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Weil in ihren Augen kein Widerspruch zu lesen war, sah Patrick plötzlich nachdenklich auf seinen Teller.

Während seiner kurzen Redseligkeit war Kits Blick an dem grünen Stein hängengeblieben, der in zartes Silberfiligran eingefaßt war und sich unablässig an seiner Kette drehte. Sie wußte nicht, wie der Stein hieß, doch er war wunderschön. Bestimmt sehr kostbar, dachte sie.

»Ihr bewundert meinen Chrysopras«, sagte Patrick und verriet ihr damit den Namen.

»Er ist sehr schön«, gab Kitiara zu.

»Daß er Euch gefällt, beweist Euren guten Geschmack. Er hat meiner Mutter gehört und davor deren Mutter.«

Einen Augenblick spielte Patrick wieder nachdenklich mit seiner Halskette. Als er sie losließ, blickte er neu belebt auf. Er grinste Kit an, und sie grinste zurück.

»Unsere Reise war dieses Jahr anstrengend, deshalb möchte ich mich vor der letzten Etappe meines Heimwegs ausruhen. Solace scheint ein gastfreundlicher Ort zu sein. Falls wir hierbleiben, könnte ich dann darauf zählen, daß Ihr mir die Sehenswürdigkeiten hier zeigt?«

Stratke grunzte, schob seinen Teller zur Seite und kniff die Augen mit den schweren Lidern wachsam zusammen.

»Stratke findet die Idee auch gut«, sagte Patrick.

Kitiara mußte grinsen. »Woher wißt Ihr, was er sagt?« neckte sie ihn.

»Ich habe doch gesagt, wir verstehen uns«, erklärte Patrick keck. »Das geht mir immer so mit Menschen, die ein starkes Herz haben.« Impulsiv griff er nach Kitiaras Hand.

»Werdet Ihr uns führen?«

Kitiara errötete wieder. In seinem warmen, feuchten Griff kitzelte ihre Hand. Dann zog sie sie zurück und stand vom Tisch auf.

»Wenn Ihr Euch in diesem Flohzirkus einquartieren wollt, bitte sehr.« Dabei warf sie einen Seitenblick auf Otik, der prompt zu protestieren begann und ihr mit dem Finger drohte. Kitiara konnte sich kaum das Lachen verkneifen, während sie fortfuhr. »Und ich weiß nicht, was für Sehenswürdigkeiten Ihr in Solace erwartet«, sagte sie kopfschüttelnd mit gespieltem Ernst zu Patrick. »Aber ich werde Euch führen«, schloß sie sanft.

Ihr gegenüber nickte Stratke strahlend. Kitiara schob ihren Stuhl zurück und ging zur Tür. Ihr war bewußt, daß Patrick ihr nachstarrte. »Wann?« rief er ihr nach.

»Nicht zu früh«, gab sie über die Schulter zurück. Auf dem ganzen Heimweg dachte Kitiara an den jungen Adligen in seiner meerblauen Tunika. Er war ein Mann, der offenbar ein leichtes, privilegiertes Leben geführt hatte – die Art von Mann, die sie normalerweise verabscheute. Womöglich konnte er nicht einmal mit einem Schwert umgehen?

Aber etwas an ihm hatte sie berührt. Seine Intensität? Seine Verletzlichkeit? Daß sie ihm offensichtlich gefiel? Sie war sich nicht sicher. Kitiara wußte nur, daß sie sich darauf freute, ihn morgen früh wiederzusehen.

So legte sie den ganzen Rückweg zur Hütte grübelnd zurück. Als sie die Tür aufmachte, erwartete sie mehr als das übliche Chaos.

Es roch nach angebranntem Essen. Rosamund heulte im Nebenraum, aber Kit hörte auch, daß ihre Tante begütigend auf sie einredete. Die unverheiratete Schwester ihrer Mutter, ein nervöses Huhn von Frau namens Quivera, lebte derzeit bei ihnen, um sich um Rosamund zu kümmern, die im Moment dauernd halluzinierte. Die Bürde ihrer Mutter wurde Kit so etwas abgenommen, doch Quivera kümmerte sich kaum um das, was sonst im Haushalt noch vonnöten war.

Caramon stand am Herd und hielt ein Blech mit etwas bis zur Unkenntlichkeit Verbranntem.

»Kitiara, ich habe die Kekse verbrennen lassen«, klagte Caramon. »Was sollen wir denn jetzt essen?«

Seufzend machte Kitiara die Tür hinter sich zu.

Es gab nicht viel zu sehen in Solace, doch die Tage mit Patrick und Stratke boten Kitiara eine angenehme Abwechslung. Nachdem sie die wenigen Sehenswürdigkeiten abgeklappert hatten, trafen sie sich morgens einfach so und wanderten ziellos und immer gut gelaunt drauflos.

Sie begleitete die beiden Besucher über die hohen Gehwege, um den Marktplatz, zum Ufer des Krystallmirsees und ritt sogar mit ihnen nach Teichgrund, wo sie ihnen die ausgefallene Schule in dem Hügel zeigte und ein bißchen mit ihren Brüdern prahlte: Raistlin, dem frühreifen Zauberer, und Caramon, dem vielversprechenden Krieger.

Patrick erwies sich als guter Zuhörer, dessen höfische Manieren im Laufe der Woche einem vertraulicheren Umgangston wichen. Hin und wieder streckte er die Hand aus und berührte ihre Wange oder strich durch ihre Locken und murmelte leise: »Kitiara Uth Matar.«

Kit merkte, wie sie sich nach diesen Berührungen sehnte und unter seiner Hand ganz still hielt, doch Patrick wendete sich dann stets ab, als würde ihn seine Geste verlegen machen. Schließlich stellte sich nach kurzem, lastendem Schweigen die zwanglose Kameradschaft wieder ein, wobei der stets einlenkende Stratke die Situation rettete. Er erwies sich als sanfter Riese, und Kit stellte schnell fest, daß er ebenso viel lächelte und lachte, wie er grunzte und stöhnte. Stratke schien alles komisch zu finden, besonders die Worte seines Herrn.

Patrick und Kitiara waren vorsichtig mit den Fragen, die sie einander stellten. Kit enthüllte nur einen kleinen Teil ihrer Vergangenheit. In Solace wußte jeder, daß es Rosamund niemals bessergehen würde und daß Kitiara die Tochter dieser armen Verrückten war und vielleicht selbst einen Hauch Irrsinn in sich trug. Doch Patrick konnte das nicht wissen, und es kümmerte ihn auch nicht. In seiner Gegenwart redete sie lieber über ihren Vater. Sie erklärte ihm, sie wäre die Tochter von Gregor Uth Matar, einem meisterhaften Krieger, der aus einer stolzen, wenn auch weit entfernten Familie stammte.

Von Patrick hörte sie etwas über dessen herrischen Vater, eine Mutter, die er vergötterte, und einen Haufen Verantwortung und Macht, die auf ihn warteten, für die er aber noch nicht recht bereit war.

Am Vorabend der geplanten Abreise von Patrick und Stratke aus Solace wollten die drei ein Mondscheinpicknick am Ufer des Krystallmirsees veranstalten.

Die Nacht war wolkenlos. Beide Monde standen hell am Himmel und tauchten die ganze Welt in Licht und Schatten. Auf einem Hügel am Wasser holten die drei ihr Essen heraus – kaltes Fleisch, Wein, Brot und frisches Obst, das Otik ihnen eingepackt hatte.

Nach dem Essen hatten Kit und Stratke eine Vorstellung angesetzt. Sie griff in ihre Tasche und zog ein eingepacktes Schwert heraus, die wunderbare Waffe aus dem lang zurückliegenden Hinterhalt für Beck Gwatmey, die sie in den letzten zwei Jahren versteckt hatte. Als sie das Schwert auswickelte und vor sich hielt, glänzten Patricks Augen vor Überraschung und Freude über seine Schönheit.

»Das ist herrlich«, rief er aus. »Was hast du damit vor?«

»Nun, zuerst muß ich den Diener schlagen«, neckte Kit. Der große Mann mit den langen Zöpfen hielt sein Schwert mit gespielter Wildheit. Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, stürzten sich Kitiara und Stratke in einen Schaukampf, an dessen Ende Stratke nach viel Gegrunze und Gestöhne Kit zuzwinkerte und zu Boden sank, wobei er sich ans Herz griff.

»Jetzt muß sich der Herr verteidigen«, sagte Kitiara und zeigte mit dem Schwert auf Patrick, so daß es im Mondschein glitzerte.

»Ich doch nicht«, wehrte sich Patrick lachend. »Wie du siehst, trage ich keine Waffen. Das ist Stratkes Aufgabe, auch wenn der Hund versagt hat.«

Stratke, der sich aufgesetzt hatte und auf seine Art eigentümlich gurgelnd lachte, warf Patrick eine von seinen Waffen zu.

Kitiara stellte fest, daß der junge Edelmann das Schwert sehr geschickt auffing. Schwungvoll salutierte sie vor ihm. Patrick zögerte, antwortete dann jedoch genauso. Bald waren sie in die Finten und Tricks des Schwertkampfes vertieft. Patrick runzelte vor Konzentration die Stirn, führte sein Schwert allerdings sehr gut. Kitiara aber war wendiger und eindeutig erfahrener. Nach ein paar Minuten wich sie zurück und erhob lachend beide Hände. »Ich ergebe mich«, sagte sie, während sie ihren Kopf zum Zeichen ihres Besiegtseins neigte. Sie merkte, daß Patrick näher kam, und als sie aufsah, lag sein Blick wie gebannt auf ihr. Aus einem Impuls heraus stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küßte ihn mitten auf den Mund. Diesmal entzog er sich ihr nicht.