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Trauerkloß nickte schweigend.

»Dort wartet ihr auf mich«, fuhr Ursa fort. »Ich komme, sobald ich kann. Wenn man Cinnamon überhaupt entführen kann, dann bin ich der Mann dafür.« Ein Teil seiner alten Großspurigkeit war zurück.

Trauerkloß drehte sich um, und Kit stand auf und folgte ihm. Ursa legte ihr die Hand auf den Arm. »Warte, Kit«, sagte er. »Was ist mit dem Gold?«

Sie machte den Mund auf und wollte protestieren.

»Für Bestechungen«, grinste er, »und sonstige Auslagen.«

Seufzend griff sie in die Tasche und gab ihm den Beutel. Ursa hatte recht. Sie konnte ihm auch gleich ganz vertrauen. Und sie hatte sich sowieso nicht eingebildet, ihr Gold besonders lange zu behalten.

Die drei traten aus dem Gäßchen zwischen zwei Gebäuden heraus. Kit und Trauerkloß verschwanden in die eine Richtung; Ursa tauchte auf der anderen in der Menge unter. Nachdem sie sich getrennt hatten, tauchte in einem Eingang in der Nähe eine vermummte Gestalt auf, die ihnen hinterherstarrte. Hätte Kit sich umgesehen, so hätte sie den Dunkelelfen von der Silberhecht erkannt.

13

Die Slighöhle

Kitiara und Trauerkloß warteten bereits seit fast zwei Tagen am verabredeten Treffpunkt am Rande einer schilfbestandenen Marsch zehn Meilen östlich von Vocalion. Zuerst war Kit geduldig, doch mit der Zeit wurde sie unruhig, denn sie befürchtete, Ursa könnte etwas zugestoßen sein.

Ihr einfaches Lager lag, von hohem Riedgras verborgen, abseits der Hauptstraße. Um sie herum erstreckte sich eine spärlich bewaldete Tiefebene mit einzelnen Tümpeln und Eisflächen. Weit im Norden konnte Kit eine Bergkette mit schneebedeckten Gipfeln erkennen.

Während der Wartezeit hatte Trauerkloß kaum etwas gesagt, wie das bei ihm üblich war. Falls der große, gebeugte, trübselige Mann sich wegen Ursa Gedanken machte, hatte er ihr das jedenfalls nicht gezeigt. Er war wieder so wie immer und las ungerührt in seinem Zauberbuch, wobei er die Lippen tonlos bewegte und gelegentlich die Seiten vollsabberte.

Als ihre Nerven vom Warten schon völlig am Ende waren, hörte Kit Hufgeklapper und dann die Geräusche von mehreren Pferden, welche die Hauptstraße verlassen hatten und in ihre Richtung kamen. Ihr wurde klar, daß Trauerkloß besorgter gewesen sein mußte, als er sich hatte anmerken lassen, denn er war sofort aufgestanden und erwartungsvoll von einem Bein aufs andere getreten.

Ursa tauchte auf, und Kits Herz machte einen Sprung, als sie ihr eigenes Pferd hinter ihm hertraben sah. »Cinnamon!« rief sie glücklich und rannte los, um das Pferd ihres Vaters loszubinden und Cinnamon fest zu umarmen. »Wie hast du sie zurückbekommen?« fragte sie Ursa. »Wie – «

Noch während sie diese Frage stellte, nahm Kit einen weiteren Reiter wahr, der gleich hinter Ursa ritt und ein geschecktes Pony hinter sich herzog. Dieser Reiter hatte lange, offene sandfarbene Haare, die mit Federn geschmückt waren, trug eine bemalte Lederweste und ebensolche Armbänder. Am meisten überraschte Kit jedoch, daß es sich bei dem Fremden um eine junge Frau handelte.

Das neue Mitglied der Gruppe sprang graziös vom Pferd. Sie war ziemlich klein und von fast pygmäenhafter Statur, jedoch offensichtlich gelenkig und kräftig. Während sie Kit betrachtete, fingerte sie an dem Dolch in ihrem Gürtel herum.

»War nicht einfach«, prahlte Ursa, der ein meckerndes Gelächter ausstieß, während er sein Pferd abband. »Der Kapitän von dem Schiff, ich glaube, der wollte dein Pferd selbst behalten. Cinnamon wurde erstklassig behandelt. Sie haben sie die ganze Zeit bewacht, und ich konnte kaum in ihre Nähe kommen, ohne Verdacht zu erregen. Immerhin erfuhr ich, daß sie zweimal am Tag an Land gebracht und herumgeführt wurde. Ich hab mir gedacht, daß das Schiff höchstens eine Woche im Hafen liegen würde. Dadurch hatte ich Zeit für einen alten Trick.«

Als er sich zu Kit umwandte, merkte Ursa, daß sie finster die neue Frau anstarrte, welche ihrem Blick kühl begegnete.

»Oh«, sagte Ursa, der seine kleine Überraschung genoß. »Das ist Colo. Sie ist schon ein paar Monate mit Schlaukopf und mir unterwegs. Colo, das ist Kitiara – ich habe dir von ihr erzählt.«

»Mir hast du nichts von Colo erzählt«, sagte Kit verstimmt.

Die andere hielt ihrem Blick wacker stand.

»Colo ist zäh«, warb Ursa, »und eine gute Kämpferin. Frag Trauerkloß.«

Trauerkloß, der sich wieder hingesetzt hatte, murmelte etwas Zustimmendes.

Als Kit diese Information abwog, entspannte sich ihr Gesicht. »Kitiara Uth Matar«, sagte sie und streckte zur Begrüßung die Hand hin.

Colo schlug die Hand aus, musterte Kit noch einmal und lief dann ein paar Schritte fort, wo sie sich mit dem Rücken zum Lagerplatz hinhockte und sich an etwas zu schaffen machte. Als Kit ihr über die Schulter guckte, sah sie, daß die kleine Söldnerin dabei war, einen Becher mit Steinen und Knochen zu werfen, um deren Stellung zu deuten.

»Nicht sehr freundlich«, maulte Kit Ursa an, ohne es allerdings besonders ernst zu meinen. Der Söldner hatte sich auf einen Stein am Feuer gesetzt, das sie und Trauerkloß angezündet hatten. Kit goß sich Tee ein, den sie über den niedrigen Flammen warm gehalten hatten.

»Ist nicht deine Schuld«, sagte Ursa mit gerunzelter Stirn. »Sie ist davon überzeugt, daß wir unter einem schlechten Stern stehen.«

»Wie aufmunternd.«

Ursa fing an, seine Decke auszurollen. »Nur eine Pechsträhne«, sagte er, während sein Mund zu einer harten, dünnen Linie wurde. »Hat vor vier Monaten angefangen, als Radisson umkam und El-Navar verschwand. Seitdem sind wir ständig auf der Flucht. Konnten noch nichts wieder anfangen. Sie glaubt, daß wir verfolgt werden.«

»Verfolgt?« fragte Kit. »Von wem?«

»Wer es auch war, wir haben ihn abgehängt«, prahlte Ursa zuversichtlich. »Wir haben uns im Zickzack bewegt und unsere Spuren verwischt. Jetzt wendet sich das Glück. Schließlich konnte ich Cinnamon befreien, und das ist doch Beweis genug, nicht?«

»Was war denn mit Radisson – und El-Navar?« mußte Kit fragen. »Du hast mir nicht erzählt, was ihnen passiert ist.«

Er setzte sich ihr gegenüber auf einen Felsblock. Kit fiel auf, daß Trauerkloß sein Buch gesenkt hatte und genau zuhörte. Colo achtete nicht auf sie, sondern wandte ihnen immer noch den Rücken zu und befragte ihr Orakel.

»Wir waren vor einem unbedeutenden kleinen Ort auf der anderen Seite des Kanals und dreihundert Meilen südwestlich von hier. Radisson und El-Navar gingen in den Ort, weil sie etwas trinken wollten und« – jetzt beobachtete er Kits Reaktion genau – »weibliche Gesellschaft suchten. Sie gingen in die Taverne ›Doppelmünze‹. Die kennt jeder, ist in der Gegend ein alter Treffpunkt für Reisende. Dort hätten sie sicher sein müssen. Wir waren vierzig Meilen von jedem Feind entfernt, vierzig Meilen weit fort von unserem letzten Auftrag.«

»Aber es hatte Zeichen gegeben«, warf Trauerkloß ernst ein.

Kitiara war so überrascht, den traurigen Söldner mit so fester Stimme reden zu hören, daß ihr beinahe ihre Blechtasse ins Feuer fiel. Ursa, der sich gerade selbst Tee eingoß, nickte bei dem Kommentar.

»Ja. Jemand oder etwas ist uns gefolgt. Ich weiß nicht, wer oder warum. Es waren unbekannte Vögel am Himmel, und bei Nacht gab es merkwürdige Geräusche. Ich hielt es für klüger, Menschen zu meiden und zusammenzubleiben. Aber Radisson wollte los und sich amüsieren, und El-Navar sagte, er wollte mitgehen.« Stirnrunzelnd hielt er inne. »Sie hätten sicher sein müssen. Radisson ist schlauer als die meisten anderen, und El-Navar ist so stark wie ein halbes Dutzend Mann zusammen.«

»Was ist passiert?« fragte Kit drängend.

»Wissen wir nicht.« Trauerkloß schüttelte trübsinnig den Kopf. »Wissen wir nicht.«

»Als sie nicht zurückkamen«, fuhr Ursa fort, »gingen wir in den Ort, um sie zu suchen. Die ›Doppelmünze‹ war dem Erdboden gleichgemacht – völlig zerstört. Es war, als hätte man das Haus entwurzelt, in Stücke gerissen und irgendwohin gesaugt.