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»Aha, unsere Abenteurerin ist wieder da! Du bist in den letzten paar Monaten bestimmt eine ganze Handbreit gewachsen. Willkommen daheim, Kit.«

Sie war in der Zeit wirklich gewachsen, körperlich und auch sonst. Gilon bemerkte, daß Kit nicht einfach jugendliche Großspurigkeit an den Tag legte, sondern echte Selbstsicherheit. Und während man sie bei flüchtigem Hinsehen immer noch für einen Jungen halten konnte, war das nicht mehr möglich, wenn sie mit ihrem schiefen Lächeln und den strahlenden Augen direkt vor einem stand.

Gilon warf das Essen, das er mitgebracht hatte, auf den Tisch. In diesem Moment schlurfte Rosamund mit trüben Augen aus ihrer Schlafkammer. Ihr Gesicht zeigte keinerlei Regung, weder Kit noch sonst jemandem im Raum gegenüber. Ihre Haare waren ungekämmt, und sie hatte offensichtlich in ihren Kleidern geschlafen.

Kit runzelte die Stirn. Gilon sprang hin und führte ihre Mutter in die Schlafkammer zurück, wobei er beruhigend auf Rosamund einredete. Die Zwillinge, die mit ihren neuen Sachen beschäftigt waren und wahrscheinlich an die geisterhaften Auftritte ihrer Mutter gewöhnt waren, nahmen kaum davon Notiz.

Gilon kam wieder herein. »Ich fürchte, es wird noch etwas dauern, bis wir essen können«, sagte er entschuldigend zu Kit, »und es gibt nicht viel. Ich bin beim Kochen nicht so geschickt wie du.«

Anscheinend hat sich das Schicksal verschworen, mir meinen Platz in der Küche zu erhalten, dachte Kit bei sich. »Setz dich, Gilon«, meinte sie seufzend. »Ich mach’ das. Ich bin nicht aus der Übung gekommen, besonders in den letzten paar Wochen.«

Während sie ein Wiedersehensessen zubereitete, unterhielt Kit Gilon und die Zwillinge mit ausgewählten Geschichten von ihren Abenteuern. Ursa wurde darin zu Trubaugh, denn sie hielt es für klüger, so viel wie möglich von ihm zu verschleiern, einschließlich seines Namens. Er war ein geheimnisvoller Mann, den sie auf dem Frühlingsmarkt kennengelernt hatte und der geschworen hatte, er wüßte, wo ihr Vater wäre. Er wollte sie zu ihm bringen, weit nach Nordwesten, wenn sie für ihn und seine Kumpane kochen würde. Als sich herausstellte, daß er sie für schändliche Zwecke mitgelockt hatte – an dieser Stelle runzelte sie die Stirn, um anzudeuten, daß diese Beweggründe lieber nicht angesprochen werden sollten –, erleichterte sie diesen Trubaugh um einen Teil seiner Börse und ließ ihn und seine unselige Bande mitten in der Nacht zurück.

»Gut für dich!« sagte Caramon bewundernd.

»Ja, er hatte Schlimmeres verdient«, fiel Raistlin ein.

»Was war mit Gregor?« fragte Gilon zögernd. »Wußte Trubaugh wirklich etwas? Oder war alles gelogen?«

»Lüge, wie alles bei Trubaugh«, sagte Kitiara, die betrübt den Kopf schüttelte.

Nachdem sie Trubaugh verlassen hatte, fuhr Kit fort, hatte sie sich über gefährliche Bergpfade bis zu dem Örtchen Drachenkopf durchgeschlagen, das von Bergleuten und Holzfällern bewohnt wurde. Das klang besser als ›Stumpfhausen‹, fand sie und war auf ihren Einfallsreichtum ziemlich stolz.

In dem Gasthaus des Ortes ließ es sich gut leben, und dort fand sie für einige Wochen Arbeit und Freunde. Aus Piggott wurde ein lächerlicher Trunkenbold, und das buntgemischte Publikum, das sein Haus besuchte, bekam lauter passende, komische Rollen zugewiesen. Sie erwähnte die richtigen Namen nicht und ließ ihre schlechten Erfahrungen aus. Gilon und Caramon lachten herzlich über ihre phantasievolle Fassung der Ereignisse, Kitiara merkte jedoch, wie Raistlin sie nachdenklich anblickte.

Caramon, der normalerweise leicht hinters Licht zu führen war, stellte Unmengen von unschuldigen Fragen über die Zeit, in der sie fort gewesen war, und Kit druckste herum, während sie nach passenden Antworten suchte.

»Na los, hast du denn die ganze Zeit nicht gekämpft? Bestimmt doch. Mit wem? Mit diesem komischen Trubaugh oder mit einem aus dem Gasthaus? Was für Waffen hattet ihr? Hast du gewonnen?«

Kit lächelte nur und fuhr ihrem Bruder durchs Haar. »Mal dir nicht soviel aus, Caramon. Habe ich etwa Narben?«

Als sie alles abstritt, wirkte Caramon niedergeschlagen, doch Gilon und Raist sahen sie voller Skepsis an.

»Was ist mit dir?« fragte Kit Caramon, um abrupt das Thema zu wechseln. »Hast du mit deinem Schwert geübt? Und wie ist die Zauberschule, Raist?«

»Naja, ich hatte keinen zum Üben, aber ich hab’s doch ganz ordentlich hingekriegt«, prahlte Caramon. »Weißt du noch, dieser Scheinangriff mit der Parade, den du mir gezeigt hast? Das kann ich jetzt perfekt. Ich zeig’s dir nach dem Essen, ja?«

»Und die Zauberschule?« beharrte Kit.

Raistlin schaute auf seinen Teller. Kit fiel auf, daß Gilon Caramons Zwilling bittend ansah.

»Ich kenne schon die meisten der Jungen, die das erste Jahr bei Morat sind«, antwortete Raist mit leiser Stimme.

»Prima!« rief Kit begeistert aus. »Und was ist mit Freunden? Hast du schon welche gefunden?«

»Ich habe eigentlich nicht viel mit den anderen Jungs dort zu tun«, antwortete er, während er stur seinen Teller anstarrte.

Kits und Gilons Blicke trafen sich. Scheinbar unbeschwert zuckte sie mit den Schultern. »Wahrscheinlich sind das alles verzogene kleine Bücherwürmer«, meinte Kit. In ihren Augen gab es viel wichtigere Dinge, als der Beliebteste aus der Klasse zu sein.

Gilon stand vom Tisch auf, um Rosamund dazu zu bewegen, etwas zu essen. Kitiara blieb sitzen, um mit den Zwillingen herumzuflachsen und ihre Bewunderung zu genießen. Als Gilon unverrichteter Dinge zurückkam, war Kit an der Reihe aufzustehen, jedoch nur für einen Augenblick. Sie kam mit einem kleinen Beutel in der Hand zurück, den sie vor Gilon auf dem Tisch ausleerte. Es war ein kleiner Haufen Kupfer- und Silberstücke.

»Ich weiß nicht, wie lange ich hier bleibe, aber ich möchte mein Zimmer und mein Essen so lange bezahlen. Das sollte reichen.«

Die Zwillinge staunten angesichts der Münzen. So viel Geld auf einem Haufen hatten sie ihr ganzes Leben noch nicht gesehen. Gilon war einen Moment sprachlos.

Als er anfing, die Geldstücke vom Tisch zu nehmen, sagte der große Holzfäller schließlich sichtlich bewegt: »Danke, Kitiara. Das hilft uns sehr.«

Kit hatte die große Geste genossen, und sie wollte wirklich helfen. Aber als sie sah, wie Gilon das Geld zählte, fühlte sie doch einen Stich. Sie war auf der Heimreise nicht gerade sparsam gewesen, indem sie sich unterwegs mehr als nur einmal ein weiches Bett in einem Gasthaus gegönnt hatte. Nachdem sie Gilon jetzt diese Münzen gegeben hatte, war sie praktisch pleite, was bedeutete, daß sie länger in Solace festsitzen würde, als ihr lieb war.

Ach was, dachte Kit bei sich, ich bin schon einmal ohne einen Heller aufgebrochen. Im Notfall kann ich das wieder tun.

Am Abend kletterte Kitiara die Leiter zu ihrer Schlafstatt hoch und warf einen Blick auf ihr altes Quartier. Groß war es ihr noch nie vorgekommen, wenigstens hatte es ihr früher ein bißchen Ruhe beschert. Doch jetzt wirkte es eng und schäbig. Todmüde streckte sie sich auf ihrem Strohsack aus und bemerkte dabei selbst, daß sie in den letzten paar Monaten gewachsen war, denn ihre Füße hingen gut zwei Fingerbreit über den Bettrand.

Von unten hörte Kit, wie Raistlin sich im Schlaf herumwarf und stöhnte. Die Jungen waren länger aufgeblieben als gewöhnlich und waren sehr müde, als sie sich schließlich hinlegten. Raist bekam dann oft Alpträume. Kit hörte, wie Caramon aufstand, um zu Raistlin ins Bett zu klettern und ihn zu beruhigen.

Aus Gilons und Rosamunds Kammer kam ein rhythmisches Schlurfen. Wenn Rosamund in Trance herumwanderte, mußte ihr Gilon nachts mitunter wirklich eine Schlinge um die Hand binden und sie an den Bettpfosten fesseln. Dann lief Rosamund neben dem Bett auf und ab und murmelte die ganze Nacht vor sich hin. Heute war das offenbar wieder einmal der Fall.

Wieder daheim, dachte Kit und seufzte. Trotzdem war sie froh, in Solace zu sein – vorläufig. Sie wollte sich sofort überlegen, wie sie ihren Aufenthalt abkürzen konnte, doch bevor sie eine Lösung fand, übermannte sie der Schlaf.