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Otiks Gesicht verfinsterte sich, als der Fremde andeutete, sein Wirtshaus wäre womöglich nicht erste Klasse. »Natürlich haben wir Wein«, sagte er mit einem etwas pikierten Unterton. »Und was hätten die Herren gern zu den Würzkartoffeln?«

»Erst mal nur Kartoffeln«, sagte Patrick freundlich. Er hatte offensichtlich beschlossen, Otiks Kochkünste zunächst zu prüfen, bevor er etwas anderes bestellte.

Etwas beleidigt, aber ohne eine weitere Bemerkung lief Otik nach hinten, um die Bestellung weiterzugeben. Während er das tat, sahen sich die beiden Männer um und wählten einen großen Tisch neben Kitiara.

Sie hatte die beiden gespannt beobachtet, doch jetzt wandte sie die Augen zum Fenster und heuchelte Desinteresse, als sie in ihre Richtung kamen. Dennoch spürte sie, daß der junge Mann ihre Anwesenheit sehr bewußt wahrnahm. Sie, Patrick und der Sklave Stratke waren Otiks einzige Gäste, und in dem normalerweise geräuschvollen Gasthaus herrschte plötzlich ungewöhnliche Stille.

»He, Kitiara! Mir ist langweilig.« Caramon stand wieder auf der Schwelle und rief bettelnd nach seiner Schwester. »Es ist noch zu früh für Raistlin. Können wir nicht zum Beispiel zum Stall runtergehen und die Pferde ansehen?«

»Später«, sagte Kitiara scharf, während sie ihn aus der Tür winkte.

»Du machst aber doch gar nichts«, protestierte der Achtjährige, dessen Augen so flehend blickten, wie es nur ging.

»Später«, sagte Kitiara.

Bei diesem Blick und diesem Tonfall wollte sich Caramon lieber nicht mit Kit anlegen. Schmollend trollte er sich von dannen.

Dabei drehte sich der Fremde mit dem Namen Patrick um und sah Kitiara direkt in die Augen. Ihre Blicke trafen sich. Kit erschauerte, denn in seinen Augen lag eine Glut, die sie seit, ja, seit ihrer Begegnung mit El-Navar nicht mehr gesehen hatte. Verwirrt sah sie zur Seite, ärgerte sich jedoch gleichzeitig darüber. Sie zwang sich, die Augen aufzuschlagen, und stellte fest, daß Patrick sie immer noch ansah. Diesmal hielt Kit seinem festen Blick stand. Schließlich brach er die Spannung, indem er ihr grüßend zunickte.

»Wollt Ihr uns die Ehre erweisen, Euch zu uns zu gesellen?« fragte er. »Mein Diener ist nicht sehr gesprächig, und wir sind schon wochenlang unterwegs.«

»Gut«, sagte Kit, die selbst überrascht war, wie gerne sie sich zu ihnen setzen wollte. Otik, der mit einem Krug Wasser und zwei Kelchen zum Tisch kam, zog erstaunt die Augenbrauen hoch, was ihm einen mörderischen Seitenblick von Kitiara einbrachte.

Als sie an den Tisch trat, stand Patrick auf, verbeugte sich leicht und rückte dann einen Stuhl für sie zurecht. Sein Sklave, der gebieterisch die Arme verschränkt hatte, nahm weder durch ein Wort noch durch eine Geste von ihr Notiz. Aus der Nähe und unter diesen Umständen fand Kit ihn jedoch gar nicht mehr so imponierend.

Otik kehrte in die Küche zurück und kam einen Augenblick später mit zwei Tellern duftender Kartoffeln zurück. Mit offenkundigem Stolz stellte er beide auf den Tisch.

»Eßt Ihr auch etwas?« fragte Patrick Kitiara, die jedoch den Kopf schüttelte, als Otik von der Theke her zu seinen Gästen schaute.

Der junge Edelmann probierte ein paar Bissen von seinem Essen und trank zwischendurch Wasser. Der hünenhafte Sklave zeigte sich weniger vornehm. Geräuschvoll und mit sichtlichem Appetit machte er sich über seinen Teller Kartoffeln her.

»Die sind wirklich gut«, sagte Patrick mit einem entschuldigenden Lächeln zu Kit, als würde er ihr ein großes Geheimnis verraten. »Und Stratke hat eindeutig nichts daran auszusetzen. Ich glaube, ich werde mehr zu essen und zu trinken bestellen. Ich fürchte, ich habe den Wirt durch meine Zurückhaltung schwer gekränkt. Vielleicht besänftigt ihn das. Möchtet Ihr ganz bestimmt nichts?«

»Nein, nein, danke«, sagte Kit, die sich um einen gelassenen Tonfall bemühte. »Und macht Euch keine Sorgen um Otiks Gefühle. Den bringt so leicht nichts auf, höchstens ein Kender, der sich davonmachen will, ohne zu zahlen.«

Während Patrick bei Otik eine Flasche Wein und Rehsuppe für seinen Diener bestellte, verfluchte sich Kitiara, weil sie angesichts des ungezwungenen Charmes des Edelmanns kein Wort herausbrachte.

Eine Zeitlang war das einzige Geräusch am Tisch das Schlürfen und Kauen von Stratke, dessen Blicke zwischen ihnen hin- und hergingen, während er sein Essen genoß.

»Ihr müßt Stratke entschuldigen«, sagte Patrick. »Er hat keine guten Manieren, aber viele wertvolle Fähigkeiten. Seine schlechten Eigenschaften sind schlimmstenfalls komisch.«

Bevor er weitersprach, nahm Patrick einen Schluck Wein. »Er kann nicht sprechen, der Arme. Mein Vater hat ihm wegen irgendeines Vergehens die Zunge herausschneiden lassen – den genauen Grund habe ich vergessen. Dann bekam ich ihn als Diener. Er ist sehr treu, ein guter Kämpfer und ein zäher Reisegefährte. Obwohl er nicht reden kann, verstehen wir uns bestens. Ich erzähle Witze, und er lacht darüber.«

Kitiara sah Stratke skeptisch an, doch der Koloß hatte offenbar jedes Wort von Patrick gehört und verstanden, denn er nickte enthusiastisch, während sich ein breites Lächeln über sein Gesicht zog. Das veränderte sein Aussehen völlig, und einen Augenblick lang, bis das Lächeln wieder verschwand, sah er fast aus wie ein zutraulicher Bär.

Auch Patrick lächelte und sah Kitiara dabei offen an. »Ihr kennt unsere Namen. Wie heißt Ihr?«

»Kitiara Uth Matar, Tochter von Gregor Uth Matar.« Kitiara sagte den Namen mit Stolz, obwohl ihr das Blut in den Kopf stieg. Dann lächelte sie verschmitzt wie nie.

»Weit und breit erzählt man von Otiks Kartoffeln und seinem Bier, auch wenn ich Bier nicht mag«, sagte Patrick, der ihr tief in die Augen sah. »Aber niemand hat mir gesagt, wie schön die jungen Mädchen von Solace sind.«

Kitiara hielt den Atem an und wurde noch röter. Noch nie war sie sich der Schmutzflecken auf ihrem Gesicht und ihren Händen so bewußt gewesen. Von den Männern, die Otiks Haus besuchten, hatte Kitiara solche Worte schon oft gehört, aber dann waren sie rauh und halb im Scherz gesagt worden, und sie hatte sie nicht ernst genommen. Sie zermarterte sich den Kopf nach einer Antwort, doch ihr fiel einfach nichts ein.

Vielleicht weil er ihre Verlegenheit spürte, senkte Patrick den Blick und wechselte das Thema.

»Wir sind seit neun Wochen unterwegs. Ich gehe jedes Jahr so auf Wanderschaft. Dieses Jahr hat die Reise länger gedauert, als ich dachte. Jetzt sind wir auf dem Weg zur Küste, wo ein Schiff wartet, das uns nach Hause bringen soll. Gwynned liegt an der Westküste der Insel Nordergod.«

Kit wußte natürlich, wo Nordergod war, doch bei Gwynned war sie sich weniger sicher – bestimmt eine Seereise von mindestens einem Monat. »Was sucht Ihr auf Euren Reisen?« fragte Kit eifrig. »Abenteuer?«

»Nein, nein«, meinte der junge Mann rasch. »Manchmal gibt es zwar ein Abenteuer, aber darauf bin ich gar nicht aus. Mir geht es um…« Zum ersten Mal sah Kit ihn nach den richtigen Worten suchen. »Um Bildung, um Frieden, um…« Wieder zögerte er. »Um Flucht.«

Kitiara überlegte, wovor dieser feine junge Mann wohl fliehen mußte, und wie es wäre, nach Lust und Laune herumzureisen, ohne sich um die Kosten zu scheren.

»Oh, aber Ihr seid auf Abenteuer aus. Das sehe ich«, fuhr Patrick fort, während er mit dem blaßgrünen Anhänger an seinem Hals herumspielte. »Ich habe ja nichts dagegen, aber wozu suchen die Leute das Abenteuer? Gewöhnlich wegen Reichtümern oder Macht. Wo ich herkomme, herrscht mein Vater über riesige Ländereien. Ich bin sein Erbe. Zu gegebener Zeit werde ich Reichtum und Macht besitzen. Damit habe ich es nicht eilig, und in der Zwischenzeit habe ich keinen Bedarf an Abenteuern.«

Bei dieser letzten Bemerkung setzte er sich gerade hin und schob sein Kinn nach vorn, als wollte er Kit trotzen, weil sie anders dachte. Als wenn jemand in seinem Leben ihn dafür tadelte, dachte sie bei sich.