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»Natürlich weiß ich das«, sagte Aurelie verteidigend. »Ich meine Gilon, deinen Stiefvater, wenn du es so genau nehmen willst. Was sagt der denn?«

»Der redet nicht viel, ein Glück«, meinte Kitiara. Sie schaute ihre Freundin zornig an. »Es geht im Leben sowieso nicht nur darum, einen Mann abzukriegen«, erklärte sie.

»Oh, das finde ich aber doch«, sagte Aurelie und schüttelte den Kopf anmutig. »Meiner Meinung nach mag dich Bronk, weil du dich stark und hart zeigst. Aber es wäre besser, ihn gewinnen zu lassen, wenn’s ums Raufen und Kämpfen geht. Männer haben ihren Stolz, und bei Jungs ist das schlimmer.«

Damit griff sie in eine Rockfalte und holte ein dickes Stück Früchtebrot heraus, das sie in der Mitte durchbrach, um Kit dann die eine Hälfte anzubieten.

Kit mußte lächeln. Die beiden Mädchen verzehrten flüsternd und lachend die Köstlichkeit. Die Jahrmarktbesucher strömten um sie herum.

»Fräulein Kitiara…«Kit sah auf und blickte diesmal Minna ins Gesicht.

Die alte Hebamme ihrer Mutter fixierte sie mit berechnender Miene. Kit hatte die alte Schachtel monatelang nicht gesehen. Aurelie sprang höflich auf, und Kitiara folgte widerstrebend ihrem Beispiel.

»Wie geht es denn deiner lieben Mutter im Moment?« fragte Minna.

»Danke, gut«, meinte Kit mit leiser Stimme.

»Ich habe sie lange nicht gesehen«, fuhr Minna fort und kniff die Augen zusammen.

Nein, und das wirst du auch nicht, du alte Hexe, hätte Kit am liebsten gesagt, brachte jedoch kein Wort hervor, und ihr Blick klebte am Boden.

»Ja, aber sie läuft doch auch hier auf dem Markt herum und amüsiert sich«, mischte sich Aurelie mit unschuldiger Stimme ein.

»Was? Hier?« Minna war ganz perplex bei dieser Nachricht.

»Aber ja«, bestätigte Aurelie keck. »Sie ist mit uns gekommen, und dann… Ihr wißt, wie das ist, sie mußte mit diesen beiden unmöglichen Knirpsen irgendwohin. Sie haben sie an Armen und Beinen gezogen – das sah so komisch aus –, und sie hat die ganze Zeit so gelacht.«

»Wo? Wo sind sie hin?« Minna starrte über die Köpfe der Menge hinweg, weil sie auf neuen Klatsch brannte.

»Oh, Ihr werdet sie drüben bei den Spielen finden, wenn Ihr sie begrüßen wollt, Madame«, erklärte Aurelie honigsüß.

»Das sollte ich wohl tun«, entgegnete Minna mißtrauisch.

Sie musterte Kit durchdringend, doch deren höfliche Miene verriet gar nichts.

»Und wenn Ihr sie seht, dann sagt ihr bitte, daß wir nachkommen«, sagte Aurelie.

»Ja, ja, mach’ ich«, meinte Minna geschäftig mit einem letzten Blick über die Schulter, während sie durch die Menge davoneilte. Die Hebamme war davon überzeugt, daß sie an der Nase herumgeführt wurde, aber da man nie wissen konnte, wollte sie wenigstens versuchen, Rosamund aufzuspüren.

Als Minna außer Sichtweite war, fielen sich die Mädchen in die Arme. Sie lachten und lachten und konnten eine ganze Weile überhaupt nicht mehr aufhören.

»Das war genau das richtige«, sagte Kit schließlich japsend.

Sie kicherten wieder. »Ja, Madame, und sie hat soviel Spaß gehabt, wirklich!« Aurelie äffte sich selber nach.

Auf einmal hörte Kitiara auf und holte tief Luft.

»Oh, ich muß die Zwillinge suchen«, murmelte sie.

»Keine Sorge«, tröstete Aurelie, »die sind bestimmt…«

»Trotzdem«, meinte Kitiara, die sich zum Gehen wandte.

»Na, schön«, maulte Aurelie, die ihr folgte. »Ungezogene Bengel, alle beide.«Während Kitiara mit Caramon kämpfte, schob sich ein großer, dünner Mann mit stechendem Katzenblick, weißen Wimpern und ledriger Haut durch die Menge um Raistlin und verteilte Karten. Automatisch streckte Raistlin die Hand aus, und der Mann legte eine Karte in seine kleine Handfläche. Es stand eine merkwürdige Inschrift darauf. Der kleine Junge konnte noch nicht sehr gut lesen, aber er konnte ein Symbol auf dem Stück Papier erkennen – eines der vielen speziellen Symbole eines umherziehenden Zauberers.

Als der Mann ging, stand Raistlin auf und folgte ihm. Geschmeidig bahnte sich der Mann einen Weg durch die Menge, an verschiedenen Ständen vorbei, um ein paar Felsen und Bäume herum, einen Pfad hinunter, an dessen Rand Leute saßen und ihr Mittagessen verzehrten, bis zu einer kleinen Lichtung, die als Bühne für eine Vorstellung hergerichtet war. Der schlurfende Mann nickte Raist verschwörerisch zu und teilte unterwegs weiter Karten aus. Die Menge schien für ihn auseinanderzuweichen und ihn dann zu verschlucken.

Raistlin betrachtete das Zentrum der Lichtung. Dort hatte sich bereits ein Kreis von Leuten um einen Mann geschlossen, der eine Aufführung vorbereitete. Als der Mann einen Moment aufsah, kam es Raistlin so vor, als hätte er ihn schon einmal gesehen. Er sah sich nach hinten um, wo der Mann mit den Karten zuletzt gewesen war, und dann wieder nach vorn zu dem anderen. Der Mann, der die Vorstellung aufbaute, glich dem anderen, nur daß dieser hier eine etwas verblichene gelbe Robe trug.

Zwillinge! sagte sich Raistlin, wie Caramon und ich. Weil dieser Zufall ihn fesselte, ging der Junge näher. Bald gehörte er zu dem guten Dutzend Leute, die herumstanden, sich unterhielten und darauf warteten, daß der reisende Zauberer mit seiner Vorstellung begann.

Der Mann sortierte Behälter, Schriftrollen und kleine Gegenstände auf einem Gestell, das er aufgebaut hatte.

Dabei murmelte er in sich hinein und nickte und zwinkerte aber gelegentlich Leuten aus der Menge zu. Besonders eine von den Zuschauerinnen, ein junges Mädchen mit langen Zöpfen und zarter Haut, schien ihn zu interessieren. Als er sich räusperte, um anzufangen, ruhten seine Augen einen Moment auf ihm.

Er fischte eine kleine Münze aus seinem Gewand, hielt sie in die Höhe und trug sie dann zum Rand der Lichtung, wo er sie einem krummbeinigen Bauern, der ihn mit offenem Mund anstarrte, auf die Stirn drückte. »Denk gut nach«, fing der Magier an. »Denk an etwas, das dir wichtig ist. Ein Wort oder zwei. Versuch nicht, einen schlauen, alten Zauberer reinzulegen…«

Der Bauer runzelte gewaltig die Stirn, denn das Denken war für ihn offenbar genauso mühsam wie das Pflügen. »Neue Kuh«, gab der Zauberer mit großer Geste bekannt, und über das Gesicht des Bauern ging ein erstaunter Ausdruck, der darauf hinwies, daß der Zauberer es richtig erraten hatte.

Dieser ging die Reihe weiter durch und kam zu dem Mädchen, das er beobachtet hatte. Ihr drückte er die Münze sanfter auf die Stirn und schaute ihr tief ins junge Gesicht. Im Gegensatz zu dem Bauern blieb ihre Miene unbeschwert. Der Zauberer schien gut zu überlegen, bevor er ausrief: »Ein junger Mann namens… Artis!« Sie klatschte entzückt in die Hände, als er etwas stirnrunzelnd weitermachte, als wäre er etwas enttäuscht über das, was ihre Gedanken verrieten.

Raistlin sah überrascht, daß die Hand mit der Münze sich nach ihm ausstreckte. Während er den Mann fest ansah, drückte der ihm die magische Münze auf seine verschwitzte Stirn. »Jetzt ein Kind. Kindergedanken sind leicht zu durchschauen«, verkündete der Magier, der sich vorbeugte, als würde er mit einem Ohr auf die Ansage der Münze lauschen. Raistlins Gesicht war entsetzt. Er wand sich ein bißchen, blieb aber wie angewurzelt stehen, weil er auf die Enthüllung wartete.

Wahrscheinlich bemerkte niemand außer Raistlin die Überraschung, die das Gesicht des Mannes kurz ausdrückte, als der sich um einen Einblick bemühte, der nicht kommen wollte. Der Magier in der gelben Robe beugte sich weiter vor, und die Zuschauer, die auf seine Worte warteten, folgten seinem Beispiel. Es gab eine Pause von mindestens einer Minute.

»Bonbons!« erklärte der Magier, der sich mit eindrucksvoller Geste aufrichtete. Die Zuschauer jubelten und klatschten. »Bonbons«, wiederholte der Zauberer, der sich wieder seinen anderen Utensilien zuwandte und einen weiteren vergeblichen Blick auf das hübsche, junge Mädchen warf.

Keiner achtete viel auf Raistlin. »Ich habe gar nicht an Bonbons gedacht«, sagte der leise vor sich hin. Aber er mußte zugeben, daß der alte Fuchs die Menge im Griff hatte. Der Junge kam näher, denn der Illusionist war bereits zu seinem nächsten Trick übergegangen.