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»Ich heiße Piggott, wie in ›Piggotts Gastliches Haus‹. He, Mita, bring der Neuen was von der Suppe, die dir da anbrennt«, brüllte Piggott dem schmalen Halbwüchsigen zu, der sich in der Ecke herumdrückte.

Er wandte sich wieder Kit zu. »Du arbeitest in der Abendschicht; dann sehen wir ja, wie’s klappt. Ein Teller jetzt, und hinterher soviel du essen kannst. Das ist die Grundregel. Falls dir die Arbeit ausgeht, werde ich mir etwas anderes für dich überlegen.« Er sah sie bedeutsam an, bevor er durch die Tür verschwand, die in die Gaststube führte.

»Was ist mit meinem Pferd?« rief Kit ihm nach. »Ich hab’s hinten festgemacht.«

Piggott blieb stehen, um Kit einen Blick über die Schulter zuzuwerfen. »Wenn ich auch noch dein Pferd durchfüttern soll, dann rechne mal damit, daß du auch noch morgen früh bleiben mußt. Ich bin kein Wohlfahrtsverein. Auf die eine oder andere Weise«, er zwinkerte ihr lüstern zu, »mußt du bezahlen, was du kriegst.«

Kit war zu müde, zu ausgelaugt und zu hungrig, um ihm die Schimpfworte an den Kopf zu werfen, die er verdient hatte. Erschöpft sank sie vor dem Tisch auf eine Bank. Der Junge mit dem Namen Mita brachte ihr einen Teller Suppe, den er ihr hinstellte. Kit löffelte sie hungrig in sich hinein, obwohl sie so heiß war, daß sie sich den Mund verbrannte. Immerhin schmeckte es.

Mita hing an der Tischkante herum. Er hatte gelbe Haare, die wie Getreidehalme raschelten, ein pockennarbiges Gesicht und eine rosa Zunge.

»Also«, sagte Kit nach den ersten Löffeln, »wenn du darauf wartest, daß ich dir erkläre, wie gut es schmeckt – es ist gar nicht übel, könnte aber mehr Pfeffer vertragen. Mein Vater hat immer gesagt, im Zweifelsfall mehr Pfeffer. Und Piggott hat recht. Du hast es anbrennen lassen.«

Offenbar enttäuscht zog der Junge seine rosa Zunge ein und drehte sich wortlos um. Als er zum Herd ging, fiel Kit auf, daß er leicht hinkte. Aus irgendeinem Grund erinnerte er sie an Raistlin, wodurch er Kit sofort sympathischer wurde. Es war besser, hier einen Verbündeten zu haben als einen Feind, überlegte Kit ganz vernünftig.

»Ich heiße Kitiara«, rief sie ihm etwas umgänglicher nach. »Du bist doch nicht etwa der Sohn von diesem Deppen? Ich hoffe nicht. Ich wäre lieber seine Sklavin als mit ihm verwandt.«

Mita drehte sich zurück und verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. Er war fast so schmierig wie die ganze Küche, aber sein Lächeln war offen und herzlich. »Ich bekomme ein bißchen Lohn und mein Essen. Schlafen tue ich in der Scheune.«

»Heute nacht«, sagte Kit, die sein Lächeln erwiderte, »schlafe ich auch in der Scheune.«

Sie widmete sich wieder ihrer Suppe, von der sie jetzt den Rest herunterschlang. Mita ging nach draußen, um sich für sie um Cinnamon zu kümmern, und als er wiederkam, hatte sich Kit bereits an die Arbeit gemacht und stapelte das Geschirr in einem leeren Holzbottich.

»Hol erst mal Wasser aus dem Brunnen im Hof«, befahl sie. »Bring gleich zwei Eimer, wenn’s geht. Wir müssen hier mal richtig aufräumen.«

Mita zögerte einen Augenblick, als ob er mit sich ringen würde, ob er die Autorität akzeptieren sollte, die Kitiara sich anmaßte. Er war ungefähr so alt wie sie, eher ein oder zwei Jahre älter.

Langsam wurde das Stimmengemurmel im Gastraum lauter, denn die Leute kamen zum Abendessen. Mita zuckte mit den Schultern, nahm zwei Eimer und lief nach draußen.

Bald schrie Piggott Zahlen hinein, und Kit und Mita gaben sich alle Mühe mitzuhalten. Es gab jeden Abend nur ein Gericht, immer irgendeine Suppe, und die Zahlen sagten ihnen, wieviel Teller sie auftischen sollten. Schon kurz darauf waren Mita und Kit damit beschäftigt, die Teller zu füllen, ob sie nun vorher gespült worden waren oder nicht.

»Keine Sorge, keiner erwartet Reinlichkeit, wenn er bei Piggott ißt«, erklärte Mita Kit gutgelaunt, während er mit einem gebrauchten Teller hereinfegte, ihn mit einem schmutzigen Tuch auswischte, welches ihm an der Hüfte hing, und eine Portion für den nächsten Gast auflud.

»Jedenfalls nicht die Leute von hier. Die, die sich beschweren, sind meist Durchreisende und kommen sowieso kein zweites Mal. Das hier ist meilenweit der einzige Ort, wo man etwas Warmes zu essen kriegt.«

Während Kit mit leeren und vollen Suppentellern zwischen Küche und Gaststube hin und her flitzte, hatte sie kaum Zeit, sich vorne umzusehen. Am einen Ende des Raums, bei der Küchentür, stand der Schanktisch, wo Piggott Getränke ausgab und Bestellungen annahm. Unten am Boden standen dicht an dicht bunte Flaschen, und in Augenhöhe waren billige, gerahmte Malereien von verschneiten Berggipfeln und rauschenden Wasserfällen aufgehängt.

Die Kundschaft bestand größtenteils aus Zwergen, und dazu kamen ein paar schmutzstarrende Menschen. Zum größten Teil waren es Bergarbeiter oder Holzfäller; ein paar gehörten zu den Straßenbauern, wie man an ihren reichbestickten Kleidern, den Rucksäcken und den Werkzeuggürteln erkennen konnte. Die Stimmen waren schrill, und wenn Kitiara an den Tischen vorbeikam, konnte sie nur Fetzen der aufgeregten Gespräche auffangen.

»Das war ein abgekartetes Spiel, ein verdammter Trick, wenn du mich fragst… «

»Es heißt, Sir Gwatmeys Sohn selbst wäre umgekommen…«

»Ich glaub’s trotzdem nicht und werde es erst glauben, wenn ich auf den Beweis spucken kann…«

»Trink lieber noch einen von dem Zeug da, dann schläfst du ein und machst dir gleich hier in die Hosen…«

»Gehst du wieder an die Arbeit…?«

»Wofür hältst du mich, du Gossenzwerg? Ich laß mich doch nicht an der Nase herumführen…«

Kitiara spitzte die Ohren, während sie sich unbefangen zwischen den schimpfenden Gästen hindurch schlängelte, denn ihr schenkte niemand große Aufmerksamkeit. Und niemand versuchte, die junge Frau mit dem Verbrechen – oder dem miesen Trick, wie manche sagten – in Verbindung zu bringen, das sie alle in Aufruhr versetzt hatte: dem Überfall auf die Boten mit der Lohntruhe für die Straßenbauer.

»Irgendwer hat sich mit einem Vermögen abgesetzt«, erzählte Mita, als der größte Andrang vorbei war und sie Zeit zum Reden hatten. »Die Zwerge glauben, daß alles getürkt ist, damit sie noch etwas länger umsonst arbeiten. Zwerge sind von Natur aus schlau und mißtrauisch«, fügte er wissend hinzu, »und sie lassen sich nicht gern zum Narren halten.«

»Gab es Verletzte?« fragte Kitiara unschuldig – zumindest hoffte sie, daß die Frage unschuldig klang.

»Nur ein junger Edelmann«, meinte Mita schulterzuckend. »Die Räuber haben ihn gleich umgebracht, allerdings so, als wenn es ein wildes Tier war, was einer der Gründe ist, warum den Zwergen das Ganze verdächtig vorkommt. Eins steht fest: Zwerge arbeiten nicht auf Pump, und diese Straße wird jetzt nie zu Ende gebaut.«

»Wird da nicht Piggotts Wirtschaft drunter leiden?« fragte Kit.

»Ein bißchen«, räumte Mita ein. »Am Anfang. Aber es gibt anscheinend endlos viele Zwerge und Wanderer. Und wer in dieser Gegend eine warme Mahlzeit, harte Getränke und« – er senkte seine Stimme etwas entschuldigend – »weibliche Gesellschaft will, der muß nach Stumpfhausen kommen.«

Kit und Mita hatten Suppe serviert, bis der gußeiserne Kessel fast leer war und Piggott die Küche für geschlossen erklärte. Zu diesem Zeitpunkt war die Zahl der Gäste im Schankraum bereits beträchtlich zusammengeschrumpft.

»Nach dem Essen bleiben nicht viele Gäste«, vertraute Mita ihr an, der in der Küche herumhinkte und leere Teller zum Abwaschen auftürmte. »Piggott tut Wasser ins Bier, und das machen sie auf der anderen Seite vom Dorf nicht.«

»Auf der anderen Seite?« fragte Kit. »Ich dachte, du hättest gesagt, daß es nur hier etwas Warmes zu essen gibt?«

»Das stimmt auch«, sagte Mita, während er abermals die Stimme senkte, »das Wirtshaus da drüben ist… na, du weißt schon… wovon Piggott es vorhin hatte. Frauen, die sich an Männer verkaufen. Sogar an Zwerge, wenn sie bezahlen können.«

Mita lief rot an. Kit warf ihm einen verächtlichen Blick zu, denn sie war nicht im geringsten beleidigt oder beschämt. Mita machte sich am Feuer zu schaffen. Piggott war vorne in der Gaststube eingenickt. Es waren nur noch ein oder zwei Gäste da, die über ihren Krügen hockten. Piggott hing durchdringend schnarchend ausgestreckt über einem Tisch.