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In diesem Moment rauschte Piggott in die Küche, den die große Zahl Frühstücksgäste etwas besänftigt hatte.

Trotzdem hatte er rein aus Gewohnheit lospoltern wollen.

Seine Augen verrieten seine Überraschung. Kit nahm den fetten Wirt beiseite.

»Nach dem Frühstück würde ich gern mit Euch reden, ob ich ein Weilchen hier bleiben sollte – gegen Bezahlung.«

Als Piggott sah, wie gut es in der Küche lief, nickte er.

Mita, der die Bemerkung mitbekommen hatte, lächelte in sich hinein.

Piggott erklärte sich einverstanden, Kit zusätzlich zu freier Kost und Unterkunft für sich und Cinnamon jede Woche einen kleinen Betrag zu zahlen.

Etwas Ordnung in die chaotische Küche zu bringen, war für Kit nicht allzuschwer. Mita erwies sich als bereitwilliger und lernfähiger Küchenjunge. Und Paulus Zugbrücke, der ungerührt seine Pflicht tat, leistete gute Arbeit. Mit einem Lächeln und einem Scherz auf Piggotts Kosten konnte Kit die beiden Helfer bei Laune halten, während sie sie zu schnellerer Arbeit antrieb.

Nur langsam konnte Kit etwas Geld sparen, doch falls sie gezwungen wäre, nach Solace zurückzukehren, würde sie sich wenigstens nicht ohne einen Heller zurückschleichen müssen.

Nach einem anstrengenden Tag erwischte sich Kit, wenn sie abends in der Scheune lag, häufig dabei, wie sie an ihr Zuhause und besonders an ihre Zwillingsbrüder dachte. Sie fragte sich, ob Raist in der Zauberschule gut zurechtkam und ob Caramon auch gut auf ihn aufpaßte. Sie genoß diese Woche ohne ihre Geschwister, aber eigentlich war sie schon fast entschlossen zurückzukehren.

Wenn Kit eine Ahnung gehabt hätte, wo ihr Vater steckte, wäre sie dorthin gezogen oder zumindest in die Richtung. Während ihrer ersten Tage im Gasthaus hatte Kit viele Entschuldigungen gefunden, in den Wirtsraum zu gehen, wo sie stets die Anwesenden genau betrachtete. Vielleicht würde sie ein bekanntes Gesicht entdecken – Gregors oder sogar Ursas. Aber nie tauchte jemand auf, den sie kannte.

Hin und wieder kamen grauhaarige Krieger oder umherstreifende Ritter von Solamnia vorbei. Kit drängte sich dann darum, an ihren Tischen zu bedienen. Und wenn sie ein paar Worte wechseln konnte, fragte sie stets, ob sie je von einem gewissen Gregor Uth Matar gehört hätten, dem berühmten Söldner.

Manche hatten von Gregor gehört, jedenfalls glaubten sie es, aber keiner konnte ihr zuverlässig sagen, wo er sich befand.

Nach eine Weile fragte Kit nicht mehr.

Anfangs wurde viel über den Überfall auf Sir Gwatmeys Lohnkistentrupp geredet. Das Wenige, was bekannt war, und die auf nichts basierenden Gerüchte erregten sowohl die Gemüter der Reisenden als auch die der Ansässigen. Aber letztendlich hatte man keinen von den Räubern erkannt, festgenommen oder erwischt. Die Verlobte des jungen Mannes, jenseits der Berge, hatte eine schwindelerregend hohe Belohnung auf die Mördern ausgesetzt – angeblich dreimal so hoch wie der Betrag in der Kiste. Hinter vorgehaltener Hand hieß es, Lady Mantilla hätte sich der schwarzen Magie zugewandt und würde eine ansehnliche Zahl Spione und Zauberer beschäftigen, wenn auch bisher erfolglos.

Kit blieb meistens in Piggotts Haus, denn sie hatte wenig Lust, in Stumpfhausen herumzulungern. Sie hielt es für klüger, keine Aufmerksamkeit zu erregen. Becks Schwert blieb unter ein paar Büschen liegen, wohin sich keiner freiwillig begab.

Einige Zeit später legte sich das Gerede, bis schließlich niemand mehr über den Raubüberfall sprach. Kit gab die Hoffnung auf, Ursa jemals aufzuspüren und den ihr zustehenden Teil der Beute zu bekommen. Die ganze Sache schien ihr immer ferner. Da sie zum ersten Mal seit Jahren nicht für ihre Halbbrüder zu sorgen hatte und sogar etwas Geld in der Tasche hatte, genoß Kit ihre Unabhängigkeit.

Auch Mitas Gesellschaft trug dazu bei, ihr die Zeit angenehm zu machen. Für sie war der Junge wie ein weiterer kleiner Bruder, auch wenn sie gleichaltrig waren. Obwohl sie den Verdacht hegte, daß Mita ihr gegenüber romantischere Gefühle hegte, war Kit dankbar, daß er nie etwas in dieser Hinsicht äußerte. Rein platonisch schliefen sie jede Nacht wenige Meter voneinander entfernt und fühlten sich sehr wohl dabei.

An einem trüben Nachmittag, als sie zusammen im Hof die Eier von Piggotts Hennen suchten, fragte Kitiara Mita, warum er hinkte.

»Weiß ich eigentlich nicht genau«, sagte er mit gesenkten Augen, weil sie ein unangenehmes Thema angeschnitten hatte. »Hab’ ich schon immer getan. Früher habe ich gar nicht weit von hier bei meiner Großmutter gewohnt. Sie hatte eine Ziegenherde. Wenn ich sie fragte, wie es passiert ist, hat sie mir nicht geantwortet. Sie hat nur den Kopf geschüttelt und irgendwie traurig zur Seite geguckt. Piggott hat vermutet, daß mir bestimmt mal eine große Ziege von ihr aufs Bein getreten ist, und zwar deswegen.«

Mita zog sein Hosenbein hoch, um ihr eine rundliche Narbe an dem verkürzten, rechten Bein zu zeigen, das er schonte. Kit betrachtete die Narbe, war aber kaum davon überzeugt, daß sie von einem Huftritt stammte.

»Was haben deine Eltern gesagt, wenn du sie gefragt hast?«

»Ich hab’ sie nicht gefragt. Hab’ sie nie gekannt. Ich kann mich nur daran erinnern, wie ich bei meiner Großmutter gelebt habe.«

Kit stand dicht neben Mita, und als ihre Augen sich trafen, hatte sie das merkwürdige Gefühl, er würde gleich versuchen, sie zu küssen. Aber der Moment verstrich. Welch ein Unterschied zu El-Navars dreister Selbstsicherheit, mußte Kit unwillkürlich denken.

Piggott war lange nicht so zurückhaltend wie Mita. Mehr als einmal hatte sich der fette, schmierige Wirt lüstern direkt vor Kit aufgebaut und etwas Unverschämtes von sich gegeben. Aber Piggott drängte nie weiter, wenn Kitiara ihn abblitzen ließ. Er wußte, daß sie stets ein kleines Messer dabei hatte, das sie in ihrer Tunika verbarg.

Das eine Mal, wo Piggott ihr doch zu nahe auf die Pelle gerückt und sein heißer Bieratem ihr ins Gesicht geschlagen war, hatte Kit das Messer gezogen und ihm die Spitze gegen seinen gewölbten Bauch gehalten. »Meine Güte, sind wir aber zugänglich«, hatte Piggott gekrächzt, doch er hatte nicht mehr bedrohlich geklungen, seine Stimme und seine Augen schweiften nervös herum, weil er eine Möglichkeit suchte, sich ohne Gesichtsverlust zurückzuziehen.

Piggott hatte gewöhnlich schlechte Laune. Hin und wieder schlug er Mita auf den Hinterkopf und schimpfte ihn aus. Oder wenn der Zwerg, der zu ihrer Mannschaft gehörte, einen Teller fallen ließ oder zu spät kam, kürzte Piggott allen den Lohn.

Eines Morgens im Spätsommer wachte Kitiara mit dem Entschluß auf zu gehen. Eigentlich nicht wegen Piggott – mit dem wurde sie fertig –, eher weil die Aussichten auf Abenteuer in Stumpfhausen mager waren. Sie hatte genug Geld; sie war lange genug von Solace fortgewesen – jetzt konnte sie nach Hause zurückkehren.

Sie erzählte es gleich Mita, und der überraschte sie mit der Erklärung, daß er mitkommen würde. »Ich habe Piggotts Schikanen satt«, meinte er. »Ich habe eine ganze Stange Geld gespart und gehe mit dir.«

»Was ist mit deiner Großmutter?« fragte Kit. »Wird sie dich nicht vermissen.«

»Ach, die ist vor drei Jahren gestorben«, sagte Mita wie selbstverständlich. »Darum habe ich damals überhaupt bei Piggott angefangen und bin hier eingezogen.«

Kitiara erklärte ihm, sie gehe schließlich nach Hause, um sich um ihre kleinen Brüder zu kümmern, und Mita könne nicht mitkommen und bei ihr bleiben, und in Solace würde es ihm sowieso nicht gefallen. Mita antwortete, daß er sie dann eben einen Teil des Weges begleiten und irgendwo unterwegs nach Süden in Richtung Haven abbiegen würde. Kit zuckte mit den Schultern. Mita wurde so aufgeregt, daß Kitiara sich von seiner Stimmung anstecken ließ und auch ganz begeistert war. Gemeinsam eilten sie in der Scheune herum und packten gleich ihre wenigen Habseligkeiten zusammen.

Als Kitiara und Mita später in der Küche vor der eigentlichen Frühstückszeit herumtuschelten und lachten, landete plötzlich auf Kitiaras Rücken klatschend eine Hand. Sie drehte sich um; Paulus starrte sie ungewöhnlich grimmig an.