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Das Sternschiff rief den künstlichen Satelliten 57 auf der üblichen Welle für kosmische Fernflüge und wartete stündlich auf Antwort von dieser starken Sendestation der Erde für den Kosmos.

Endlich erreichte das Rufzeichen des Sternschiffes die Erde.

Alle Mitglieder der Besatzung blieben wie gefesselt an den Empfangsgeräten. Nach dreizehn irdischen beziehungsweise neun abhängigen Jahren der Trennung von der Heimat lauschten die Menschen begierig den Nachrichten der Erde und nahmen teil an den Diskussionen neuer wichtiger Fragen, die wie üblich über das Weltnetz für alle Interessenten ausgestrahlt wurden.

So gab der zufällig aufgefangene Vorschlag von Heb Ur Anlaß zu einer sechswöchigen Diskussion und zu komplizierten Berechnungen.

„Beratet den Vorschlag Heb Urs!“ ertönte die Stimme von der Erde. „Jeder, der sich schon einmal damit beschäftigt oder auf diesem Gebiet gearbeitet hat, jeder, der den Vorschlag bejaht oder ihn ablehnt, möge sich äußern!“

Die Weltraumfahrer beteiligten sich nur zu gern an dieser ihnen so vertrauten Form der Diskussion. Heb Ur hatte im Rat für Astronautik den Vorschlag eingebracht, die erreichbaren Planeten blauer und grüner Sterne systematisch zu untersuchen. Seiner Meinung nach waren das Welten mit gewaltiger energetischer Ausstrahlung, die bestimmte mineralische Zusammensetzungen chemisch zum Leben bringen könnten. In den hohen Temperaturen und in der gewaltigen Ausstrahlung der Sterne der höchsten Spektralklassen müßten aus Mineralien, die schwerer waren als Gase, besondere Formen des Lebens entstehen. Heb Ur hielt es für einen Mißerfolg, daß die Sirius-Expedition auf dem Stern keinerlei Spuren von Leben entdeckt hatte, obwohl es sich bei ihm um einen schnell rotierenden Doppelstern ohne starkes Magnetfeld handelte. Niemand bestritt, daß Doppelsterne ebenfalls Planetensysteme bilden können. Trotzdem stieß Heb Urs Vorschlag bei der Besatzung der „Tantra“ auf lebhaften Widerspruch. Erg Noor und seine Mitarbeiter stellten einen Bericht über die Wega zusammen, die sie als erste von allen Menschen auf den Filmstreifen gesehen hatten.

Und die Menschen der Erde lauschten begeistert der Stimme vom Sternschiff.

„Die ›Tantra‹ spricht sich gegen die Entsendung einer Expedition aus. Die blauen Sterne strahlen tatsächlich eine so starke Energie auf ihre Planeten aus, daß Leben aus schwereren Verbindungen undenkbar wäre. Jeder lebende Organismus ist ein Filter und ein Damm von Energie, der dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik oder der Entropie dadurch entgegenwirkt, daß er Strukturen schafft und die einfachen Mineral- und Gasmoleküle weitgehend kompliziert. Das kann nur in einem außerordentlich langwierigen historischen Prozeß geschehen, erfordert also auch konstante physikalische Bedingungen. Und gerade die beständigen Bedingungen fehlen auf den Planeten der heißen Sterne, und kompliziertere Verbindungen werden in den Stößen und Wirbeln der mächtigen Strahlungen schnell wieder zerstört. Dort gibt es nichts lange Bestehendes und kann es auch nicht geben, ungeachtet dessen, daß die Stoffe dort die stabilste Kristallstruktur mit kubischen Translationsgittern annehmen.

Nach Meinung der ›Tantra‹ wiederholt Heb Ur die einseitigen Überlegungen der Astronomen des Altertums, die die Entwicklungsdynamik der Planeten nicht kannten. Jeder Planet verliert seine leichten Elemente, sie werden in den Raum hinausgetragen und zerfallen. Unter der starken Erhitzung und dem Strahlendruck der blauen Sonne ist der Verlust an leichten Elementen besonders hoch.“

Die „Tantra“ führte viele Beispiele an und schloß mit der Feststellung, daß die Bedingungen auf den Planeten der blauen Sterne keine Form von Leben zulassen.

Der Satellit 57 leitete die Einwände der Tantra-Expedition direkt an das Observatorium des Rates weiter.

Endlich war der Augenblick gekommen, den alle Expeditionsmitglieder mit so viel Ungeduld erwartet hatten. Die „Tantra“ begann die Fast-Lichtgeschwindigkeit des Fluges zu bremsen, als die den Eisgürtel des Sonnensystems passierte; sie näherte sich der Sternschiffstation auf dem Triton, einem Trabanten des Neptuns. Da sie mit einer Geschwindigkeit von neunhundert Millionen Kilometern in der Stunde flog, würde sie von hier aus die Erde in weniger als fünf Stunden erreichen.

Um jedoch den Verbrauch des wertvollen Anamesons einzuschränken, verkehrten innerhalb des Sonnensystems Ionen- und Photonen-Planetenschiffe. Ihre Geschwindigkeit lag bei achthunderttausend Kilometern in der Stunde für die inneren Planeten und bei zweieinhalb Millionen für die äußeren. So dauerte der Weg vom Neptun zur Erde zweieinhalb bis drei Monate.

Der Triton ist ein Trabant großen Ausmaßes, der dicht hinter dem dritten und dem vierten Satelliten des Jupiters — Ganymed und Kallisto — und dem Planeten Merkur rangiert. Deshalb besitzt er eine dünne Atmosphäre, die sich hauptsächlich aus Stickstoff und Kohlensäure zusammensetzt.

Erg Noor setzte das Schiff auf dem angewiesenen Platz zur Landung auf, am Pol des Satelliten, ein wenig entfernt von den breiten Kuppeln des Stationsgebäudes. Am Rande einer Hochebene funkelten die Fenster des Quarantäne-Sanatoriums. Hier mußten die Weltraumfahrer fünf Wochen in Quarantäne leben. Erfahrene Ärzte untersuchten die Heimgekehrten sorgfältig, ob sich auch ja keine infektiösen Bakterien in ihre Körper eingenistet hatten. Die Gefahr war zu groß, als daß man leichtfertig daran vorübergehen konnte. Das galt für alle Menschen, die auf anderen Planeten gelandet waren, auch auf unbesiedelten, und war völlig unabhängig davon, wie lange ihr Aufenthalt im Sternschiff gedauert hatte. Auch das Schiff wurde von den Wissenschaftlern des Sanatoriums untersucht, bevor die Station die Flugerlaubnis zur Erde erteilte.

Die Isolierung im Sanatorium war viel leichter zu ertragen als die Abgeschlossenheit im Sternschiff. Laboratorien standen zur Verfügung, es gab Konzertsäle, kombinierte Bäder mit Elektrizität, Musik, Wasser und Wellenschwingungen, tägliche Spaziergänge in leichten Skaphandern zu den Bergen und in der Umgebung des Sanatoriums. Aber vor allem hatte man eine schnelle Verbindung zum Heimatplaneten, zwar nicht ständig, doch war es tröstlich, zu wissen, daß eine Mitteilungzur Erde nur fünf Stunden brauchte.

Die Silikolldruckkammer Nisas wurde mit allen Vorsichtsmaßnahmen ins Sanatorium übergeführt.

Erg Noor und der Biologe Eon Tal verließen die „Tantra“ als letzte. Sie bewegten sich vorsichtig, um nicht unversehens wegen der geringen Schwerkraft auf dem Satelliten ins Springen zu geraten.

Die starken Scheinwerfer, die die Landebahn von allen Seiten beleuchtet hatten, erloschen. Der Triton erreichte die von der Sonne beleuchtete Seite des Neptuns, der nur dreihundertfünfzigtausend Kilometer von ihm entfernt ist. Wie trübe und grau das vom Neptun reflektierte Sonnenlicht auch war, es durchbrach die Finsternis und bewirkte auf dem Satelliten eine helle Dämmerung, ähnlich der Frühjahrsdämmerung in den hohen Breitengraden der Erde.

Fast gleichzeitig erblickten Erg Noor und Eon Tal ein kleines Schiff, das weit entfernt am Rande eines Plateaus stand. Es war keines von den Sternschiffen mit der stark vergrößerten hinteren Hälfte und den hohen Stabilisationsflossen. Dem spitz zulaufenden Bug und dem schmalen Rumpf nach zu urteilen, mußte es ein Planetenschiff sein. Es unterschied sich jedoch von den üblichen Konturen dieser Schiffe durch einen dicken Ring am Heck und einen langen spindelförmigen Aufbau.

„Noch ein Schiff in der Quarantäne?“ meinte Eon. „Hat etwa der Rat seine Gewohnheit geändert?“

„Sollte er eine neue Sternenexpedition vor Rückkehr der alten entsandt haben?“ überlegte Erg Noor. „Wir haben zwar unsere Termine eingehalten, aber die Nachricht, die wir von der Sirda senden sollten, hat sich um zwei Jahre verspätet.“