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»Ich habe seinen Körper gesehen«, meinte Kit leise.

»Das gehörte nicht zum Plan«, sagte Ursa rauh. »Das war El-Navar, der sich nicht im Zaum halten konnte.«

»El-Navar?« setzte Kit verwundert an.

Ursa fuhr herum und packte sie an den Schultern. »Er ist ein Gestaltwandler, du Dummchen! Weißt du denn gar nichts über Karnuthier? Warum sie in diesen Teilen der Welt nie auftauchen? Sie können sich in blutrünstige Panther verwandeln – können es und tun es, besonders bei Nacht. Das ist ihr wahres Wesen. Sie können nicht schwimmen und haben panische Angst vor Wasser, weshalb sie nie das Meer überqueren. Aber El-Navar wurde in seiner Heimat gefangengenommen und in einem Schiff über den Ozean gefahren. Auf dem Kontinent konnte er seinen Häschern entkommen, und dann habe ich ihn kennengelernt. Meistens kann er sich beherrschen, wenn er zum Panther wird. Er ist ein guter Gefährte. Aber manchmal überkommt es ihn einfach. Er nimmt seine Tierform an und…«

Kitiara war sprachlos. Mit glasigen Augen kämpfte sie mit der Vorstellung, daß El-Navar sich in einen Panther verwandeln konnte. Das erklärte den merkwürdigen Unterschied zwischen seinem Verhalten bei Tag und bei Nacht.

»El-Navar«, fuhr Ursa fort, »hat sich so aufgeregt, daß er sich vor unseren Augen verwandelte und Beck angriff. Er hat ihn zerrissen und gefressen. Es war unglaublich. So etwas habe ich noch nie gesehen. Bevor wir überlegen konnten, was wir tun sollten, war es auch schon vorbei. Ich weiß auch nicht, ob wir überhaupt etwas hätten ausrichten können, selbst wenn wir es versucht hätten.«

Jetzt machte Ursa eine Pause, denn ihm versagte die Stimme. »Das Komische ist«, fügte er nach einer Weile hinzu, »daß der Zauber auf der Truhe gebrochen war. Was es auch war, der Zauber hing mit Becks Leben zusammen. Als Beck tot dalag, war es auch mit dem Zauber vorbei. Wir konnten die Truhe öffnen, das Gold und das Silber nehmen und so schnell wie möglich vom Schauplatz dieses Alptraums verschwinden.«

Kitiara dachte schweigend nach. Jetzt begriff sie. »Und El-Navar?«

Ursa fuhr wütend herum. »Vergiß El-Navar«, sagte er zornig zu ihr. »Der ist davongerannt. Wir haben ihn eingeholt, aber da war er schon wieder… Mensch. Mach dir keine Sorgen um El-Navar. Du führst dich auf wie eine liebestolle Kuh.«

»Mit Liebe hat das gar nichts zu tun«, behauptete Kit nachdrücklich. Sie stand auf, um Ursa anzustarren.

Der sah ihr in die Augen. Sie hielt den Blick stand. Nach einem Moment trat er zurück und setzte sich müde hin. »El-Navar geht es gut«, erzählte er ihr ruhiger. »Sie warten ein paar Meilen weiter. Keiner wollte das Risiko eingehen, zum Treffpunkt zurückzukehren.«

»Na, großartig«, schnaubte Kitiara, die sich wieder setzte.

»Dann bin ich also die einzige, die sich noch als Teil der Gruppe betrachtet.«

»Ich bin zurückgekommen«, betonte Ursa. Er schlug die Augen auf, um sie anzusehen, und sie nickte dankbar.

Einen Augenblick herrschte Stille. Sie waren von Schwärze umgeben und sahen sich über das kleine Feuer hinweg an.

»Trotzdem«, fügte er sorgenvoll hinzu, »ist es eine üble Sache. Keiner hat uns beauftragt, Beck zu töten. Sir Gwatmey wird ein Kopfgeld auf uns aussetzen, und ich habe keine Ahnung, wie Lord Mantilla die Nachricht aufnehmen wird. Wenn er schlau ist, sagt und unternimmt er gar nichts. Er haßt die Familie Gwatmey. Aber die ganze Geschichte könnte unter Umständen auf ihn zurückfallen. Und was El-Navar getan hat, könnte darauf hinweisen, daß ein Karnuthier bei uns ist, und jeden seiner Kameraden verraten.«

»Das heißt?« fragte Kitiara.

»Das heißt«, erwiderte Ursa, »daß ich es für das Allerbeste halte, wenn wir uns eine Zeitlang trennen, diesen Teil der Welt völlig meiden und nicht auffallen. Wir lassen Gras über die Sache wachsen. Warten wir ab, was passiert.«

Kitiara dachte darüber nach. »Na schön«, stimmte sie zu. »Gib mir meinen Anteil. Ich wollte ursprünglich sowieso nur bei dieser einen Sache mitmachen.«

»Du hast nicht verstanden«, sagte Ursa, der aufstand und zu seinem Pferd ging, um am Sattel und an den Zügeln herumzufummeln. Er drehte sich um und sah sie an. »Du hast nie zu uns gehört. Wir haben dich nur gebraucht, um den Plan zu vereinfachen, um Radisson zu ersetzen, damit der uns beim Angriff helfen konnte. Du bekommst keinen Anteil.«

»Was?« Kit sprang auf und stürzte sich mit gezücktem Messer auf ihn. Aber Ursa bewegte sich noch schneller und ergriff sie am Handgelenk. Er bog es zurück, bis das Messer ihr ins Gesicht zeigte. Mit der anderen Hand schlug er sie kräftig ins Gesicht. Dann entwand er ihr das Messer und stieß sie weg.

»Sie würden nicht zulassen, daß ich dir einen Teil gebe«, sagte er wie zur Entschuldigung. »Selbst wenn ich wollte.«

Kitiaras Gesicht war vor Wut verzerrt. Sie machte wieder einen Schritt auf Ursa zu, doch der drohte ihr mit dem Messer, und sie wich zurück.

»Wenigstens bin ich zurückgekommen«, betonte er zwischen zusammengepreßten Zähnen. »Ich bin zurückgekommen, um zu sehen, ob es dir gutgeht. Die anderen wollten weiterreiten.«

»Na dann herzlichen Dank«, spie Kit heraus. Sie sah sich nach einer anderen Waffe um, nach etwas, egal, was, womit sie werfen konnte, aber es gab nichts.

Ursa beobachtete sie einen Augenblick lang, bis er sicher war, daß sie wirklich nichts fand. Dann drehte er sich zu seinem Pferd um, band ein langes Bündel los, das in einen dünnen Leinenstoff eingewickelt war, und warf es ihr vor die Füße.

»Was ist das?« fragte sie verächtlich, ohne es richtig anzusehen.

»Mach’s auf«, sagte er.

Vorsichtig bückte sich Kit und löste die Schnüre und den Stoff, bis sie eine beschlagene Lederscheide in der Hand hielt, aus der sie ein Kurzschwert zog: beinerner Griff, schwere, geätzte Klinge, Heft und Handschutz mit winzigen, glitzernden Steinen geschmückt. Es war das hinreißendste Schwert, das sie je in der Hand gehabt hatte.

»Gehört dir«, sagte Ursa. »Das ist soviel wert wie ein gutes Pferd.«

»Wieso ich?« fragte Kit mißtrauisch, während sie es ausprobierte.

»Becks Schwert«, sagte Ursa ungerührt. »Offensichtlich von persönlicher Bedeutung, vielleicht ein Erbstück. Das einzige, was wir damit machen könnten, wäre, es zu vergraben. Du kannst es nach Solace mitnehmen; das ist weit genug weg. Du bist die letzte, die bei diesem Auftrag dazugestoßen ist. Keiner weiß, daß du bei uns warst. Du bist sicher – aber ich würde es einige Zeit lang nicht herumzeigen.«

Ursa wartete auf ihre Reaktion. Kit starrte zufrieden auf das Schwert in ihrer Hand, doch als sie Ursa wieder ansah, waren ihre Augen hart und unversöhnlich.

»Du mußtest sowieso zurückkommen, um Beck zu begraben«, sagte Kit anklagend.

Ursas Gesicht wurde stur. »Vielleicht«, erwiderte er. Er wartete, doch als Kit nichts mehr sagte, wollte er aufsitzen. In dem Moment, als er ihr den Rücken zudrehte, wußte Ursa, daß er einen Fehler gemacht hatte.

Der Söldner spürte, wie sich ihm eine scharfe Spitze in den Rücken bohrte. Aus der Wunde tröpfelte Blut.

»Nicht so schnell«, zischte Kitiara.

Langsam drehte er sich um.

Jetzt fuhr die Schwertspitze bis in Brusthöhe hoch und ritzte wieder seine Haut.

»Danke für das Schwert«, sagte Kitiara. »Ich will meinen Anteil.«

»Spiel doch nicht verrückt«, sagte Ursa gereizt.

Kit zuckte kurz mit der Schwertspitze, wodurch sie ihm eine weitere kleine Wunde zufügte. »Ich habe nichts dabei«, sagte Ursa verbissen.

»Dann sollten wir aufbrechen und etwas holen«, beharrte Kit.

»Sie würden dir nie etwas geben«, warnte Ursa. »Sie würden dich umbringen und mich von dir umbringen lassen, falls nötig, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.«

»Was für ein Pech für dich«, sagte Kitiara. Sie stieß noch einmal mit dem Schwert zu, und die Wunde blutete stärker. Doch als sie das tat, überraschte der Söldner sie, indem er mit erstaunlicher Geschwindigkeit Zugriff und ihr Schwert an der Klinge festhielt. Sie hatte übersehen – wie blöd! –, daß seine Hand in einem dicken Lederhandschuh steckte. Und obwohl das Schwert tief in das Leder einschnitt, konnte Ursa es fest anfassen und fortreißen, bevor Kit reagieren konnte.