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Diese Geschichte fand größte Aufmerksamkeit. Der Fund dieser riesigen Goldmenge bedeutete für die Menschheit ein großartiges Geschenk. Obzwar das schwere gelbe Metall schon längst nicht mehr als Wertsymbol diente, wurde es nach wie vor für elektrische Geräte, medizinische Präparate und vor allem für die Anamesonherstellung benötigt.

In einer Ecke der Veranda hatten sich Weda Kong, Dar Weter, der Maler, Tschara Nandi und Ewda Nal zusammengefunden. Ganz in der Nähe hatte der bescheidene Ren Boos Platz genommen. Nur Mwen Mass fehlte.

„Sie hatten recht mit ihrer Behauptung“, sagte Dar Weter, zu dem Maler gewandt. „Der Künstler oder, besser gesagt, die Kunst bleibt stets hinter der beschleunigten Entwicklung von Wisschenschaft und Technik zurück.“

„Sie haben mich mißverstanden“, entgegnete Kart San. „Diese Fehler wurden bereits korrigiert, und man hat die Verpflichtung der Kunst gegenüber der Menschheit erkannt. Nicht mehr erdrückende Monumentalwerke werden geschaffen, nicht mehr prunkvolle, aber hohle Fassaden. Die Kunst soll vor allem auf den emotionalen Bereich des Menschen einwirken. Nur die Kunst kann die menschliche Psyche beeinflussen und sie für die Wahrnehmung der kompliziertesten Eindrücke aufnahmebereit machen. Wer von uns weiß nicht, wie zauberhaft leicht man etwas versteht, in das man sich vorher durch Musik, Farbe oder Bild einfühlen konnte? Und wie verschließt sich die menschliche Seele, wenn man in sie grob und unvorbereitet eindringt! Sie als Historiker wissen besser als jeder andere, wieviel Leid die Menschheit im Kampf um Entwicklung und Erziehung der emotionalen Seite der Psyche erfahren hat.“

„Vor sehr langer Zeit strebte die Kunst nach abstrakten Formen“, bemerkte Weda Kong.

„Die Kunst versuchte, in Nachahmung des Verstandes zu abstrahieren, er hat allem anderen gegenüber den Vorzug erhalten. Keine Kunst kann sich abstrakt ausdrücken, außer der Musik, die eine Sonderstellung einnimmt und auf ihre Art gleichfalls völlig konkret ist. Es war ein Irrweg.“

„Welchen Weg halten Sie für den richtigen?“

„Die Kunst ist meiner Meinung nach Widerspiegelung des Kampfes und der Schrecken der Welt in den Gefühlen der Menschen und bisweilen eine Illustration des Lebens, jedoch stets mit der allgemeinen Zweckmäßigkeit als Richtschnur. Diese Zweckmäßigkeit ist eben das Schöne, ohne das es kein Glück gibt und das Leben keinen Sinn hat. Andernfalls führt die Kunst leicht zu grotesken Einfällen, vor allem bei ungenügender Kenntnis des Lebens und der Geschichte.“

„Ich habe mir immer gewünscht, die Kunst möge die Welt nicht nur nachgestalten, sondern sie bezwingen und verändern“, warf Dar Weter ein.

„Einverstanden!“ rief Kart San aus. „Jedoch nicht nur die äußere Welt, sondern — vor allem die innere Welt des Menschen, seine Emotionen. Ihre Erziehung… mit dem Verständnis für alle Widersprüche…“

Ewda Nal legte ihre feste, warme Hand auf Dar Weters Arm.

„Von welchem Traum haben Sie sich heute getrennt?“

„Von einem sehr schönen.“

„Jeder von uns“, fuhr der Maler fort, „der Werke der Massenkunst des Altertums — Filme, Aufzeichnungen von Theateraufführungen und Gemäldeausstellungen — gesehen hat, weiß, wie geschliffen, geschmackvoll und frei von allem Überflüssigen dagegen unsere modernen Schauspiele, Tänze und Bilder sind. Ganz zu schweigen von den Zeiten der Dekadenz.“

„Er ist klug, aber geschwätzig“, flüsterte Weda Kong.

„Für einen Maler ist es schwer, die höchst komplizierten Erscheinungen, die er sieht und aus seiner Umwelt auswählt, mit Worten oder Formeln auszudrücken“, schaltete sich Tschara Nandi ein, und Ewda Nal nickte zustimmend.

„Mir schwebt folgendes vor“, fuhr Kart San fort. „Ich möchte eine Gestalt malen, in der die edelsten Gefühle und typische Farben und Formen vereint sind. Ich möchte Gestalten reproduzieren, die die vollkommene Schönheit der verschiedenen Rassen aus ferner Vergangenheit repräsentieren, der Menschen, aus deren Vermischung wir hervorgegangen sind. ›Die Tochter Gondwanas‹ zum Beispiel verkörpert das Einssein mit der Natur, das unbewußte Wissen um den Zusammenhang zwischen Dingen und Erscheinungen; Gefühle und Empfindungen, die noch ganz vom Instinkt beherrscht werden.

›Die Tochter der Thetis‹ — des Mittelmeers — dagegen verkörpert weit höher entwickelte Gefühle, eine viel breitere Skala. Das ist bereits ein anderes Einssein mit der Natur: durch Emotionen statt durch Instinkte. Die alten Mittelmeerkulturen sind Zeugnis dafür: Im Lebensraum der Kreter, Etrusker, Hellenen, Inder entstand das Bild des Menschen, der diese emotional bestimmte Kultur schaffen konnte. Welch ein Glück, daß ich Tschara gefunden habe! In ihr sind Züge der Griechen und Kreter mit denen der späteren Völker Zentralindiens vereint.“

Weda lächelte, weil sie mit ihrer Vermutung recht behalten hatte, und Dar Weter flüsterte ihr zu, ein besseres Modell sei schwerlich zu finden.

„Wenn mir ›Die Tochter der Thetis‹ gelingt, folgt als dritter Teil der Konzeption unweigerlich eine blonde Frau des Nordens mit ruhigem, klarem Blick, hochgewachsen, gemessen in ihren Bewegungen, wie es einst die Russinnen waren, die Frauen aus Skandinavien oder England. Erst wenn mir das gelungen ist, werde ich zur Synthese kommen und das Abbild der heutigen Frau malen, in das das Beste von diesen drei Stammüttern eingeht.“

„Warum eigentlich nur ›Töchter‹ und nicht auch ›Söhne‹?“ erkundigte sich Weda lächelnd.

„Muß ich Ihnen etwa erklären, daß das Schöne nach den Gesetzen der Physiologie bei der Frau vollendeter und ausgefeilter ist?“ erwiderte der Maler unwillig.

„Wenn Sie Ihr drittes Bild in Angriff nehmen, prüfen Sie, ob Weda Kong nicht dafür in Frage kommt“, schlug Ewda Nal vor. „Es gibt kaum…“

Schnell stand der Maler auf.

„Sie meinen wohl, ich sehe das nicht! Ich muß mich zusammennehmen, daß diese Gestalt nicht jetzt schon die andere verdrängt, die mich noch beschäftigt. Aber Weda…“

„Sehnt sich nach Musik“, vollendete diese, leicht errötend. „Schade, daß hier nur ein Sonnenflügel vorhanden ist, der nachts nicht spielt!“

„Handelt es sich um ein Halbleitersystem, das mit Sonnenlicht betrieben wird?“ erkundigte sich Ren Boos, über die Sessellehne gebeugt. „Dann könnte ich den Flügel auf Empfängerstrom umschalten.“

„Dauert das lange?“ fragte Weda freudig.

„Eine Stunde etwa.“

„Das hat keinen Zweck. In einer Stunde kommen die Nachrichten über das Weltnetz. Wir waren von der Arbeit so in Anspruch genommen, daß wir den Empfänger zwei Abende lang nicht eingeschaltet haben.“

„Aber Sie könnten uns doch etwas vorsingen, Weda“, bat Dar Weter. „Kart San hat noch ein guterhaltenes Saiteninstrument aus dem Dunklen Zeitalter der Feudalgesellschaft.“

„Eine Gitarre“, sagte Tschara Nandi.

„Wer spielt? — Ich werde es selbst versuchen. Vielleicht komme ich damit zurecht.“

„Ich spiele!“ Tschara erbot sich, zum Atelier zu laufen und die Gitarre zu holen.

„Ich komme mit“, schlug Frit Don vor.

Herausfordernd warf Tschara den Kopf in den Nacken. Durch einen Knopfdruck von Scherlis öffnete sich eine Wand der Veranda, und man konnte das östliche Ufer der Bucht völlig überschauen. Mit riesigen Sätzen jagte Frit Don davon. Tschara folgte ihm mit zurückgebogenem Kopf. Anfangs blieb sie zurück, aber das Atelier erreichten beide gleichzeitig. Sie verschwanden in dem dunklen, unbeleuchteten Eingang. Kurz darauf liefen sie schon wieder im Mondlicht am Ufer entlang, schnellfüßig und verbissen. Als erster erreichte Frit Don die Veranda, doch Tschara sprang durch ein offenes Seitenfenster und war somit vor ihm im Raum.