Выбрать главу

»Lurie«, befahl Patrick, »führ meine Verlobte in meine Privatkajüte, und bring mich und Stratke gleich im Raum gegenüber unter. Hol die Truhe meiner Mutter heraus, und sorg dafür, daß Kitiara alles hat, was sie braucht – Öle, Parfüms und die besten Kleider.«

Beim Zuhören senkte Lurie wie ein Vogel den Kopf und warf scharfe, neugierige Blicke in ihre Richtung. Als Patrick fertig war, streckte Lurie seinen mageren Arm nach Kit aus. »Folgt mir, meine Süße.«

Kitiara wollte Einwände erheben – sie brauchte wirklich nicht verwöhnt zu werden –, doch Patrick berührte sanft ihren Arm und sagte: »Geh jetzt. Ich komme dann zum Abendessen zu dir.«

Kit zuckte grinsend mit den Schultern. Sie wußte, daß mehrere Dutzend Augenpaare ihr hinterhersahen, während sie von Lurie nach unten geleitet wurde. Da kam sie sich wirklich schon wie eine Königin vor.

Ihre Kabine lag an dem Gang unterm Deck. Durch die großen Bullaugen sah man das Meer. Ein bequem aussehendes Bett, eine Kommode und ein kleiner Schreibtisch waren an der Wand der Kabine festgemacht. Lurie beobachtete Kit nervös, während sie herumlief und verschiedene Gegenstände berührte. Es war, als müßte sie sich vergewissern, daß sie echt waren, daß das hier kein Traum war. Als sie sich schließlich umdrehte, um den Maat zu entlassen, hob dieser vielsagend die Hand, bückte sich und zog eine Truhe unter dem Bett hervor.

Lurie ließ das Schloß aufschnappen, und Kit konnte sehen, daß die Truhe sorgfältig mit aller Art feiner Kleidung vollgepackt worden war. Lurie schien genau zu wissen, was er wollte. Er griff hinein und zog ein gelbes Seidenkleid mit tiefem Ausschnitt und langen, bauschigen Ärmeln heraus.

»Sehr hübsch«, sagte er grinsend mit einem Augenzwinkern. »Hübsches Kleid für süßes Mädchen.«

Kit riß ihm das Kleid aus der Hand, konnte jedoch ein Lächeln nicht unterdrücken. Irgendwie war alles etwas lächerlich, besonders Lurie mit seinem gekrümmten Hals und dem Vogelgetue. So ein Kleid hatte sie noch nie gesehen, geschweige denn getragen. Doch als sie es in den Händen hielt und den weichen Stoff fühlte, schwelgte Kit in diesem Luxus.

»Probiert es an«, meinte Lurie.

Kit hielt es sich an und stellte fest, daß es passen würde, als wäre es für sie gemacht. Lurie, der neugierig zuschaute, lächelte ihr ermutigend zu. Er machte die Tür eines eingebauten Wandschranks auf und zeigte ihr einen großen Spiegel.

Langsam näherte sie sich dem Spiegel. Die Person dort schien nicht mehr sie selbst zu sein, sondern eine Prinzessin. Im Spiegel konnte sie sehen, wie Lurie rückwärts den Raum verließ und noch einen letzten Blick auf die Verlobte seines Herrn warf.

»Hißt die Segel!«

Als die Segel im Wind knatterten, setzte sich die Schaluppe in Gang.

11

Die »Silberhecht«

Die Nachmittagshitze brachte das Deck zum Glühen und wurde nur gelegentlich durch eine leichte Brise gemildert. Lurie und Stratke hatten sich mittschiffs aufgestellt, wo sie abwechselnd Messer auf eine Puppe warfen, die an einen Mast gebunden war.

»Daneben, daneben, mein Lieber«, sagte Lurie. Er schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf, als er zu der Puppe hinstapfte. Sobald sein Rücken Stratke die Sicht nahm, zog Lurie das Messer heimlich aus der Mitte ihrer Zielscheibe und setzte es einen Fingerbreit daneben.

Sein hünenhafter Gegner stürmte zum Mast. Stratke warf Lurie einen mißtrauischen Blick zu, grunzte dann und zog sein Messer mit einem solchen Ruck heraus, daß die Puppe sich löste und kopfüber an einem Strick baumelte. Dann legte er seinen Arm, der so dick war wie der Ast eines Vallenholzbaums, um Luries Leib und hielt ihn am Mast hoch, um anzudeuten, daß der Maat die neue Zielscheibe abgeben sollte.

»Nein, nein, nein. Nicht bei deiner Treffsicherheit. Kapitän La Cava braucht mich. Lurie verletzt, ganzes Schiff verletzt, besonders Kapitän«, erklärte Lurie ungehalten.

Er konnte es sich leisten aufzuschneiden. La Cava machte unten ein Nickerchen. Der Kapitän übernahm gern nachts das Ruder, wenn alles schlief und er unter dem sternenübersäten Himmel allein war. Nachmittags holte er seinen Schlaf nach.

Auch Patrick war unten. Er hatte sich in seine Kabine zurückgezogen, um in sein Reisetagebuch zu schreiben, und hatte Stratke fortgeschickt, der sonst bei seinem Herrn geblieben wäre.

Alle anderen Passagiere waren nach dem Mittagessen vor der Sonne in ihre Kabinen geflüchtet. Selbst der Großteil der Besatzung hatte sich verkrochen. Nur zwei oder drei Seeleute waren an Deck geblieben. Die Minotauren ruderten, um das Schiff in Bewegung zu halten, strengten sich jedoch nicht besonders an. Der Himmel flirrte im grellen Licht, und das Wasser hatte ein tiefes Saphirblau angenommen. Der Bug des Schiffes wies nach Nordwesten.

Nachdem die Langeweile sie aus ihrer Kabine getrieben hatte, kam Kitiara gerade rechtzeitig an Deck, um zu beobachten, wie Stratke Lurie gewaltsam überzeugte. Da sie mit Stratke bereits zwei Wochen an Land unterwegs gewesen war und Lurie eine Woche an Bord der »Silberhecht« erlebt hatte, kannte sie beide gut genug, um sofort zu wissen, daß es kein echter Kampf war. Die beiden waren im Grunde gute Kameraden.

»He! Ihr zwei seht aus, als brauchtet ihr jemanden von göttlicher Weisheit, der euern Zwist beilegt. Ich wollte euch nur sagen, daß ich jetzt Zeit habe«, rief Kitiara ihnen grinsend zu, indes sie sich ihnen näherte, Kitiara hatte noch nie eine größere Wasserfläche als den Krystallmirsee gesehen, doch das Leben auf See sagte ihr zu. Während der ersten Tage hatte sie sich gründlich im Schiff umgesehen und sich an die Wellenbewegungen gewöhnt.

La Cava hatte Kit beobachtet, ihr auch noch die hundertste Frage beantwortet und dann entschieden, daß sie sich auch nützlich machen konnte. Er hatte Kitiara erlaubt, bei einigen Arbeiten an Bord zu helfen – Segel einholen, in die Takelage klettern, um Leinen zu entwirren, und sogar eine Weile im Ausguck zu sitzen und Wache zu halten. Die Sonne hatte ihre Haut verbrannt und ihr einen warmen, goldenen Ton verliehen, und die körperliche Arbeit hatte ihren schlanken Körper sehniger gemacht.

Die zahlenden Passagiere sperrten die Augen auf und rümpften die Nase, wenn sie so herumlief und mit der Besatzung flachste. La Cava verwöhnte sie wie ein Vater sein eifriges Kind. Allmählich sahen die meisten der Seeleute – die es doch nicht gewöhnt waren, daß eine Frau sich so wie sie benahm –, sie als ihresgleichen an, denn ihre Bereitschaft, alles auszuprobieren, verschaffte ihr Respekt.

Kit fand Patricks Reaktion schwierig. Sie spürte, wie er sie betrachtete, wenn sie auf dem Schiff umherlief. Manchmal schien ihre Energie und Kraft ihn nachdenklich zu machen, dann wieder wirkte er stolz auf sie und die Bewunderung, die ihr von den Matrosen zuteil wurde, fast als wäre sie sein Besitz.

Insgesamt aber zog sich Patrick mehr und mehr von ihr zurück. Je länger sie unterwegs waren, desto ausweichender begegnete er ihr, schweigend und launisch. Kit konnte nicht begreifen, was ihn so beschäftigte.

Nur abends, wenn sie mit La Cava aßen, lebte Patrick auf. Dann erzählte er stundenlang Geschichten über Gwynned und das Land seiner Familie und die Gegend dort. Mit Blicken und Gesten schloß er Kit in seine Erzählungen ein. Anschließend aber, wenn sie an Deck hochgingen, redete er nicht mehr so frei und berührte sie kaum einmal. Ihre Küsse, die normalerweise auf ihre Initiative zurückgingen, waren seltsam keusch.

Diese Gedanken schüttelte sie ab, als sie Lurie und Stratke begrüßte. »Zeigt mir, wie das geht«, bat sie die zwei.

Sie nickten, und Lurie reichte ihr das Messer mit dem schweren Griff, mit dem sie nach dem selbstgebastelten Ziel warfen, einem fußlangen Hobgoblin aus Stroh. Kitiara nahm das Messer in die Hand und merkte, wie schwer es war, als sie übers Deck zu dem zehn Fuß entfernten Ziel hinblinzelte. Mit der anderen Hand beschirmte sie ihre Augen vor der gleißenden Sonne.