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Raist hatte sie weggestoßen und sich mit rotem Kopf aufrecht ins Bett gesetzt. Seine Augen hatten gefunkelt.

»Wenn ich erst mal ein Zauberer bin«, schwor der kleine Junge, »dann wird sich keiner mehr um mich kümmern müssen! Ich werde es sein, der sich um Vater und Mutter und Caramon kümmert. Und ich werde auch für alle anderen sorgen, wenn ich es für nötig halte.«

»Große Reden«, sagte Kit freundlich, fuhr ihm durchs Haar und stellte den Rest der Salbe weg. »Genau wie dein Bruder.«

»Ja, großer Redner«, piepste Caramon schläfrig aus seinem Bett.

»Ihr werdet schon sehen«, sagte Raistlin.

»Schlaft jetzt, alle beide. Morgen ist ein großer Tag.«

Raist, der am Abend immer erschöpft war, war in sein Kissen zurückgesunken. Sein blasses Gesicht glänzte vor Schweiß. Seine Augenlider flatterten noch, und dann fiel er in einen unruhigen Schlaf.

Kit hatte Raist noch ein paar Minuten beobachtet, um sicherzugehen, daß er richtig schlief. Es war noch eine Gewohnheit, aus seiner Babyzeit, als sie ihn ständig beobachtet hatte und manchmal die ganze Nacht wachgeblieben war, damit sie merkte, falls seine Atmung aussetzte.

Um Caramon hingegen hatte sie sich nie sorgen müssen. Der schnarchte bereits zufrieden in dem kleinen Holzbett neben Raistlin an der Wand gegenüber von Rosamunds und Gilons Schlafkammer. Trotz all seiner Energie schlief Caramon meist noch vor seinem jüngeren Bruder.

An dem Morgen, an dem Raistlin den Zaubermeister aufsuchen sollte, lag Caramon noch im Bett. Er war so in sein Bettzeug verknäult, als hätte er im Traum mit einer Riesenschlange gekämpft. Als Gilon ihm erklärt hatte, er müsse zu Hause bleiben, hatte er protestiert, doch das hatte sich schnell gelegt, nachdem Rosamund versprochen hatte, sie würden Sonnenblumenbrötchen backen.

Rosamund ging es seit einiger Zeit etwas besser. Sie hatte angefangen, sich morgens richtig anzuziehen, sich regelmäßig die Haare zu kämmen und sie mit Perlen und Blumen zu schmücken. Ihr Gesicht, für gewöhnlich angespannt und angstgequält, wirkte in den letzten Wochen viel befreiter, ja beinahe glücklich.

Jetzt stand Kits Mutter am Küchentisch und machte Tee für die drei Ausflügler. Kit wich dem Blick ihrer Mutter aus, als sie hinging und sich eine Tasse holte. Und während Rosamund sich um das Feuer kümmerte, nahm Gilon, der gerade aus der Schlafkammer kam, Kit beiseite.

»Caramon weiß, daß er losrennen und Bigardus holen muß, falls Rosamund… falls… du weißt schon…«, brach er ab und blickte Kit ängstlich an.

»Falls sie durchdreht, meinst du«, sagte Kit direkt, ohne auf den verletzten Ausdruck zu achten, der über Gilons Gesicht glitt. »Ja. Caramon kann vielleicht sonst nichts für Mutter tun, aber jedenfalls kann er rennen. Und«, fügte sie hinzu, als sie sah, wie Gilons Besorgnis wuchs, »er braucht nicht lange zu Bigardus und zurück, solange er unterwegs keinen seiner dämlichen Freunde trifft und – «

»Vielleicht sollten wir doch nicht gehen«, sagte Gilon. »Ich meine, wenn du glaubst, daß deiner Mutter etwas passiert, oder daß Caramon ohne uns nicht zurechtkommt…« Zweifelnd hob er die Hände.

Es war Gilons Idee gewesen, heute der Zauberschule einen Besuch abzustatten. Kits Stiefvater hatte zwei lange Abende am Küchentisch verbracht und an einem Brief an den Zaubermeister gesessen, in dem er ihn bitten wollte, Raistlin als Schüler aufzunehmen. Auf der Suche nach den richtigen Worten, dem richtigen Ton, hatte er sich den Kopf zermartert. Aber er war mit keinem seiner vielen Entwürfe zufrieden gewesen, und am Ende des zweiten Abends war er aufgestanden, hatte das Papier zerknüllt und ins Feuer geworfen.

»Briefe sind so unpersönlich«, hatte er erklärt. Er werde selbst hingehen und für sein jüngstes Kind vorsprechen. Dann konnte der Zaubermeister gleich sehen, was für ein begabter Schüler Raistlin wäre.

Die Zauberschule lag irgendwo verborgen am Rand von Solace.

Ihre genaue Lage gab Anlaß zu Gerüchten und Klatsch, und Kit kannte niemanden, der glaubhaft versichern konnte, daß er wirklich dagewesen war. Doch der geradlinige, dickköpfige Gilon war entschlossen, sie zu finden. Kit wußte, daß Gilon Raists Zukunft genauso »sichern« wollte wie sie selbst, wenn auch aus anderen Gründen.

»Nein, nein, Caramon wird schon klarkommen. Nur Rosamund schafft das vielleicht nicht. Wir müssen einfach dreimal auf Holz klopfen«, meinte sie zu Gilon – ohne ihn besonders zu trösten.

Während ihres heimlichen Geflüsters war Caramon aufgewacht und schläfrig zum Tisch geschlurft, wo Rosamund Raistlin zu ein paar Löffeln Getreidebrei zu überreden versuchte. Kit sah, wie ihre Mutter sich mit liebevollem Lächeln Caramon zuwandte und ihn umarmte, bevor sie ihm eine große Schale Brei vorsetzte. Caramon vertilgte eifrig sein Frühstück und fragte mit vollem Mund, was es sonst noch zu essen gab.

Beide Jungen betrachteten ihre Mutter hingebungsvoll, denn sie waren offensichtlich entzückt, daß sie auf war und herumlief. Rosamund sah von ihrer Arbeit auf und begegnete Kits prüfendem Blick.

»Kitiara, willst du nicht auch etwas essen, bevor ihr aufbrecht? Ihr habt heute morgen einiges vor, und wer weiß, was für Gastfreundschaft euch an eurem Ziel erwartet«, sagte Rosamund freundlich.

»Mach dir um mich keine Sorgen, Mutter.« Kit mußte eine Schärfe in dieses Wort gelegt haben, die ihre Mutter zusammenzucken ließ. »Ich habe Brot und Käse eingepackt, genug für mich und Gilon und Raistlin. Ich kann mich gut um mich selbst kümmern – das mach’ ich schließlich seit Jahren. Fang bloß nicht an, dir jetzt Gedanken um mich zu machen.«

Rosamund wurde rot und wandte sich wieder den Zwillingen zu. Caramon, der sich eifrig Brei in den Mund schaufelte, hatte nicht auf den Wortwechsel geachtet, aber der immer aufmerksame Raistlin hatte stirnrunzelnd zugehört.

Gilon kam von draußen herein und löste die Spannung. »Mach zu, Raist. Wir wollen früh da sein, damit der Zaubermeister auch Zeit hat, uns zu empfangen. Kit, bist du fertig?«

Raistlin rutschte von seinem Stuhl, ließ sich von Rosamund das Gesicht abwischen und stellte sich zu Gilon an die Tür. Kit band den Beutel mit Vorräten zu, den sie vorbereitet hatte, und warf ihn sich über die Schulter. Gilon gab Rosamund einen sanften Kuß auf die Stirn und zögerte dann.

Offensichtlich war er immer noch hin und her gerissen, ob er sie und Caramon den Tag über allein lassen sollte.

Rosamund, die wie der Inbegriff einer – wenn auch etwas ungepflegten – Hausfrau aussah, zuckte angesichts seiner Besorgnis liebevoll mit den Schultern. »Geht schon«, drängte sie. »Wir kommen schon zurecht.«

Als sie das Haus verließen, hatte Caramon bereits den Mörser aus dem Geschirrschrank geholt und kniete auf einem Stuhl am Eßtisch, wo er entschlossen Sonnenblumenkerne zerquetschte, während seine Mutter strahlend vor Stolz zusah.

Kit ging als letzte. Sie beobachtete die häusliche Idylle, bevor sie die Tür zumachte, wobei sie gleichermaßen von Neid wie von Trotz erfaßt wurde. Sie haßte es, wie Gilon und die Zwillinge Rosamund während ihrer »normalen« Zeiten anhimmelten. Wenn ihre Mutter je etwas Zeit mit Kit allein verbracht hatte, dann war das so lange her, daß sie sich nicht mehr daran erinnern konnte.

Die drei stiegen über Hängebrücken und Rampen zwischen den Vallenholzbäumen auf einen der Wege hinunter, die sich zwischen den Stämmen der riesigen Bäume zum Südrand von Solace wanden. Kit, die zu Hause nicht gefrühstückt hatte, holte Schwarzbrot und Käse aus ihrem Sack und begann, im Gehen zu essen.

Gilon wurde langsamer, ließ sich neben sie zurückfallen, und sprach mit gesenkter Stimme, damit Raist ihn nicht hörte. »Auch wenn ich noch nie da war, müßte es ein Marsch von einer guten Stunde bis zu dem Ort sein, wo der Zaubermeister angeblich seine Schule hat. Hält Raist das durch? Sollten wir auf halber Strecke rasten? Wir wollen schließlich nicht, daß er allzu erschöpft dort ankommt.«