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Stratke zog sich diplomatisch zum Fuß der Böschung zurück, wo er bald einschlief, doch Patrick und Kitiara saßen noch bis lange nach Mitternacht engumschlungen da, starrten auf den See hinaus und hatten sich viel zu erzählen.

Als der Morgen dämmerte, zog Patrick seine Arme zurück und nahm den Anhänger von seinem Hals, um ihn ihr hinzuhalten.

»Er gehört dir.«

Kit wich zurück, denn sie wußte nicht, was das zu bedeuten hatte. »Nein.«

»Ich würde dich belügen, wenn ich behaupten würde, er wäre wertlos«, sagte Patrick, »aber sein Wert liegt vor allem in den Erinnerungen.«

»Ein Grund mehr, weshalb ich ihn nicht annehmen kann«, sagte Kitiara.

»Ein Grund mehr, warum du es tun solltest«, erklärte Patrick fest. Er legte ihr das Amulett um den Hals.

Kitiara machte den Mund auf, um erneut zu widersprechen, doch Patrick wollte nichts davon hören. »Wir machen einen Tausch«, sagte er leise. »Etwas von dir gegen etwas von mir.«

»Aber ich habe nichts«, fing Kit an, zögerte dann jedoch. Ihre Augen fielen auf Becks Schwert. Es war das einzig wirklich Wertvolle, was sie besaß.

»Nimm das«, beschloß sie spontan, obwohl es wirklich ihr kostbarster Besitz war.

»Das ist zu schön, und wie du gesehen hast – trotz deiner großzügigen ›Niederlage‹ –, habe ich für ein Schwert wenig Verwendung.«

»Ich finde, es ist ein fairer Tausch«, sagte Kit entschlossen. »Stratke findet das auch«, fügte sie hinzu und zeigte zum Fuß des Hügels, wo der Diener zufrieden vor sich hin schnarchte.

Patrick mußte lachen. Er nahm ihre Hände in die seinen und sah ihr in die Augen. »Kitiara Uth Matar«, murmelte er träumerisch, »ich möchte, daß du mit Stratke und mir nach Gwynned kommst.«

Ohne lange nachzudenken, sagte Kitiara auf der Stelle ja.

»Ich lauf gleich los und packe meine Sachen«, versprach ihm Kit, »und schleiche mich davon.«

Bei diesen Worten runzelte Patrick die Stirn. »Was ist mit deinen Eltern?« fragte er ehrlich besorgt.

»Ich hab’ dir doch gesagt, er ist mein Stiefvater, nicht mein Vater, und meine Mutter ist viel zu krank, als daß sie begreifen würde, was draußen passiert. Die halbe Zeit weiß sie nicht einmal, ob es mich gibt oder nicht.«

Er legte ihr die Hände auf die Schultern. »Ich will nicht, daß du fortläufst, ohne ihnen Bescheid zu sagen«, beharrte er. »Ich will, daß du sie um Erlaubnis bittest, mit mir fortzugehen…«

Ihre Augen verrieten, daß sie nichts begriff.

»Und mich zu heiraten.«

Kitiara riß vor Staunen weit die Augen auf, Staunen und noch etwas anderes. Sie konnte einen Schauer des Abscheus nicht unterdrücken. Mit Patrick und Stratke unterwegs zu sein, würde Spaß und Abenteuer bedeuten, aber das letzte, was sie jemals wollte, war heiraten, selbst wenn sie sich so zu jemandem hingezogen fühlte wie zu Patrick. Bilder von Rosamund, von Aurelies Mutter, von Frauen, die nur noch im Haus lebten und deren Leben völlig von Männern abhängig war, überschwemmten sie.

»Kitiara«, meinte Patrick rasch. »Ich will gar nicht, daß du jetzt ja oder nein sagst, und ich verspreche dir, daß ich dich nie unter Druck setzen werde. Es ist eine lange Reise nach Nordergod, mindestens vier Wochen. Da hast du reichlich Zeit, über mein Angebot nachzudenken. Nimm dir diese Zeit und mehr, wenn du willst.«

»Aber«, fing Kitiara an, die nach den richtigen Worten suchte, »ich weiß nicht, ob ich überhaupt jemals heiraten will. Am allerwenigsten jetzt. Es gibt noch so viel…«

Kit sah den schönen jungen Mann an, der neben ihr saß, und war verwirrt. Niemand hatte sie je mit solcher Rücksicht und Höflichkeit behandelt wie er. Niemand hatte in ihr je solche Gefühle geweckt wie er, jetzt, wo er ihr tief und verständnisvoll in die Augen sah.

»Mach dir jetzt keine Gedanken darüber«, tröstete Patrick hastig. »Wir haben uns schließlich gerade erst kennengelernt, aber wir werden noch viel voneinander erfahren. Wenn du mit in mein Land kommst, wird man dich wie eine Königin behandeln. Du bekommst alles, was du willst. Du wirst Essen und Kleider bekommen und Sklaven, die deine Befehle ausführen. Das gefällt dir vielleicht.«

Doch, dachte Kitiara bei sich, das könnte ihr gefallen. »Wieso ich?« fragte sie.

Stratke war aufgestanden und gab grunzende Laute von sich, während er sich streckte und den Hügel hinaufblickte. Über dem Horizont war die Sonne aufgegangen, die alles in Rosa und Orange tauchte.

Patrick seufzte tief. »Weil«, sagte er sehnsüchtig, »weil ich glaube, ich liebe dich.«

Kitiara fiel auf, daß Stratkes Geräusche aufgehört hatten. Er beobachtete sie genau. Bis sie ihren Mund aufmachte, wußte sie noch nicht, wie ihre Antwort ausfallen würde. »Na gut«, sagte sie, ohne genau zu wissen, was sie damit meinte.

Kitiara war etwas irritiert, weil ausgerechnet Gilon von allen am traurigsten darüber wirkte, daß sie vielleicht für immer fortging (auch wenn sie das »für immer« herunterspielte). So laut, daß Patrick und Stratke es mitbekamen, riet sie Gilon, ihr noch mindestens so lange den Dachboden freizuhalten, bis er hörte, daß sie sich in Nordergod gut eingelebt hatte.

»Ich hoffe, du wirst glücklich werden, Kit«, sagte Gilon, als sie ein paar Sachen zusammenpackte, um aufzubrechen. »Aber wenn nicht, dann hoffe ich, daß du zurückkommst, denn wir werden dich vermissen.«

Caramon und Raistlin war davon nichts anzumerken. So früh am Morgen lag Caramon noch verschlafen in seinem Bett, ein einziges Knäuel mit seiner Bettdecke. »Tschüß«, murmelte er, bevor er sich herumrollte.

Raistlin war natürlich schon auf und in ein dickes, zerlesenes Buch vertieft. Er saß auf einem Hocker in der hinteren Ecke des großen Zimmers. Als Kit ihm zum Abschied einen flüchtigen Kuß auf die Wange drückte, sah er hoch und schaute zuerst sie, dann Patrick und Stratke an, die respektvoll an der Tür warteten. Dann war er wieder bei Kit.

»Du kommst zurück«, sagte er und senkte seine Augen wieder auf das Buch.

Na ja, dachte sie, er und Caramon sind bloß Kinder. Was habe ich erwartet, eine Abschiedsrede?

»Du mußt dich von deiner Mutter verabschieden.« Gilon bestand darauf.

Kitiara wand sich. »Sie wird nicht einmal verstehen, was ich sage.«

Gilon zuckte mit seinen großen Schultern und ging hinaus, um dort zu warten. Patrick und Stratke winkte er mit sich. Patrick warf Kitiara noch einen erwartungsvollen Blick zu, als er hinter sich die Tür zumachte.

Rosamund schlief nicht. Sie lag halb ansprechbar auf ihrem zerwühlten Bett und starrte die Decke an. Quivera, die jetzt einkaufen war, hatte ihr anscheinend die Haare gebürstet, so daß sie wie ein weißer Heiligenschein auf dem Kissen um ihren Kopf lagen. Leise atmete Rosamund durch ihre geöffneten Lippen, die rosa und geschwollen wie Blütenblätter aussahen.

Kit schaute ihre Mutter kalt an und redete dann so leise wie möglich mit ihr. Auf Gilons Drängen hin hatte sie einen Brief geschrieben, falls doch einmal eine Zeit kommen würde, in der Rosamund wieder bei klarem Verstand war. Den rollte Kit jetzt zusammen und band ihn mit einem von Rosamunds Haarbändern zu. Dann legte sie ihn neben ihre Mutter.

Liebe Mutter,

ich habe einen jungen Edelmann kennengelernt, der mich heiraten will. Wir gehen nach Nordergod, nach Gwynned, wo seine Familie herrscht. Ich werde reich sein und werde dir und Gilon und den Zwillingen Geld schicken können.

Viele Grüße, Kit.

Kit wußte, daß das eine armselige Botschaft war, doch mehr konnte sie für diese Frau nicht erübrigen, die ihren Vater hinausgeekelt hatte und wegen deren Schwäche die Hütte für Kitiara zu einem Gefängnis geworden war.

Als Kit noch eine Minute am Bett stand, glaubte sie, in den grauen Augen ihrer Mutter ein blasses Licht flackern zu sehen. Sonst jedoch nichts.

Als Kitiara sich dann zum Gehen umdrehte, streckte Rosamund plötzlich die Hand aus und umklammerte Kits Handgelenk mit überraschend festem Griff. Sie bewegte die Lippen, doch es kamen keine Worte heraus. Ihre Augen standen offen, sahen jedoch ins Leere. Nach ein paar Minuten löste Kitiara die Finger ihrer Mutter und legte deren Hand sanft wieder aufs Bett.