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»Keine Bange«, sagte Gilon, als er nach Hause kam. »Die hecken sicherlich nur einen dummen Streich aus.« Er strich seiner Frau beruhigend über die weißen Haare. Doch auch Gilon machte sich Gedanken.

Kit hatte sich einen Aussichtspunkt auf einem Hügel gesucht, von dem aus man den Pfad zum See überblicken konnte. Dort hielt sie Wache. Wie erwartet tauchte Bronk eine gute Stunde vor Sonnenuntergang auf, um die Gegend mißtrauisch nach Fallen abzusuchen. Er ging gründlicher vor, als sie erwartet hatte, ließ sich dann aber auf einem Baumstumpf am Rande des Sandufers am See nieder.

So ein Pech. Eine Weile zuvor hatten die Zwillinge an der anderen Seite von genau diesem Stumpf eine Leine festgemacht, die ins Wasser lief. Kit wollte nicht, daß Bronk womöglich am Stumpf herumzustochern begann, deshalb zog sie schnell ihre Tunika und die Hose aus und rollte dann das Bündel aus, das sie von zu Hause mitgebracht hatte.

Im frischen Wind flatterte ein hauchdünnes geblümtes Kleid, das Rosamund früher mal getragen hatte. Kit betrachtete das Kleid etwas mißmutig, schlüpfte dann jedoch hinein. Die lebhaften Farben hoben sich von ihren dunklen Haaren ab.

Bronk bohrte mit der Stiefelspitze müßig im Sand herum. Kit blickte den Pfad nach Solace hoch. Keine Spur von den Zwillingen, doch sie hatte keine Wahl. Sie mußte mit der Farce beginnen.

Während sie darauf achtete, daß Bronk sie nicht sah, schlich Kitiara eilig zur Rückseite des Hügels, auf dem sie Wache gestanden hatte, und betrat dann den Weg. Zum Glück bemerkte er sie gleich und hörte mit dem Scharren im Sand auf.

Sie stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Ich bin so froh, daß du gekommen bist, Bronk«, sagte sie gedämpft. »Ich hatte nicht damit gerechnet, daß der Weg hierher so finster sein würde.«

Bronk mißverstand ihren Seufzer als Flirtversuch. Als sie näher heranglitt, konnte Kit sehen, daß sein Mund offenstand. Er war eindeutig überrumpelt.

»Tja, ich, äh, ich… was sollte die Geheimnistuerei, Kitiara?« stammelte er, während er sich in die Brust warf, um möglichst männlich zu erscheinen.

»Ach«, setzte Kit an, »es ist einfach so, daß ich dich schrecklich lange nicht gesehen habe.«

»Du warst fort«, sagte Bronk und klang etwas beleidigt. Nervös blickte er sich um. »Alle haben sich gefragt, wo du warst. Keiner wußte was Genaues. Nicht einmal deine Brüder, glaube ich. Wo bist du denn gewesen?«

»Ist das so wichtig?« fragte sie und senkte den Kopf. Sie versuchte es mit leichtem Schniefen. »Ist sowieso alles vorbei.«

»Was ist vorbei?« wollte er wissen.

»Ist das so wichtig?« wiederholte Kit geheimnisvoll. Schnief, schnief.

Bronk kam näher und legte ihr unbeholfen einen Arm um die Schultern.

Wo waren Caramon und Raist? Wie lange mußte sie es noch mit diesem Esel aushalten und ihn an diesem Baumstumpf herumstehen lassen?

»Na schön«, meinte Bronk selbstzufrieden, »es freut mich, daß du deinen Fehler einsiehst. Ich hatte immer gedacht, daß wir… also, daß du und ich… ich meine, auch wenn ich deine blöden Brüder nicht mag, hab’ ich immer gedacht, daß wir zwei Freunde sein könnten. Mehr als Freunde.«

Das war eine für Bronk ausgesprochen lange und fast ausgefeilte Rede gewesen. Und er wirkte danach erschöpft und dazu verwirrt, als hätte er mehr verraten, als er ursprünglich vorgehabt hatte. Wieder schossen seine Augen nervös herum. Dann drückte Bronk Kit vorsichtig an sich.

»Was soll das heißen, ›mehr als Freunde‹?« fragte sie naiv und klimperte mit den Wimpern. Wo waren ihre verdammten Brüder? Aber Bronk, den nur sein nächster Zug beschäftigte, bemerkte die angespannte Haltung ihrer Schultern nicht.

Sein Arm legte sich fester um sie. Kitiara lächelte ihn an und hoffte dabei, er würde nicht merken, daß sie die Zähne zusammenbiß.

Bitte! Viel länger konnte sie das nicht aushalten.

In diesem Moment hörten sie vom Weg her Jungenstimmen.

»Wer ist das denn?« fragte Bronk sichtlich verstimmt.

Die Stimmen wurden lauter, bis Kit und Bronk ein paar Worte verstehen konnten.

»Das nimmst du sofort zurück«, schimpfte Caramon.

»Mein Bruder würde niemals – «

»Vielleicht glaubst du es ja, wenn du es selber siehst.« Das war Raist.

Bronk hatte seine Hand von Kits Schultern genommen und sah sie erneut argwöhnisch an. Als er schließlich gewahr wurde, daß er wirklich Dunes Stimme hörte und dazu die Zwillinge, regte er sich auf.

»He, was soll das?« fragte er Kitiara mit einem Schubs gegen die Schulter.

Dune kam um die Ecke. Er war zwischen Caramon und Raistlin eingeklemmt, die ihn regelrecht vorwärts schoben. Als er seinen Bruder neben Kit stehen sah, riß er die Augen auf.

Dune war ein einfältiger kleiner Kerl, der seinen großen Bruder vergötterte. Caramon und Raistlin hatten ihm erzählt, daß Bronk heimlich Kit den Hof machte. Dune konnte nicht glauben, daß sein Bruder um das Mädchen warb, über das Bronk so viele gemeine Sachen gesagt hatte. Mit einer Wette hatten die Zwillinge den Jungen zum Krystallmirsee gelockt, um den beiden angeblichen Turteltauben aufzulauern und das Verhältnis zu beweisen.

»Bronk!« schrie Dune entgeistert.

»Das ist eine ganz üble… verfluchte…« Bronk spie noch ein paar Wörter aus, doch die waren nicht mehr zu verstehen.

Kit hatte vorgehabt, alle nah ans Wasser zu locken, doch jetzt hielt sie es für richtig, gleich zu handeln, solange Bronk noch durcheinander war. Sie huschte um den Stumpf und zog an dem versteckten Seil.

Nichts.

Sie zog noch einmal fester. Diesmal merkte sie, wie am anderen Ende etwas nachgab.

Kitiara gab Raist ein Zeichen, woraufhin der zurückblieb. Er stand in seiner besten Zauberpose bereit.

Nach ein paar leisen Sätzen von Raist begann die Oberfläche des Sees dicht bei dem Ufer, an dem sie standen, zu blubbern und zu brodeln. Das merkwürdige Geräusch erregte Bronks und Dunes Aufmerksamkeit. Auf der Stelle ließ das Interesse der Brüder an ihrer Privatfehde nach. Sie erstarrten und blickten wie gebannt auf den See.

»Was ist das?« flüsterte Bronk Kit ängstlich zu.

Gut. Keiner dachte mehr an Raistlin.

Dunkle Rauchschwaden und hohe Flammen loderten vom Sandufer hoch. Die Wasseroberfläche kochte, und langsam erhob sich eine riesige Gestalt.

Im Rauch und im Zwielicht war schwer zu erkennen, was die Gestalt wirklich darstellte. Etwas, ein Wesen, menschenähnlich, aber viel größer, dem nasse Tentakel aus schleimigen Pflanzen von den Seiten hingen. Plötzlich glühte ein orangerotes Feuer aus den leeren Augenhöhlen, und seine Arme begannen sich zu bewegen, als würde das schreckliche Ding ans Ufer kommen.

»Das ist das Weib!« flüsterte Caramon Dune ins Ohr.

»Das Weib!« schrie Dune entsetzt. »Das ist das Weib!«

Schreiend vor Angst, rannten sich Bronk und Dune fast gegenseitig über den Haufen, während sie den Pfad hochrasten. Die am See Zurückgebliebenen konnten ihr Kreischen noch minutenlang hören, ehe es in der Ferne verklang.

Kit, Raist und Caramon brachen lachend im Sand zusammen. Dann lenkte sie ein lautes Zischen aus dem Wasser ab. Als sie aufblickten, sahen sie, wie die schauerliche Gestalt langsam in sich zusammenfiel.

»Ich hab’ mich schon gefragt, wie lange diese Schafblasen die Luft wohl halten würden«, meinte Raist, der mit einem Mal nachdenklich wurde. »Als wir das Ding in den Käfig stopfen und versenken mußten, hatte ich Angst, die Luft würde rausgehen und es würde nicht hochkommen, wenn Kit den Deckel wegzog.«

»Du hattest Angst?« rief Kit japsend vor Lachen aus. »Bronk hätte mich um ein Haar geküßt!«

»Hast du gesehen, wie sie davongerannt sind?« fragte Caramon mit glühendem Gesicht und strahlenden Augen. »Wird eine ganze Weile dauern, bis einer von denen uns wieder ins Gesicht sieht.«

»Es wird eine ganze Weile dauern, bis sie sich gegenseitig wieder ins Gesicht sehen können«, fügte Raistlin ernst hinzu.