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Das Dach war mit Gras bewachsen, weshalb ständig Dreck herunterrieselte, besonders wenn Rands Ziegen zum Fressen hinaufkletterten. Drinnen war es dunkel, doch das sah Kit bald eher als Segen an, denn Rand war kein großer Hausmann.

Immerhin hatte er eine gut bestückte Vorratskammer. Mit ihrem Inhalt war er großzügig, und dazu gehörten nicht nur Ziegenmilch und Ziegenkäse, sondern auch alle Sorten Fleisch und frisches Obst. Neben seiner Ziegenzucht braute Rand im Schuppen neben der Scheune noch einen leckeren Honigwein, der in der Gegend so beliebt war, daß er immer etwas davon gegen andere Dinge eintauschen konnte, die er nicht selbst anbauen wollte.

»Weißt du was«, hatte er am ersten Tag erklärt, nachdem er zugesehen hatte, wie sie Brot, Käse, einen Apfel und zwei Portionen kaltes Hammelfleisch heruntergeschlungen hatte. »Wenn du hierbleibst und mir hilfst, den nächsten Schwung Met in die Fässer zu füllen, dann geb’ ich dir noch ein bißchen Geld mit auf den Weg. Es dauert nur drei Tage. Du wirst doch nicht wie ein Bettler in Vocalion auftauchen wollen.«

Kit vermutete, daß Rand in Wirklichkeit einen Zuhörer für sein Geschwätz suchte, doch sie hatte sich sowieso schon entschieden, ein paar Tage hierzubleiben, bevor sie nach Vocalion weiterzog. Also zeigte sie sich einverstanden. Bei Otik hatte sie gelernt, immer zuzuhören – oder zumindest so zu tun.

Die drei Tage vergingen wirklich schnell. Als die Zeit zum Aufbruch kam, hatte sich Kitiara wieder erholt, und obendrein war Rand mehr als großzügig mit der Handvoll Geld, die er ihr abzählte.

Sobald seine neue Fuhre Met abgefüllt war, schickte sich der Bauer an, sie – und Kitiara – nach Vocalion zu bringen.

»Du hast Glück«, erklärte ihr Rand beim Essen am Abend vor der Abfahrt. »Morgen ist der letzte Tag des berühmten Holzwaffenfestes von Vocalion. Zumindest in der Gegend hier berühmt«, grinste er. »Die Leute kommen jedes Jahr meilenweit angereist, um zuzuschauen und zu wetten.«

»Holzwaffenfest?« lachte Kit.

»Nur Waffen aus Holz«, sagte Rand und schlürfte an seinem Met. »Auf die Art kommt keiner zu Tode. Na ja, fast keiner. Der beste Mann gewinnt.«

Kit hörte mit halbem Ohr zu. Ein Turnier ohne Waffen, das machte doch keinen Spaß. Klang ganz nach einer Idee von Langweilern.

»Das Turnier dauert sieben Tage. Wer am ersten Tag gewinnt, kämpft am zweiten Tag zweimal und so weiter, bis die Woche um ist. Eine Niederlage, und man ist draußen.« Er schüttelte den Kopf. »Am siebten Tag ist nur noch der beste Kämpfer übrig – meistens dieser Camium. Am siebten Tag muß er sechs neue Herausforderer besiegen, einen nach dem anderen, ehe er den Preis bekommt. Aber er schafft es immer. Camium ist seit elf Jahren immer der Sieger.«

»Durch welches Geheimnis?« fragte Kit.

»Kein Geheimnis«, sagte Rand. »Ist einfach ein Schläger. Der beste Mann zwölf Jahre nacheinander.«

»Warum sagst du immer ›bester Mann‹?« fragte Kit leicht gereizt.

»Nur so eine Redensart«, antwortete Rand, der ihren Ärger nicht bemerkte. »Außerdem sind Frauen bei dem Kampf natürlich nicht zugelassen. Zum Glück für sie«, er schlürfte etwas Met, »denn Camium ist kein Kavalier.«

Kits Interesse war geweckt. »Was gibt es als Preis?«

»Oh, hab’ ich das nicht gesagt?« erwiderte Rand. »Eine Tasche Gold vom Veranstalter und dazu ein Zehntel von den Wetteinsätzen.«

»Und morgen ist der siebte Tag, sagst du?« fragte sie mit gerunzelter Stirn.

»Joh. Du solltest hingehen. Wetten dürfen Frauen immerhin.«Sie hatten für das Beladen des Wagens länger gebraucht, als Kit erwartet hätte, denn Rand war mit seinen Vorbereitungen äußerst sorgfältig. Als sie den Hof verließen, stand die Sonne hoch am Himmel, und bis die Stadt in Sicht kam, war Spätnachmittag. Rands Zugpferd stemmte sich ins Geschirr, um den Wagen auf eine Anhöhe zu ziehen, von der aus man auf eine türkisblaue Bucht sah. Kit hielt den Atem an. Sie wußte nicht viel über diesen Teil von Krynn, doch es überraschte sie, einen so malerischen Außenposten zu entdecken.

Die meisten Häuser von Vocalion schienen aus weißem Stein zu bestehen, der das Licht hell zurückwarf. Zum Land hin schützte eine Mauer mit Wachtürmen und Toren die Stadt. In dem niedlichen Hafen dümpelten zahlreiche Schiffe.

Als sie näher kamen, geriet ihr Wagen in eine Reihe Karren und Fußvolk, die alle auf Vocalion zuhielten. Kits Finger trommelten ungeduldig auf die Wagenbank. »So, ich spring’ einfach ab«, sagte Kit unvermittelt, während sie den Sack hochnahm, in dem ihr Schwert, ein paar Kleidungsstücke von Rand und ein paar Lebensmittel steckten.

»Danke für alles, Rand«, fügte Kit hinzu.

Rand hatte kaum noch Zeit, sich zu wundern, da rannte sie schon vor ihm die Straße hinunter. »Viel Glück, Kitiara«, rief er ihr nach.

Nachdem sie ein paar Minuten gelaufen war, betrat Kitiara die Stadt und schlüpfte hinter zwei breitschultrige Kerle, die sie für Mitglieder der Stadtwache hielt, denn beide hatten die gleichen Insignien auf Helmen und Brustpanzern. Die Menge machte diesen beiden etwas Platz, so daß Kit hinter ihnen rasch vorwärts kam.

Sie fing Gesprächsfetzen auf.

»Hast du was gehört? Wie Camium sich heute schlägt?« fragte ein Dicker. »Das Turnier müßte fast vorbei sein.«

»Wo ist das Problem?« gab sein Begleiter zurück. »Camium hat seit Jahren keinen Kampf verloren.«

»Was für ein Kämpfer! Hast du den Kampf gegen Minotaurus gesehen? Nach einer halben Stunde hatte Camium das Untier auf den Knien, doch der Minotaurus hat immer noch nicht aufgegeben – du weißt ja, wie stolz diese Rasse ist –, darum mußte Camium ihn mit seiner Keule bewußtlos schlagen. Danach war es keine Frage mehr, wer gewonnen hatte.«

Die Wachen bogen in eine Seitenstraße ab, womit Kit sich selbst überlassen war. Jetzt war sie noch entschlossener, zum Turnier zu gelangen, bevor es vorbei war, und wenn auch nur, um einen Blick auf diesen Camium zu erhaschen, dessen Ruf sie faszinierte. Plakate für das Holzwaffenfest hingen in den Straßen nach Norden. Eilig lief sie zwischen den Leuten hindurch in diese Richtung.

Das Kolosseum von Vocalion war klein, aber eindrucksvoll, ein rundes Bauwerk mit Arkaden, das die geduckten Häuschen und Schenken drumherum überragte. Draußen standen scharenweise Menschen in Trauben zusammen, die redeten und lachten. Aber von drinnen hörte Kitiara Hunderte brüllen, klatschen und fluchen.

Kit drängelte sich zu einem Wettstand durch.

»Wer von Camiums Gegnern hat die besten Chancen?« fragte sie einen schmierigen Kerl mit roter Knollennase.

»Wo kommst du denn her, Kleine?« erwiderte der Mann mit einem Seufzer. »Das ist der letzte Kampf, und keiner setzt gegen Camium. Camium ist noch nicht einmal erschöpft. In ein paar Minuten ist alles vorbei. Spar dir dein Geld.«

Das hatte sie nicht erwartet. Sie trat vom Wettstand zurück und sah sich enttäuscht um, wobei sie den Eingang zum Kolosseum entdeckte.

Der Lärm von drinnen schwoll an. Na schön, jetzt war sie so weit vorgedrungen, da konnte sie genausogut die letzten paar Minuten vom Kampf mitansehen. Kitiara wollte gerade zum Eingang gehen, als sie eine offene Seitentür bemerkte.

Nachdem sie hindurchgeschlüpft war, befand sich Kit in einem engen, unbeleuchteten Gang, der zu dem Warteraum führte, in dem sich die Gegner auf ihre Kämpfe vorbereiteten. Als sie den Raum betrat, stieß sie auf einen kleinen Jungen mit Besen, Bürste und einem riesigen Holzeimer. Er schrubbte an etwas herum, das wie getrocknete Blutflecken aussah.

Am gegenüberliegenden Ende des Raums führte ein zweiter, kürzerer und engerer Gang zu einem kleinen Ausgang, der von hellem Sonnenlicht erleuchtet war. Durch die Tür konnte Kitiara im Gegenlicht unscharf zwei Gestalten erkennen, die einander draußen in der Arena umkreisten. Die Menge brüllte und johlte.