Выбрать главу

Da wurde ihr klar, daß sie es mit einer Riesenqualle zu tun hatte, die von zwei Wächteraalen begleitet wurde. Sie wollten Kit zum Frühstück verspeisen!

Entsetzt starrte sie die schwabbelige Qualle an, die ein paar Fuß entfernt lauerte. Zwei milchige, kugelige Augen auf Fühlern ragten vor dem Tier hoch. Die Fühler tasteten sich nach vorn, während der knollenförmige Körper im Wasser trieb.

Kit sah zu, wie die Aale auf beiden Seiten des schimmernden Riesentiers genau auf sie zuschossen. Lurie hatte Kit von diesen Wächteraalen erzählt, die häufig in Gesellschaft von Quallen lebten. Ihre Aufgabe bestand darin, den Quallen die Beute in ihre unzähligen Tentakel zu treiben, indem sie sie gnadenlos angriffen und mit ihren Unmengen von winzigen, rasiermesserscharfen Zähnen zubissen.

Diesmal ließ Kit bei dem Angriff vor Schmerz fast das Faß los. Die Aale hatten sich um ihr eines Bein gewickelt und zogen sie nach unten. Kit wehrte sich mit aller Macht, doch um sie herum drehte sich alles, so brannte der Schmerz. Als sie endlich wieder klar denken konnte, war die Qualle über ihr. Sie türmte sich vor ihr auf, bedeckte sie völlig, saugte sie zu ihrem weichen, tiefroten Maul hin.

Kit ließ das Faß los und tauchte, so tief sie sich traute, unter der Tentakelmasse weg. Als ihr fast die Lungen platzten, kam sie hinter ihr hoch.

Die beiden Aale griffen immer noch ihr Bein an, doch sie hatte einen Augenblick Zeit, hinzugreifen und einen von ihnen abzureißen. Er wand sich in ihrem Griff, um seine winzigen Zahnreihen in ihren Arm zu graben, doch sie hob den Aal aus dem Wasser, nahm alle Kräfte zusammen, schlang ihn zu einem Knoten und riß ihn entzwei. Die zwei Teile zuckten blutspritzend im Wasser.

Kaum hatte Kit das getan, da löste sich der andere Aal von ihrem Bein und schwamm hin, um seinen Kollegen zu fressen.

Sie hatte keine Zeit, sich zu gratulieren. Die Riesenqualle griff erneut an. Diesmal wickelte sie ihr die Tentakel um Beine und Rücken, um sie zu vergiften. Das Schwert war nutzlos, denn im Wasser kam Kit nicht heran. Und das Gewicht der Qualle zog sie nach unten, während das Gift sie benebelte.

Einer der Fühler glitt suchend vor ihren Augen vorbei. Verzweifelt griff sie zu und konnte einen der milchigen Augäpfel des Wesens erwischen. Der Fühler zuckte wie wild. Kitiara wurde vor Schmerz durchgeschüttelt, doch es gelang ihr, die Faust um den Augapfel zuzudrücken.

Das weiche, schwammige Ding platzte in ihrer Hand, und Blut und Schleim spritzten ins Wasser. Im gleichen Moment zuckte das Tier zusammen, denn seine Kraft ließ nach. Bevor Kit wußte, wie ihr geschah, hatte sich das schleimige Wesen zurückgezogen, glitt rasch zurück und verschwand unter Wasser.

Sie war von zitternden Schleimstücken bedeckt. Der Schmerz ließ bereits nach. Doch Kit würde vor Erschöpfung bald ihr Bewußtsein verlieren.

»Verflucht sei Patrick, der sich die Kehle aufschlitzen ließ, und verflucht seien alle Himmel für diesen verdammten Sturm!« schrie Kitiara kraftlos, weil der Klang der eigenen Stimme ihr irgendwie Trost spendete.

Als sie im Westen die dünne, dunkle Linie sah, machte Kits Herz einen Sprung. Land!

Ihr Faß trieb vorbei. Mit heftigen Beinschlägen schwamm Kit los und erwischte das tanzende Holz. Mit dem letzten Restchen Kraft hielt sie sich fest, während die Strömung sie an den Strand trug.

Kitiara erwachte mit furchtbarem Durst. Die Vormittagssonne brannte auf sie herab. Sie war wie benommen und zerschlagen, aber sie lebte.

Nachdem sie den Kopf aus dem Sand gehoben hatte, stellte sie fest, daß sie an einen einsamen Strand gespült worden war. Auch gut, denn die Wellen hatten ihrer Bluse so übel mitgespielt, daß von dieser nur noch ein paar Fetzen übrig waren, die von Fäden zusammengehalten wurden. Ihre Hose hatte den Sturm nicht viel besser überstanden.

Nachdem sie sich mühsam aufgesetzt hatte, nahm Kit Bestand auf. Becks Schwert war immer noch über ihren Rücken gebunden, ein Glück. Doch der kleine Beutel mit Edelsteinen und die Ausweispapiere, die sie aus Patricks Kabine mitgenommen hatte, waren im Kampf mit der See ebenso verlorengegangen wie die Tasche mit ihren Stiefeln und den frischen Kleidern. Bei der raschen Durchsuchung ihrer Taschen tauchten nur ein paar Münzen auf, weiter nichts.

Kitiara durchstöberte das Treibgut, das der Sturm an den Strand geworfen hatte: ein Haufen Holz, eine zerbrochene Schiffslaterne, ausgefranste Seilreste, eine tote Katze, ein einzelner Stiefel und etwas, das so aussah wie der angenagte Kopf von einem der Aale, die sie angegriffen hatten. Nichts Interessantes für Kit, abgesehen von einer mitgenommenen Lederweste. Sie mußte einem Seemann gehört haben, der kaum größer war als sie, denn sie paßte ziemlich gut. Als Kit sie anzog und die Überreste ihrer Bluse zurecht zog, sah sie fast schon wieder annehmbar aus.

Ein Rumpeln oben auf einer felsenübersäten Klippe ließ sie vermuten, daß oberhalb der Küste womöglich eine Straße war. Barfuß erklomm sie die Felsen.

Sie hatte recht gehabt: eine Straße. Kit sah aus einer Richtung einen offenen Wagen nahen, den sie winkend anhielt. Der Fahrer – offenbar ein Bauer – bremste in gutnachbarlicher Manier ab, musterte sie jedoch argwöhnisch. Sie war schon ein seltsamer Anblick in ihrer zusammengestückelten Aufmachung und mit dem schwertförmigen Bündel auf dem Rücken.

Kit schenkte ihm ihr verschmitztetes Lächeln.

»Schiffbrüchig«, sagte sie. »Mein Ziel ist da, wo Ihr hinwollt.«

Nach kurzem Zögern lächelte er. »Spring rein«, entschied er mit einer Geste auf den freien Platz neben sich. »Du siehst wirklich schiffbrüchig aus, auch wenn ich mal vermute, daß da noch mehr zu erzählen wäre.«

Sie stieg prompt auf, sagte aber nichts, was seine Neugier gestillt hätte. Er schien ihr das nicht krumm zu nehmen und ließ den Wagen wieder anfahren.

Kit bemerkte eine Wasserflasche neben dem Fahrer. Da sie so durstig war, konnte sie ihre Augen nicht davon losreißen. Wortlos reichte der Fahrer sie herüber.

Während sie trank, versuchte Kit, ihren Retter einzuordnen. Die schwarze Kapuze, die er zum Schutz vor der Sonne über den Kopf geschlagen hatte, vermittelte zunächst einen düsteren Eindruck. Doch auf den zweiten Blick sahen die Augen in dem wettergegerbten Gesicht recht freundlich aus.

Er fing ihren forschenden Blick auf und lächelte wieder. »Meine Name ist Rand«, sagte er. »Komm gerade vom Markt in Vocalion. Falls das dein Ziel war, da fahre ich jetzt erst in ein paar Tagen wieder hin, aber du kannst gern solange mit zu mir kommen. Ich geb’ dir was zu essen und finde vielleicht sogar ein paar anständige Kleider für dich. Bist nicht der erste halbertrunkene Seefahrer, den ich rette.«

Rand zwinkerte ihr freundlich zu. »Als Gegenleistung wünsche ich mir ein bißchen Hilfe auf meinem Hof.«

Kit fiel es schwer, überzeugende Freude zu heucheln. Auf einem Hof zu arbeiten konnte sie kaum begeistern, auch wenn es nur für wenige Tage war. Andererseits hörten sich Essen und frische Kleider wirklich gut an.

»Vocalion ist nur eine halbe Tagesreise entfernt«, fuhr Rand unbeeindruckt fort. »Ist kleiner als Osthafen, aber dort gibt es gute Geschäfte und was man sonst so braucht. Da findest du bestimmt Arbeit, mit der du über die Runden kommst. Wenn du nicht auf mich warten willst, brauchst du zu Fuß etwa einen Tag. Es ist allerdings nicht so, daß man es mit mir nicht ganz gut ein paar Tage aushalten kann.«

Rand redete einfach immer weiter vor sich hin, so daß Kit nicht viel antworten mußte. Da er praktisch mit sich selbst redete, konnte die junge Frau darüber nachdenken, was sie als nächstes tun würde. Osthafen kam nicht in Frage; diese Stadt wollte die Silberhecht anlaufen, wie sie wußte. Also konnte sie sich genausogut nach Vocalion aufmachen.

Es stellte sich heraus, daß Rand – ein Witwer – allein auf einem abgelegenen Gehöft lebte. »Mein Schlößchen«, hatte er verkündet, als sie vor einer geduckten Bauernkate hielten, die an einen Hügel gebaut war. Nach drei Tagen in der Kate war es für Kit alles andere als ein »Schlößchen«.