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Ehe Camium eine Bewegung machen konnte, war ihm Kitiara auf die Schultern gesprungen und hatte ihm den Eimer über den Kopf gestülpt, wobei sie den Boden herausschlug und das Ding herunterdrückte, bis es um seine Brust lag und seine Arme festhielt. Der Schwung ihres Angriffs warf den Zwerg zunächst um, und Kit nahm die grobe Bürste und fuhr ihm damit über das Gesicht, wobei sie die rechte Hälfte seines Barts größtenteils herausriß, bevor sie in den Zotteln hängenblieb.

So ein Jaulen hatten die Zuschauer noch nie gehört. Und vor allem nicht aus dem Mund von Camium Eisenbieger. Schweigen griff um sich, als Camium mühsam hochkam, obwohl er immer noch in dem Eimer steckte. Sein Gesicht war schamrot.

Er versuchte, den Eimer zu sprengen, doch die Eisenbänder hielten.

Kitiara hatte seine Keule fortgerissen, mit der sie ihm jetzt, so fest sie konnte, wieder und wieder auf den Kopf schlug, ein halbes dutzendmal. Der Zwerg taumelte, drehte sich, taumelte noch mehr, kippte aber nicht um.

Kitiara holte mit aller Kraft aus und schlug ihm die Keule ins Gesicht. Camium fiel nach rechts, tänzelte ein paar Schritte herum, taumelte wieder. Doch er kippte nicht um.

Camiums Augen waren zugeschwollen. Er konnte seine Arme nicht bewegen. Die Bürste baumelte von seinem Bart herunter. Blut tropfte unter dem Eimer heraus, denn Kitiara hatte mit ihren Schlägen die Haut aufgerissen.

Doch noch immer kippte Camium Eisenbieger, elffacher Held des Holzwaffenfestes, nicht um.

Kit bezweifelte, daß er überhaupt noch bei Bewußtsein war. Sie hatte Respekt vor dem alten Zwerg und wollte ihn nicht noch schwerer verletzen oder noch schlimmer beschämen. Mit einem müden Augenaufschlag sah sie in stummem Flehen die Richter an.

Nach hastiger Beratung hoben die drei Schiedsrichter ihre Arme, um ein Unentschieden zu verkünden. Der Preis sollte gerecht geteilt werden.

Die Menge explodierte.

Camium wankte.

Kit brach zusammen.

Ein paar Stunden später, Stunden voller Heiler und Gratulanten, saß Kit schließlich allein auf einer Steinbank im Waffenraum und bewegte voller Schmerzen ihren Kiefer hin und her.

Allein bis auf einen großen Fremden voller Heimlichtuerei, der gewartet hatte, bis die anderen fort waren. Er machte ihr keine Angst. Wenn sie Camium Eisenbieger bis zum Patt bekämpfen konnte, würde sie auch mit jedem anderen fertig werden.

Dennoch überraschte sie die Stimme des Mannes. »Du gibst dich wohl immer für einen Mann aus«, bemerkte der Fremde, der sich vor sie gestellt hatte.

»Ursa!« Voller Bitterkeit spie sie den Namen aus und sprang auf. Sie sah sich um, welche Waffe sie nehmen sollte.

»Hoi!« sagte Ursa Il Kinth, der sich wachsam umschaute. »Nicht so laut.«

Sie machte einen Schritt. Er packte ihren Arm, allerdings freundlich. »Für heute hast du genug gekämpft«, drängte Ursa leise.

Dann ließ er ihren Arm los. Kitiara hielt mit blitzenden Augen die Stellung. All ihre Müdigkeit war verflogen, neue Kraft war plötzlich in ihr aufgestiegen. »Ich schulde dir noch eine Tracht Prügel von damals!« sagte Kit wütend.

Er setzte sich und zog seine Kapuze herunter, um seine langen braunen Haare zu schütteln. Kit hatte Zeit, eine Waffe zu ziehen – und das tat sie. Ihre Tasche mit dem Schwert war auf der anderen Seite des Raums. Der dicke Knüppel, den sie sich schnappte, würde reichen müssen.

Sie wartete auf Ursas Reaktion, doch der saß nur da und starrte sie mit seinen dunklen, glitzernden Augen an.

»Ja«, meinte er zuletzt mit nüchterner Stimme. »Das war schon ein schlechtes Geschäft. Du schuldest mir eine Tracht Prügel, und ich schulde dir deinen Anteil an… an der Sache.«

»Und wo ist der? Glaub bloß nicht, daß du diesmal davonkommst, ohne ihn mir zu geben!« Sie stieß ihm mit dem Knüppel gegen die Brust.

Halbherzig schob er die Waffe beiseite. »Sei doch nicht blöd«, sagte er. »Du bist jetzt besser dran als ich.« Sie tätschelte den halbvollen Beutel Gold in ihrer Tasche. Ursas Augen beobachteten sie etwas nachdenklich.

»Ich schulde dir etwas«, fuhr er fort. »Das bestreite ich gar nicht. Aber ich freue mich, dich zu sehen. Merkst du das nicht? Auch wenn du mich einiges von dem bißchen Geld gekostet hast, das ich noch hatte.« Er grinste einfältig. »Wie jeder andere habe ich auf Camium gesetzt.«

Sie schnaubte ohne viel Mitleid.

»Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich dich erkannt habe. Aber schließlich mußte ich ja die armselige Verkleidung der Frau durchschauen, die mich schon als Mädchen den Wert einer Holzwaffe gelehrt hat«, sagte er spöttisch. »Schon damals warst du keine schlechte Kämpferin, aber inzwischen bist du verdammt eindrucksvoll, gebe ich zu. Was machst du überhaupt hier in der Gegend?«

Kit runzelte besänftigt die Stirn. Eigentlich war sie sogar froh, den dreist grinsenden Ursa wiederzusehen. Er meinte es offensichtlich ehrlich, wenn er auch etwas bedrückt wirkte. »Erst du«, sagte sie, nachdem sie ihren Knüppel heruntergenommen hatte. »Was machst denn du hier?«

»Ich habe einen Auftrag«, sagte er, wobei sich sein Gesicht aufhellte. »Ich und Schlaukopf – ja, der ist immer noch dabei. Die anderen nicht.« Ursas Gesicht wurde wieder finsterer. »Von den anderen erzähle ich dir später. Und was ist mit dir?«

Sie sah keinen Grund, etwas zu verschweigen. Kit erzählte ihm kurz die Geschichte ihrer vorgetäuschten Verlobung mit Patrick, der Seereise, dem ungeklärten Mord und ihrer Flucht über Bord. Das alles schien schon Jahre her zu sein.

»Die Silberhecht!« rief Ursa aus. »Alle Zuschauer haben von diesem Schiff geredet. Es ist heute nachmittag zur Reparatur in Vocalion eingelaufen. Liegt zur Zeit im Hafen. Es heißt, der Kapitän wäre vollkommen aufgelöst, weil er mit der Leiche seines Herrn an Bord zum Heimathafen segeln muß.«

Diese Nachricht überraschte Kit. »Wenn die Silberhecht hier ist«, unterbrach sie ihn aufgeregt, »dann könnte ich womöglich Cinnamon zurückbekommen.«

»Wenn es wahr ist, was du mir erzählt hast«, sagte Ursa, »dann solltest du lieber vorsichtig sein.«

»Stimmt…«

»Weißt du was«, sagte Ursa. »Schließ dich mir an, dann hol ich dir Cinnamon irgendwie zurück.«

Kit wollte schon Einwände erheben, als er die Hand hob. »Und sobald es geht, werde ich dir zurückzahlen, was ich dir schulde«, versprach der Söldner. »Darauf kannst du dich verlassen.«

Ursas großer, gebeugter Gefährte wartete auf einem schmutzigen Stück Hafenmauer auf sie. Trauerkloß – sie konnte ihn in Gedanken nicht anders nennen – zeigte keinerlei Überraschung und auch keine sonstige Reaktion, daß Kit nach zwei Jahren wieder bei ihnen war. Sie hingegen hätte dem Verräter am liebsten das Schwert – oder etwas anderes – an den Hals gesetzt, doch Ursa hielt sie davon ab.

Eins mußte sie stillschweigend eingestehen: Die Vorstellung, wieder mit den beiden zusammenzuarbeiten, gefiel ihr.

»Da ist sie! Ich sehe sie!« rief Kit. Die Silberhecht hatte an einem Pier abseits von der offenen See angedockt. Ein Fallreep führte hinauf. Sie glaubte, La Cava an Deck zu sehen, und zog ihre Begleiter in die Schatten einer Seitengasse.

»Das ist der Kapitän. Ich rate dir, ihm nicht über den Weg zu laufen, egal was du vorhast. Ich glaube, er ist dir gewachsen oder sogar überlegen«, weihte Kit Ursa ein.

Die junge Frau spähte wieder um die Ecke; mehrere Passagiere kehrten über das Fallreep zurück. Keine Spur von Cinnamon, die wahrscheinlich unten versorgt wurde.

»Unsere Pferde stehen in einem Stall am Stadtrand. Du holst sie mit Schlaukopf zusammen und bringst sie an den Rand der Marsch östlich von hier. Schlaukopf weiß schon, wo ich meine.«