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Draußen warteten Patrick und Stratke bei den Pferden. Gilon hatte Cinnamon für Kitiara gesattelt. Daneben stand geduldig ein Packesel, der Patricks große Kiste auf dem Rücken hatte. Stratke, der seine Waffen zur Schau trug, marschierte wichtigtuerisch herum, zurrte hier noch etwas fest und packte da noch etwas um. Sein Publikum bestand hauptsächlich aus Caramon, der doch noch aufgewacht war und jetzt andächtig diesen Berg von Mann anstarrte.

Feierlich schüttelte Patrick erst Gilon, dann Caramon die Hand, bevor er aufstieg. Kitiara nickte ihrem Stiefvater zu und fuhr Caramon durchs Haar, bevor sie Cinnamon bestieg. Als sie sich umdrehte, sah sie Caramon heftig winken. Die Sonne glitzerte auf seinen goldenen Haaren. Hinter ihm stand Raistlin unbewegt wie eine Statue in der Tür.

Kitiara hatte noch eines vor, ehe sie ging. Sie bat Patrick und Stratke, am Marktplatz zu warten, während sie Cinnamon zu Aurelie trieb. Ihre Freundin weinte, als sie die Neuigkeit hörte, faßte sich jedoch schnell wieder.

»Ein Edelmann! Wenn ich das meiner Mutter erzähle! Ich habe ihr immer gesagt, daß sie dich unterschätzt«, neckte Aurelie. »Sieht er gut aus?«

Kitiara merkte, wie sie rot wurde, als sie bejahend nickte. »Ich habe das Gefühl, das wäre eine Art von Abenteuer, das sogar dir gefallen würde«, zog sie ihrerseits die Freundin auf. Die beiden jungen Frauen umarmten sich. »Du kannst mir zu den Alwits von Gwynned schreiben«, rief Kit ihr noch zu, als sie zu ihrem Pferd hinunterstieg.

Am späten Vormittag befanden sie sich auf einer der Straßen, die von Solace aus durch flaches Ackerland nach Norden führten. Sie mußten zuerst nach Norden und dann etwas nach Osten, um die Gipfel des Kharolisgebirges zu umgehen und die Bucht zu erreichen, wo Patricks Schiff wartete.

Zuerst war Kit etwas schwindelig angesichts der sich überschlagenden Ereignisse, doch am späten Nachmittag hatte sie sich an das Reisen gewöhnt und fand immer mehr Spaß daran. Die drei waren gute Gefährten. Und darüber hinaus war sie endlich Solace und seinem nervtötenden Trott entkommen. Und sie ritten nach Norden – die Richtung, die ihr Vater zuletzt eingeschlagen haben sollte.

Nachdem sie durch Getreidefelder gezogen waren, erreichten sie sanft gewellte grüne Hügel, dann steileres Gelände, als sie auf ihrem Weg zur Küste die hinteren Ausläufer der Kharolisberge passierten. Hier gab es kaum Ortschaften und den wenigen wich Patrick aus, weil er sagte, er hätte genug vom Reisen und wollte unbedingt nach Hause. Von anderen Weggenossen hörten sie von einem zweiköpfigen Troll, der die Gegend in Schrecken versetzte, doch sie sahen nichts von dieser Bestie.

Ein bis zwei Stunden bevor sie ihr Nachtlager aufschlugen, überließ Stratke Patrick und Kit jeden Tag sich selbst, um dann mit einem Hasen oder anderem Wild zurückzukehren, das er zum Abendessen zubereitete. Er war ein erstaunlich guter Koch. Nach dem Essen saßen sie und Patrick normalerweise Arm und Arm da und unterhielten sich, wobei ihnen Stratke als aufmerksamer Zuhörer willkommen war.

Unter dem sternenübersäten Himmel fragte sich Kitiara oft, ob sich der leidenschaftliche Kuß, den sie und Patrick an jenem Abend am Krystallmirsee ausgetauscht hatten, wiederholen würde, doch seltsamerweise kam es nicht dazu. Stratke entfernte sich nie weit von ihnen. Und wie ihr Vater konnte Patrick sie mit seinen Geschichten in den Schlaf lullen. Mehr als einmal wachte sie morgens auf, ohne sich erinnern zu können, wie sie eingeschlafen war.

Fünf Tage nach ihrem Aufbruch aus Solace näherten sie sich der Bucht, wo Patricks Schaluppe wartete. Von einem hohen Felsen erhaschten sie einen ersten Blick auf die Straße von Schallmeer. Kitiara hatte noch nie so viel Wasser gesehen – blau mit weißen Schaumkronen und so weit die Augen sehen konnten.

Sie folgten der Küste einen weiteren Tag lang nach Westen, ehe sie den Rand der Bucht erreichten, wo sie das Schiff, die »Silberhecht«, vor der Küste vor Anker liegen sahen. Die Segel an den drei Masten waren eingerollt. Stratke zog eine große Messingpfeife aus einer der Taschen und blies darauf einen langen, hohen Ton, um ihr Kommen anzukündigen. Bunte Flaggen, die auf dem Vorderdeck geschwenkt wurden, zeigten, daß man sie bemerkt hatte.

Als sie sich dem Schiff näherten, riefen die Seeleute, die sich über die Reling beugten, ein kräftiges Hoch auf Patrick aus. Er ist jedenfalls ein beliebter Herr, befand Kitiara. Ihr fiel auf, daß viele Männer auch Stratkes Namen riefen. Bewegungen unter Deck an den Seiten des Schiffs erregten ihre Aufmerksamkeit. Auch Minotauren, die ihre gehörnten Köpfe durch einige der Luken zur Küste hin streckten, beobachteten die Ankunft der Reisenden. Diese halb tierischen Sklaven würden sich bei Flaute in die Ruder legen. Schon hatten ein paar Leute ein Beiboot heruntergelassen, um an Land zu rudern und Patrick und die anderen abzuholen. Kit bemerkte eine Barkasse am Strand, mit der man die Pferde zum Schiff bringen würde.

Als sie schließlich an Bord kletterten, fiel Kit auch eine Gruppe elegant gekleideter Männer und Frauen auf, die auf einer Seite des Decks saßen. Es waren die einzigen, die die Neuankömmlinge nicht begrüßten, obwohl ihre Mienen andeuteten, daß sie über die bevorstehende Abfahrt erleichtert waren.

»Wir nehmen ein paar Passagiere mit«, erklärte Patrick Kitiara. »Das senkt die Kosten und stärkt die guten Beziehungen zwischen dem Land meines Vaters und den umliegenden Ländereien.«

In diesem Augenblick kam ein Mann auf sie zu, der sich geschickt dem Schwanken des Schiffs anpaßte. Er trug mit Litzen verzierte Lederkleidung und eine engsitzende, gestreifte Kappe. Sein Gesicht war von einer ausgeprägten Hakennase und einem fröhlichen Grinsen gezeichnet. Der sieht aus wie einer, auf den man im Kampf zählen kann, dachte Kit, doch sie registrierte auch, daß er keine Waffen trug. Statt dessen hingen ein Kompaß und ein Sehglas an seinem Gürtel. Es war offenbar der Kapitän der »Silberhecht«.

»Seid gegrüßt, Patrick und Stratke«, strahlte er, während er ihnen abwechselnd kräftig die Hand schüttelte. Dann erst hatte er Augen für Kitiara. »Und wer ist diese hübsche junge Dame?«

»Kitiara Uth Matar«, erklärte sie und trat vor, um ihm die Hand zu reichen.

»Meine Verlobte«, ergänzte Patrick sofort, ohne das Stirnrunzeln zu beachten, das Kit ihm zuwarf.

Anstatt ihr die Hand zu schütteln, beugte sich der Kapitän tief über ihr Handgelenk und küßte es.

Ein Ausdruck des Befremdens malte sich auf Kits Gesicht. Die Manieren des Kapitäns waren so gut wie die seines Herrn, obwohl Kitiara den Eindruck hatte, daß sich hinter dem samtenen Äußeren ein stahlharter Kerl verbarg.

»La Cava«, sagte er selbstbewußt, als er sich aufrichtete. »Zu Euren Diensten, Madame.« Seine Augen verrieten, daß ihm jetzt, etwas verspätet etwas einfiel. »Uth Matar?« fragte er.

Kitiara nickte eifrig. »Vielleicht habt Ihr von meinem Vater gehört«, meinte sie rasch. »Gregor Uth Matar. Er ist weit und breit bekannt…«

»Als?« fragte La Cava, der ihre Hand losließ, ihr aber weiter ins Gesicht sah.

»Als?« wiederholte Kitiara verwirrt.

»Nun, bekannt als was?« fragte La Cava ganz selbstverständlich.

»Oh«, sagte Kit betreten. »Als großer Glücksritter. Ein unvergleichbarer Kämpfer. Ein rechtschaffender und ehrenhafter Mann.«

»Ja, natürlich«, sagte La Cava. Er überlegte noch einen Moment, bevor sein Gesicht zu einer höflichen Maske wurde. »Nein«, erklärte er, »ich habe noch nicht von ihm gehört.«

Patrick zog La Cava beiseite und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Kapitän nickte und rief: »Lurie!«

Ein großer, knochiger Mann mit vernarbter Haut kam eilig zum Kapitän gelaufen. Sein Gesichtsausdruck war unterwürfig. Er war nur mit einer kurzen Lederhose bekleidet und gehörte offenbar zu den Maats.