangen und die Elektronenfilme sie festgehalten. Doch bei all dem spürte man die Überlegenheit der Weltraumfahrer, den Protest der Vernunft gegen die sinnlose Zerstörung, die Erkenntnis, welche Feindseligkeit in dieser Welt tobenden kosmischen Feuers zusammengeballt ist. Die vier Zuschauer, noch ganz benommen von dem faszinierenden Schauspiel, wechselten zustimmende Blicke, als eine Stimme mitteilte, die „Parus“ steuere den vierten Planeten an.

Wenige Augenblicke danach rückte der letzte, äußerste Planet der Wega, der ungefähr die Ausmaße der Erde hatte, ins Blickfeld des Bodenteleskops. Die „Parus“ ging immer tiefer. Offensichtlich wollten die Weltreisenden diesen Planeten erforschen, der die letzte Hoffnung bot für die Entdeckung einer wenn auch nicht schönen, so doch wenigstens für das Leben geeigneten Welt.

Wenigstens — in diesen drei Silben lag der Abschied von dem wunderverheißenden Stern, von einem alten Traum, um dessentwillen die Menschen der Erde freiwillig fünfundzwanzig Jahre Abgeschlossenheit im Sternschiff auf sich genommen hatten.

Aber Erg Noor, völlig von dem Bild gefesselt, dachte nicht sogleich daran. Der Hemisphärenbildschirm trug ihn jetzt über die Oberfläche des Planeten. Zum Leid der Weltraumfahrer — der toten und der lebenden — stellte sich heraus, daß der Planet dem schon seit langem bekannten Nachbarn im Sonnensystem, dem Mars, ähnlich war. Die gleiche dünne Gashülle mit dem stets wolkenlosen dunkelgrünen Himmel, die gleiche ebene Fläche öder Kontinente, bedeckt von verwitterten Gebirgsreliefs. Auf dem Mars herrschte schneidende Kälte, die Tagestemperaturen waren einem schroffen Wechsel unterworfen; fast ausgetrocknete Sümpfe bedeckten seine Oberfläche, selten fiel spärlicher Regen oder Schnee, in den absterbenden Pflanzen war kaum noch Leben, und eigenartige träge Tiere fristeten in der Bodenrinde ihr Dasein.

Das feuergleiche Licht des blauen Sterns dagegen erhitzte den Planeten derart, daß er die Glut sengender Wüsten ausstrahlte. Wasserdämpfe stiegen hin und wieder in die oberen Schichten der Lufthülle, und die weiten Ebenen wurden von warmen Wirbelwinden verdunkelt, die ununterbrochen die Atmosphäre in Wallung brachten. Der Planet rotierte schnell, wie auch die anderen. Durch die nächtliche Abkühlung war das Felsgestein in Sand zerfallen. Orangefarbene, violette, grünliche, bläuliche oder blendendweiße Sandflächen bedeckten den Planeten. Aus der Ferne hielt man sie für Meere oder Dickichte phantastischer Pflanzen. Verwitterte Gebirgsketten, höher als die des Mars, aber ebenfalls tot, waren von einer glänzenden schwarzen oder bräunlichen Schicht überzogen. Die tödliche blaue Sonne mit ihrer starken ultravioletten Strahlung zerstörte die Minerale.

Erg Noor entsann sich, daß in früheren Zeiten, als die Zahl der Wissenschaftler noch gering war, Schriftsteller und Künstler glaubten, auf anderen Planeten lebten Menschen, die sich den höheren Temperaturen angepaßt hatten. Das hatte den Glauben an die Allmacht der menschlichen Natur gestärkt. Einen starken Eindruck auf viele, und auch auf Erg Noor, hatte ein Gemälde im Museum der südlichen Wohnzone gemacht: eine Ebene flammendroten Sandes, die am Horizont verschwamm, ein leuchtender grauer Himmel und darunter Menschen in Hitzeskaphandern, die scharfe schwarzblaue Schatten warfen. Sie verharrten bewundernd vor einer Metallkonstruktion, die fast bis zur Weißglut erhitzt war. Daneben stand eine Frau mit gelöstem rotem Haar. Ihre helle Haut strahlte in dem blendenden Licht, und lilarötliche Schatten betonten jede Linie der hohen, schlanken Figur. Ein kühner Traum, der jedoch allen Gesetzen der biologischen Entwicklung widersprach, die heute, in der Epoche des Großen Rings, schon gründlicher erforscht waren.

Erg Noor zuckte zusammen, als ihm auf dem Bildschirm die Oberfläche des Planeten entgegenstürzte. Der unbekannte Pilot ließ die „Parus“ tiefer gehen. Ganz nahe glitten Sandkegel, schwarze Felsen und im Licht der Wega grün funkelnde Kristallfelder vorüber. Das Sternschiff zog seine Spiralen um den Planeten von einem Pol zum anderen. Keinerlei Anzeichen von Wasser oder von pflanzlichem Leben.

Ein banges Gefühl der Einsamkeit und Verlorenheit des Sternschiffes in den öden Weiten, im Machtbereich des blauen Flammensterns stellte sich ein. Erg Noor konnte die Hoffnung derjenigen nachempfinden, die den Film aufgenommen und den Planeten nach Spuren von Leben abgesucht hatten. Jeder, der einmal zu toten Planeten geflogen war, kannte dieses angespannte Suchen nach Ruinen, nach Überresten von Städten und Bauwerken, die man immer wieder in Felseinschnitten oder Schluchten zu entdecken glaubt. Schnell jagt die verbrannte, von Wirbelstürmen aufgewühlte, schattenlose Oberfläche über den Bildschirm.

„Unsere Mitmenschen auf der Erde werden enttäuscht sein“, sagte der Biologe zum Expeditionsleiter. „Viele Jahrtausende blicken Millionen Menschen voll Hoffnung zur Wega. Bereits vor tausend Jahren wußten die Menschen verhältnismäßig viel über die Sterne. Doch sie ahnten nicht, daß fast jeder langsam rotierende Stern mit starkem Magnetfeld Planeten hat, wie auch fast jeder Planet in unserem Sternensystem Trabanten hat. Sie kannten dieses Gesetz nicht, aber sie träumten von Brüdern auf anderen Sternen, vor allem auf der Wega. Ich habe verschiedene alte Gedichte über die Menschen dieses blauen Sterns gelesen.“

„Nach dem letzten Funkspruch der ›Parus‹ war auch mein Traum die Wega“, sagte Erg Noor, zu Eon Tal gewandt. „Jetzt ist klar, daß eine Wunschvorstellung mir und vielen anderen den Blick vernebelt hat.“

„Und wie entschlüsseln Sie heute den Funkspruch der ›Parus‹?“

„Ganz einfach: ›Die vier Planeten der Wega sind völlig tot. Es gibt nichts Herrlicheres als unsere Erde. Welch ein Glück zurückzukehren!‹“

„Sie haben recht!“ rief der Biologe. „Wieso kam bisher keiner darauf?“

„Vielleicht ist es jemand eingefallen, nur uns nicht, den Astronauten, und auch nicht dem Rat. Doch eigentlich gereicht uns das zur Ehre, denn kühne Träume und nicht Skepsis siegen im Leben!“

Auf dem Bildschirm war der Flug um den Planeten beendet. Aufzeichnungen der automatischen Station schlossen sich an, die zur Analyse der Oberflächenverhältnisse des Planeten hinuntergeschickt worden war. Dann erfolgte eine heftige Explosion. Die „Parus“ hatte eine geologische Bombe abgesetzt, und eine riesige Wolke von Mineralteilchen stieg hinauf bis zum Sternschiff. Pumpen heulten auf, sie sogen Staubteilchen in die Filter der Ansaugkanäle. Einige Proben feinsten Mineralpulvers aus den Wüsten und Bergen den verbrannten Planeten füllten die Silikoll-Reagenzgläschen, Luft der oberen atmosphärischen Schichten wurde in Quarzballons aufbewahrt. Die „Parus“ trat den Rückflug an, den sie jedoch nie vollenden sollte. Nun brachten die Forscher der „Tantra“ alles, was die toten Astronauten mit großer Mühe, Geduld und Tapferkeit erringen konnten, zur Erde.

Die restlichen Aufzeichnungen — sechs Spulen Beobachtungen — würden von den besten Astronomen der Erde ausgewertet werden. Das Wichtigste davon würde allen über den Großen Ring zugänglich gemacht werden.

Keiner wollte sich die Filme über das weitere Schicksal der „Parus“, über den schweren Kampf gegen die Havarie und den T-Stern, ansehen, keiner sich die tragische letzte Tonspule anhören — jene wertvolle Warnung. Zu stark waren noch die eigenen Erlebnisse. Man wollte damit warten, bis die gesamte Besatzung wach war. Von den Eindrücken überwältigt, begaben sich die Diensthabenden zur Ruhe, nur Erg Noor blieb in der Zentrale.