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»Das Vieh wurde bei einem Sturm an Bord gespült«, erklärte La Cava, als er sah, daß Kit das Wesen betrachtete. »Hat sich ums Ruder gewickelt. Aus den Tentakeln und den Stacheln spritzte Gift, und ich mußte heftig mit ihm kämpfen, um wieder ans Ruder zu kommen. Nachdem ich es getötet hatte, habe ich das Vieh von Lurie ausstopfen lassen. Ich bin nicht oft so nah dran, einen Kampf zu verlieren«, sagte er augenzwinkernd zu Kit.

Auch La Cava hatte sich in Schale geworfen. Er trug ein maßgeschneidertes, kurzes Jackett, dunkle Hose, eine rote Schärpe um den Bauch und ein rot-weiß gestreiftes Halstuch.

Mit einer kurzen Verbeugung lud er Kitiara und Patrick ein, sich einander gegenüber an den Holztisch zu setzen, der mit Porzellan gedeckt war und von Kerzen beleuchtet wurde. La Cava selbst setzte sich an den Kopf der Tafel. Die drei lächelten sich angesichts dieser ungewohnten Situation etwas gezwungen zu.

Doch alle Anspannung wich von ihnen, als Figgis, der Schiffskoch, höchst theatralisch ein Tablett mit gekochten Täubchen hereintrug. Kit hatte die Vögel noch am Morgen in ihrem Käfig zwischen anderen Vorräten gesehen. Dem tüchtigen Figgis folgte ein kleiner Küchenjunge, der das schwere Tablett mit Fischfilets, mariniertem Tang, Nußpudding und Trockenfrüchten kaum schleppen konnte.

Ein großzügiger Griff des Kapitäns in seine privaten Weinvorräte lockerte sie auf, je weiter der Abend fortschritt. La Cava hatte gute Laune, sprach jedoch wie gewöhnlich wenig und wählte seine Worte stets mit Bedacht. Patrick war bei diesem besonderen Ereignis aufgetaut und sorgte dafür, daß ihnen der Gesprächsstoff nicht ausging. Er redete viel und erzählte eine Geschichte nach der anderen, so wie Kit es von ihrer gemeinsamen Woche in Solace kannte. Patrick konnte manchmal wohl ein Langweiler sein, gestand Kit sich ein, aber er war bestimmt der bestaussehende Mann, den sie je getroffen hatte – außer Gregor natürlich. Sie lächelte ihn verführerisch an.

»Und da sagte meine Mutter…« Es war nach Mitternacht, und Patrick war mitten in einer langen Geschichte, wie sein Vater seine Mutter dazu gebracht hatte, ihn zu heiraten. La Cava hörte höflich zu, obwohl er die Geschichte bestimmt schon mehr als einmal gehört hatte. Der Kapitän wurde müde, bemerkte Kit.

»›Ich kann dich nicht heiraten, Alwit, ich bin einem anderen versprochen.‹ ›Gut‹, sagte mein Vater, ›dann kann ich entweder deinen Verlobten töten oder mich. Ich will nicht unglücklich sein. Du kannst wählen. Er oder ich.‹

Natürlich war das eine nahezu unmögliche Wahl. Beide sahen gut aus, beide waren aus guter Familie, und beide waren bereit, alles zu tun, um sie für sich zu gewinnen, denn sie war die schönste von ihren Schwestern und würde beim Tod ihres Vaters ein Vermögen erben.

Alwit rechnete damit, daß Maryn, meine Mutter, mit ihrem besten Freund reden würde, einem Kender, und ihn um Rat fragen würde. Doch dieser Kender, er hieß Sampler, legte nicht nur die Karten für die Familie meiner Mutter, sondern spielte auch den Wahrsager für Ravetch, den Hauptrivalen meines Vaters. Sampler war genauso ehrlich wie die meisten Kender und glaubte wirklich, er hätte eine bescheidene Begabung, die Zukunft vorherzusehen. Vielleicht war es so, vielleicht auch nicht. Für das, was dann geschah, spielt es keine Rolle.

Als meine Mutter Sampler von der Drohung meines Vaters erzählte, entweder sich oder Ravetch umzubringen, machte Sampler genau das, was jeder normale Kender getan hätte. Er rannte los und sagte es Ravetch. Kender haben durchaus ihre Fähigkeiten, aber ein Geheimnis zu bewahren, gehört nicht dazu. Nun war Ravetch meinem Vater an Herkunft und Aussehen zwar durchaus ebenbürtig, aber weder so tapfer noch so schlau. Er geriet sofort in Panik und bat Sampler, ihm aus der Hand zu lesen. Sampler, der zweifellos in der Dramatik der Situation aufging, sagte voraus, daß jemand sterben würde, aber wer von den beiden Bewerbern das sein würde, könne er nicht feststellen. Er würde es hinterher wissen, aber nicht unbedingt vorher.

Ravetch war zu allem bereit, um meine Mutter zu heiraten, außer zum Sterben. Und er wollte kein Risiko eingehen. Deshalb verschwand er einfach und hinterließ die Nachricht, daß er weit im Norden zu einer Jagd auf Hobgoblins gerufen worden war. Dieser Ausflug dauerte neun Monate. Als er zurückkam, waren Maryn und Alwit bereits verheiratet. Und ohne allzu großes Aufhebens wendete Ravetch seine Aufmerksamkeit einer von Maryns Schwestern zu.«

»Was wurde aus Sampler?« fragte Kitiara.

»Oh, den gibt es immer noch«, antwortete Patrick gut gelaunt. »Er ist heute noch mit meiner Mutter befreundet, aber ebenso mit meinem Vater. Sie sagen, kurz nachdem Sampler Ravetch die Zukunft vorhergesagt hatte, wäre er eines Tages mit einer außergewöhnlichen Menge Gold im Beutel aufgetaucht, das er natürlich sofort ausgab. Verdient sich seinen Lebensunterhalt mit dem üblichen Kenderunsinn und sagt hin und wieder mal jemandem die Zukunft voraus. Ist eine echte Persönlichkeit. Und in Gwynned berühmt.«

Kitiara und La Cava lachten verständnisvoll. Dann streckte sich der Kapitän, um aufzustehen, und zeigte ihnen damit, daß es Zeit war zu gehen. Er wünschte ihnen eine gute Nacht und verbeugte sich, um Kits Handrücken mit seinen Lippen zu streifen. Kit wurde rot vor – ja, was? Freude? Peinlichkeit? Sie hakte sich bei Patrick ein, als sie die Kabine verließen.

Keiner von beiden wollte den Abend einfach so enden lassen. Sie gingen an Deck und starrten auf das schwarze, phosphoreszierende Wasser, das im Mondlicht schimmerte. Die Nacht war still. Das einzige Geräusch war das Gleiten des Schiffs durch die Wellen. Patrick löste sich von Kitiara und ging mit hinter dem Rücken gefaßten Händen ganz nach vorne. Kit hätte ihn beinahe aus den Augen verloren, doch Becks Schwert fing glitzernd das Mondlicht ein.

Eine Welle der Enttäuschung überkam Kit. Was war mit Patrick los, daß er jetzt so launisch war? Kit merkte, wie ihr Verlangen nachließ. Und zugleich schüttelte sie die Rolle ab, die sie zu spielen versucht hatte, die von Patricks Verlobter. Hier und jetzt wußte sie, daß das nicht ihre Bestimmung war.

Patrick drehte sich um und kam zu ihr. »Ich gehe nach unten«, sagte er leise. »Ich bin plötzlich sehr müde.« Seine Stimme klang rauh und erschöpft. Seine vorherige gute Laune war spurlos verschwunden.

Kitiara gab ihm zu verstehen, daß er nicht auf sie warten sollte. Sie wollte noch etwas an Deck bleiben.

Erst ein paar Minuten später vernahm Kit ein Geräusch und stellte fest, daß noch jemand an Deck war. Als sie nach vorne spähte, entdeckte Kit den Elfen, den sie unter den Passagieren bemerkt hatte. Er stand auf dem Vorderdeck, wo er, das Gesicht ihr zugewandt, mit dem Rücken an einem Mast lehnte. Selbst auf diese Entfernung hatte Kit das sichere Gefühl, daß der Elf sie und Patrick beobachtet hatte und daß in seinen Augen eine unbestimmte Drohung lauerte.

Am nächsten Morgen unterrichtete Stratke Kit und La Cava davon, daß Patrick mit Ruhr im Bett lag. Zwei Tage lang blieb er in seiner Kabine und wollte nur seinen treuen Diener um sich haben. Aus diesem Grund und wegen Stratkes eingeschränkten Fähigkeiten, sich verständlich zu machen, erfuhr Kit sehr wenig über Patricks Zustand. Am dritten Tag kam er zu einem morgendlichen Spaziergang wieder an Deck. Er wirkte etwas abgespannt und blaß, aber ansonsten nicht sehr krank.

Doch beide wußten, daß sie nicht mehr dieselben Gefühle füreinander hegten wie vorher. Kit beschloß, mit Patrick darüber zu reden, wie sie nach Abanasinia zurückkommen konnte, sobald sie in Gwynned gelandet waren, aber der junge Mann wich ihr aus. Er ging dazu über, das Abendessen nur mit Stratke zusammen in seiner Kabine einzunehmen. Wenn sie einander zufällig an Bord über den Weg liefen, sah Patrick Kit nicht in die Augen.