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»Verrat!« rief Kitiara aus.

»Ja, Verrat von Männern, die er gerecht behandelt hatte«, sagte La Cava. »Aber sein Geschäft gründete sich auf Geld, nicht auf Treue. Natürlich wiederhole ich nur, was ich gehört habe. Ich selbst kann nicht beurteilen, was davon wahr ist. Man hört so manches auf Reisen, und derartige Geschichten werden ausgeschmückt und aufgebauscht.«

»Was ist passiert?« bohrte Kitiara. »Was ist mit meinem Vater passiert?«

»Soweit ich gehört habe«, sagte La Cava noch sanfter, »hat Gregor seinen Teil des Handels erfüllt, indem er die Armee umzingelte, die er bekämpfen sollte, und sie problemlos besiegte. Die Armee seines Auftraggebers ist einmarschiert, um den Übergabevertrag zu unterzeichnen, und er war einfach zu selbstzufrieden. Auf ein Zeichen hin erhoben sich die Verräter unter Gregors Soldaten und erschlugen den Hauptrivalen und seine Generäle ebenso wie – «

»Ja?« verlangte Kitiara zu wissen.

»– wie Gregor und seine wenigen treuen Gefolgsleute.«

Kitiara bekam keine Luft mehr. Ihre Kehle zog sich zusammen, und Tränen stiegen ihr in die Augen, aber sie wollte nicht zulassen, daß diese Tränen flossen. Sie mußte sich an der Reling abstützen, denn sie konnte nichts mehr sehen, nichts fühlen, nichts denken außer Gregor. Ihr Vater. Tot. Verraten.

»Verräter«, fauchte sie. »Verräter.«

»Ja«, sagte La Cava traurig. »Wenn es stimmt.«

»Dann ist das mein Ziel!« rief sie. »Ich gehe nach Whitsett.«

»Wenn es sein muß«, meinte La Cava. »Aber soweit ich gehört habe, teilten die Verräter ihre Belohnung und trennten sich voneinander. Sie haben sich in alle Ecken von Krynn verstreut. Keine zwei zusammen. Keiner hat seither mehr von ihnen gehört.«

»Ich werde sie finden«, beharrte Kitiara mit erstickter Stimme. »Ich werde jeden einzelnen dieser Hunde jagen, und wenn ich mein ganzes Leben dazu brauche.«

»Wenn es sein muß«, sagte La Cava ergeben. Er wandte sich um zum Gehen, wobei er Kitiara warm an die Schulter faßte. »Wenn es sein muß.« Sie nahm ihn überhaupt nicht mehr wahr.

Als sie einen Augenblick später aufsah, war La Cava gegangen, und Lurie stand mit gesenktem Kopf – wie üblich – neben ihr. Auf seinem Vogelgesicht lag ein mitleidiger Ausdruck. Kitiara konnte lange nichts sagen und stand deshalb eine ganze Weile einfach neben ihm. Innerlich kochte sie. Trotz ihrer tollkühnen Wut war sie jetzt unsicherer denn je, wohin sie gehen und was sie machen sollte. Ihr Vater war tot. Verraten.

Schließlich brach Lurie das Schweigen. »Sag dir was«, bemerkte er wie nebenbei.

»Was?«

Der Maat lehnte sich rücklings an und beobachtete ihre Reaktion. »Über Patrick.«

»Was ist mit ihm?« Ihr Tonfall war fast mürrisch.

»Andere«, sagte er. »Andere Frauen, die er heiraten wollte. Hat sie auch an Bord gebracht.«

»Was für andere?« Jetzt hörte sie Lurie doch zu.

»Oh, zwei oder drei andere, ich meine, vor dir«, sagte Lurie. »So eine pro Jahr. Wir segeln herum. Er steigt aus, geht auf Reisen. Stratke geht mit. Ich nicht. Ich warte mit dem Kapitän. Zeit vergeht. Er kommt zurück. Jedesmal mit neuer Frau, die er heiraten will. Macht er bloß nie.«

»Macht er nicht? Wieso? Was wird aus ihnen?«

»Nichts wird aus ihnen. Wir schicken sie zurück, hinterher.«

»Hinterher?« Kitiara mußte die Zähne zusammenbeißen, um nicht vor Enttäuschung zu schreien. Was wollte er ihr damit sagen? Lurie meinte es gut, aber seine Ausdrucksweise war zum Verrücktwerden.

»Patrick fährt los«, fuhr Lurie fort, »ganz glücklich. Neues Mädchen. Alles gut. Aber… wenn wir näher kommen, er wird nervös. Durcheinander. Ängstlich. Ändert seine Meinung. Braut doch nicht so ganz perfekt. Vielleicht will er doch nicht heiraten. Nicht so hastig.«

»Er verliert die Nerven«, murmelte Kitiara, die allmählich begriff. »Er will eigentlich gar nicht heiraten.«

»Nicht ganz«, erwiderte Lurie. »Macht sich Gedanken über seine Mutter, über Vater. Besonders Mutter. Mächtig wichtige Frau. Sehr eingebildet. Guckt auf alle herab. Keine gut genug für Patrick. Jede zu viele Fehler. Patrick Angst, sich gegen Lady Maryn durchzusetzen.«

Kitiara war still vor Wut, während sie diese neueste Nachricht verarbeitete. Wenn Lurie Kitiara vom Schicksal ihres Vaters hatte ablenken wollen, so war ihm das gelungen. Zumindest im Moment war Gregor Uth Matar aus ihren Gedanken verschwunden, und Patrick war an seine Stelle getreten. Möglich, daß sie nie wirklich vorgehabt hatte, diesen Trottel zu heiraten, aber das war schon ein starkes Stück, sie einfach so mitzuschleifen.

»Je näher an zu Hause«, fügte Lurie tröstend hinzu, »desto mehr kommt er zu anderer Meinung. Nicht diesmal heiraten. Auf nächste Reise warten. Neues Mädchen finden. Besseres Mädchen. Es Mutter recht machen.«

Zornig legte Kitiara ihr Kinn vor. »Die Genugtuung bekommt er nicht, daß er mich zurückweist«, erklärte sie wild, fegte an dem erstaunten Mann vorbei und eilte in ihre Kabine.

Lurie machte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber Kit war bereits unten verschwunden. Plötzlich war er allein an Deck, überwältigt vom dunklen Himmel, den glitzernden Sternen und dem unendlichen, wogenden Ozean.

Der Maat war mit dem ziemlich unangenehmen Gefühl zurückgeblieben, daß das Gespräch recht abrupt geendet hatte und daß etwas in seinen Worten Kitiara beleidigt hatte. Was mochte das sein? Er hatte ihr doch nur den Gefallen getan, die Wahrheit zu sagen.

Bis nach Mitternacht wälzte sich Kitiara unruhig herum, konnte aber nicht einschlafen. Sie konnte nur noch an das denken, was Lurie ihr erzählt hatte. Ihr Kopf brodelte von Szenen, in denen sie Patrick eine Lektion erteilen würde.

Der Sturm, der schon tagelang in der Luft gelegen hatte, brach in der dunkelsten Stunde dieser Nacht aus. Laute Donnerschläge und wilde Blitze gingen einem sintflutartigen Regenguß voraus. Die Blitze erhellten den Himmel in hellen Streifen und warfen in ihrer Kabine schreckliche Schatten. Der Wind nahm an Stärke zu, bis die Wellen über den Bug klatschten.

Überall auf dem Schiff wurde herumgeschrien, während die Matrosen losrannten, um die Segel einzuholen und zu tun, was sie konnten, um das Schiff auf Kurs zu halten. In ihrer augenblicklichen Verfassung hatte sie nicht den Drang, aufzustehen und mitzuhelfen. Von ihrem schmalen Bett aus lauschte Kitiara dem Knarren und Stöhnen des Schiffs in den hohen Wellen.

Dann saß sie senkrecht im Bett. An ihrer Tür war ein Geräusch, ein Kratzen und zaghaftes Klopfen, das nicht zur Sinfonie des Sturms gehörte.

Beim Aufstehen raffte sie ihre Decke um sich und schlich zur Tür, die sie einen Spaltbreit öffnete. Stratkes Gesicht drückte sich schwer in die Öffnung. Er versuchte, etwas zu sagen, doch Kit konnte ihn kaum erkennen, geschweige denn seine gurgelnden Laute verstehen. Als sie die Tür weiter aufmachte, fiel er wie betrunken in ihre Kabine. Sie drehte sich um, um ihm ihre Meinung zu sagen, diesem aufgeblasenen Narren, der die ganze Zeit Patricks Spielchen mitgespielt hatte.

Merkwürdigerweise hatte sich Stratke über ihr Bett geworfen, als wenn er darunter etwas suchen würde. Sie nahm ihn an der Schulter und drehte ihn unsanft um.

»Was zum Teufel«, setzte sie an, brach jedoch mitten im Satz ab. Er stürzte auf den Boden, und ihr Gesichtsausdruck wandelte sich von Ärger zu Entsetzen. Rasch hockte sie sich hin und nahm seinen Kopf in den Arm.

Der arme Stratke sah noch einen Moment zu ihr auf, und die Lippen versuchten, sich zu bewegen. Aus seinem Mund kamen keine Worte, sondern sprudelndes, dunkelrotes Blut. Kit sah genauer hin und erkannte, daß man ihm sauber und tödlich den Hals aufgeschlitzt hatte. Sie konnte zusehen, wie seine Augen sich flatternd schlossen.

Entsetzt ließ Kitiara seinen Kopf auf den Boden sinken, stand auf und warf sich rasch ein paar Kleider über. Dann sah sie sich nach einer Waffe um. Die einzig verfügbare war eins von den Messern, mit denen sie an Deck trainiert hatte. Stratke war unbewaffnet und anscheinend im Nachthemd überrascht worden.