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Obwohl Kit wahrscheinlich nur ein paar Stunden geschlafen hatte, fühlte sie sich wie neugeboren. Sie hatte keine Angst mehr, sondern war richtig zuversichtlich. Sie sah sich nach den anderen um. Ursa stand auf, um ein kleines Feuer anzuzünden. Sie und Ursa befanden sich in einer kleinen Senke, die von Felsen und Büschen umgeben war. Ein gutes Versteck. Ursa mußte sie hierher getragen und Cinnamon gefunden haben.

»Wo sind El-Navar und die anderen?« fragte sie.

»Warten irgendwo«, sagte Ursa, der ihr den Rücken zukehrte. Seine Stimme klang betroffen. Er war damit beschäftigt, eine Brühe zu kochen – goß Wasser aus einer Feldflasche in eine große Blechtasse, fügte ein paar Zutaten aus den Behältern in seinem Gepäck dazu und hielt dann alles mit einer Astgabel über das Feuer.

Kitiara kam ans Feuer und setzte sich so hin, daß sie sein Gesicht richtig sehen konnte. »Haben sie euch verfolgt?« fragte sie besorgt.

»Dich?« fragte Ursa. Sein Ton verriet überhaupt nichts. »Ich habe sie vor Stunden abgeschüttelt«, erklärte Kit mit einem gewissen Stolz. »Zuerst dachten sie, ich wäre… du weißt schon, genau wie du gesagt hast.« Ihr Gesicht verdüsterte sich bei der Erinnerung an den gemeuchelten Edelmann. Falls Ursa das Zittern in ihrer Stimme bemerkt hatte, unterbrach er sie dennoch nicht.

»Aber dann«, fuhr Kit fort, »haben sie mich eine Weile durch die Berge gehetzt. Ich bin immer genau so weit vor ihnen geblieben, daß sie glaubten, sie könnten mich einholen.« Sie mußte etwas Kichern. »Als sie dann erschöpft aufgaben, schlug ich einen großen Bogen und kam hierher zurück, wo ich euch treffen sollte. Dann…« Ihre Stimme brach ab.

»Hier«, sagte Ursa, der ein Stück Stoff um die Blechtasse gewickelt hatte und sie ihr reichte.

»Was ist das?«

»Hat keinen Namen«, antwortete Ursa.

»Schmeckt gut«, meinte Kit, nachdem sie daran genippt hatte. Es schmeckte wie starker Tee, aber nahrhafter. Der Geschmack der Brühe erinnerte an eine Mischung aus Wurzeln und pulverisiertem Fisch. Kitiara hatte nicht gemerkt, wie hungrig sie war.

»Mhm«, machte Ursa nur. Sie wartete, daß er noch etwas anderes sagen würde, aber er saß bloß da und beobachtete sie minutenlang, bis sie die Tasse geleert hatte.

»Wo sind die anderen?« fragte sie wieder.

»Warten irgendwo«, wiederholte er.

»Das hast du schon gesagt.« Jetzt wurde Kit wütend.

Er starrte sie eine lange Minute an. »Sie kommen nicht«, sagte er, »und ich gehe auch bald.«

»Was soll das heißen?«

»Schau mal, sie wollten nicht einmal, daß ich herkomme«, erklärte Ursa schlicht. »Ich bin nur gekommen, um mich zu vergewissern, daß mit dir alles in Ordnung ist.«

»Warum?« wollte sie wissen. »Was soll das heißen? Was ist passiert?«

Er sah sie wieder lange an, bevor er antwortete. Dann stand er auf, um auf und ab zu laufen, ehe er sie ansah. »Ich finde, du hast ein Recht, es zu erfahren.«

»Was zu erfahren?«

Ursa setzte sich wieder, wobei er auf ihre Reaktion achtgab. »Die Zwerge in Silberloch bauen eine Straße durch die Berge. Der Trupp, den wir ausgeraubt haben, hatte ihren Lohn für ein halbes Jahr dabei – genug Gold und Silber, um uns vier für zehn oder sogar zwanzig Jahre reich zu machen.«

»Uns fünf«, korrigierte sie knapp.

Er ging nicht darauf ein.

»Die Straße«, fuhr Ursa ungerührt fort, »sollte zwei Landsitze auf beiden Seiten dieser Bergkette verbinden. Ohne die Straße braucht man Wochen, manchmal Monate, um von einem Gut zum anderen zu kommen. Eine direkte Verbindung würde die Zeit auf eine Woche oder höchstens zehn Tage verkürzen.«

»Ja, und?« fragte Kitiara. Warum erzählte er ihr das alles? Ursa seufzte. »Nun, Kitiara, wenn du ausnahmsweise mal zuhören könntest, anstatt mich dauernd zu unterbrechen… Es ist immer gut für einen Söldner, etwas mehr über seine Aufgabe zu wissen, als nur wann er kämpfen oder was er stehlen soll. Zum Beispiel wie und warum man etwas macht. Warum brauchen diese zwei Landgüter eine so teure, direkte Verbindung, und was haben wir damit zu tun?«

Kitiara mußte zugeben, daß das eine vernünftige Frage war. Sie schlug einen versöhnlicheren Ton an. »Gut«, meinte sie neugierig. »Weiter.«

»Auf der anderen Seite der Berge wohnt ein reicher Winzer, dessen Felder von Minotauren bestellt werden, die bei Schlachten im Ausland gefangengenommen wurden. Der Winzer ist als Lord Mantilla bekannt, ist aber genausowenig adlig, wie ich Barde aus Silvanesti bin. Die Minotauren kauft er zu hohen Preisen auf Sklavenauktionen. Dieser Winzer hat eine Tochter namens Luz, die sich auf einer Reise zu einer solchen Auktion in einen jungen Edelmann verliebt hat. Der junge Edelmann lebt auf der anderen Seite der Berge. Sein Vater ist ein eingebildeter Waldbesitzer, dessen Familie schon seit Generationen ein weiter Landstrich hier gehört, und dessen Sohn sein größter Stolz ist. Er ist wirklich von Adel, ein ehemaliger Ritter von Solamnia mit dem Namen Sir Gwatmey.«

»Ich verstehe«, sagte Kitiara mit großen Augen. Aber sie verstand gar nichts. Diese lange, nächtliche Erzählung erinnerte sie an jene Geschichten, die ihr Vater ihr immer erzählt hatte und bei denen sie meist eingeschlafen war. Aber jetzt war sie nicht schläfrig, und sie war sicher, daß Ursa auf etwas hinauswollte.

»Nein, du verstehst nicht«, sagte Ursa, wenn auch etwas freundlicher als zuvor. »Noch nicht. Als junger Mann hat der Winzer für den Förster gearbeitet, wurde jedoch schlecht entlohnt und beschuldigt, Vorräte aus dem Herrenhaus gestohlen zu haben. Nachdem er voller Wut davongezogen war, durchquerte er die Berge und gründete sein eigenes Gut, auf dem er ein neues Leben anfing. Das Schlimmste, was ihm passieren konnte, war die Heirat seiner Tochter mit dem Sohn seines Feindes, darum gab er sich alle Mühe, den Heiratsvertrag zunichte zu machen.

Aber das mußte er so tun, daß seine Tochter nichts von seinem Tun mitbekam, denn die hat ihren eigenen Kopf und hätte darauf bestanden, ihren Willen auch gegen den seinen durchzusetzen.«

»Hmmm.« Allmählich fügte sich eins zum anderen.

»Jetzt hat Radisson zufällig einen Bruder, der in Lord Mantillas Haushalt arbeitet. Radissons Bruder wurde beauftragt, eine Gruppe Söldner anzuheuern, die den Lohn abfangen sollten, um so den weiteren Bau der Straße durch die Berge zu stoppen, der Teil des Heiratsvertrags war. Die Lohnkiste war so wertvoll, daß der Förster seine Straße jetzt lange Zeit nicht mehr zu Ende bauen kann, vielleicht sogar nie mehr. Die Zwerge werden nicht weiterarbeiten, wenn sie von dem Überfall hören, und keine andere namhafte Kolonne von Straßenbauern wird den Fehler machen, die Aufgabe zu übernehmen. Keine Straße, keine Hochzeit.«

»Habt ihr die Kiste bekommen?« fragte Kitiara etwas verwirrt.

»Ja«, antwortete Ursa finster. »Drei von ihnen wurden getötet, aber von uns hat keiner auch nur einen Kratzer. Es ist uns gelungen, den Sohn des Edelmanns zu fangen und im Schutz der magischen Rauchwolke, die Trauerkloß zusammengebraut hat, zu entkommen. Dann hast du den Rest der Wachen auf einer wilden Jagd in die falsche Richtung geführt. Soweit ging alles glatt und wie geplant.«

»Aber warum feiern wir dann nicht? Was ist schief gegangen?«

»Etwas, womit wir nicht gerechnet hatten«, sagte Ursa mit bitter verzogenem Mund. »Auf der Truhe lag ein Zauber. Wir konnten sie nicht öffnen. Trauerkloß hat alles Erdenkliche versucht, aber seine Magie ist begrenzt, er kann im Grunde nur Illusionen erzeugen, aber nichts wirklich verändern. Wir haben alles versucht, um Beck – den Sohn des Edelmanns – dazu zu bewegen, uns das Geheimnis des Zaubers zu verraten. Aber Beck Gwatmey erwies sich als eingebildeter Pinsel, der uns weder etwas über die Truhe erzählte, noch davon abließ, uns die ganze Zeit zu erklären, wie er uns einsperren und hinrichten würde.«

Jetzt war Ursa aufgestanden. Er hatte ihr wieder den Rücken zugedreht und sprach mit vor Anspannung tiefer Stimme.