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Es war der Elf, den Kit auf der Silberhecht gesehen hatte. Zum ersten Mal sah Kit ihn aus der Nähe – das mandelförmige Gesicht, die langen, spitzen Ohren, der hochmütige Ausdruck. Der Dunkelelf zeigte keine Furcht, sondern starrte sie dreist an, während er versuchte aufzustehen.

Colo schlug ihm einfach ins Gesicht, woraufhin Blut von seiner Lippe tröpfelte. Es gab eine lange Pause, bis der Dunkelelf langsam seine Zähne zu einem bitteren Lächeln fletschte. Colo schlug ihn wieder.

»Wo ist er? Wo sind sie hin?« wollte sie wissen.

»Weit fort von hier«, antwortete er gepreßt.

»Wie?« fragte sie.

»Zauberwind.«

Colo nickte Kit zu.

»Warum seid ihr nicht mitgegangen?« fragte sie.

»Weil wir das Mädchen verloren hatten«, sagte er mit einem Nicken zu Kit.

Kits Augen wurden größer. »Du hast mich schon auf dem Schiff verfolgt, oder?« bohrte sie.

»Nein«, sagte er. »Das war Zufall. Ich bin niemandem gefolgt. Aber dann habe ich das Schwert bemerkt, das Patrick trug.«

»Du hast ihn umgebracht!« herrschte Kit ihn an.

Jetzt hörte Colo mit großen Augen zu, während sie versuchte, alles zusammenzusetzen.

»Ich habe ihn umgebracht«, sagte der Dunkelelf, »und ich wollte das Schwert stehlen, doch ich wurde gestört. Das Schwert verschwand, und mir wurde klar, daß du es genommen hattest. Ich dachte, du wärst ertrunken, aber nachdem dein Pferd gestohlen wurde, reimte ich mir alles zusammen. Ich hätte nicht Patrick umbringen müssen, sondern dich. Wer bist du überhaupt?«

»Kitiara Uth Matar«, sagte sie stolz. »Sagt dir das etwas?«

Das sagte ihm gar nichts, verriet sein Gesicht. Er hatte ihren Namen noch nie gehört.

»Was wollt ihr von Ursa?« Colo nahm das Verhör wieder auf.

»Ich persönlich überhaupt nichts«, sagte der Elf hochmütig. »Meine Herrin hat gut für ihn bezahlt. Für die da würde sie mehr zahlen.«

»Wer ist deine Herrin?« wollte Kitiara wissen.

»Luz Mantilla. Eine Adlige, die sich an denen rächen will, die ihren Geliebten ermordet haben.«

»Lady Mantilla!« rief Kit aus.

»Du hast von ihr gehört«, sagte der Elf befriedigt. »Sie ist eine Verrückte, die genug Geld hat, um Dutzende von Zauberern, Spionen und Assassinen zu beschäftigen. Ihr Leben hat sie der Suche nach den Söldnern gewidmet, die ihren Verlobten überfallen und ermordet haben, einen unschuldigen Edelmann. Es waren fünf. Wir konnten bisher immer nur vier benennen. Wir wagten nicht, ohne den fünften zurückzukommen – und das bist du. Kitiara Uth Matar.«

»Zurückkommen, wohin?« fragte Colo.

Der Dunkelelf sprach mit beinah bösartigem Triumph. »In ein kleines, einstmals blühendes Reich auf der anderen Seite des Ostwall-Gebirges, heute ein totes, steiniges Land voller schwarzer Magie. Ein Ort der Hölle. Ich bin nie dort gewesen. Kontakt und Geld gingen über Kraven.« Kalt nickte er zu dem toten Elfen hin.

Ein langes, lastendes Schweigen machte sich breit.

»Ich glaube, ich weiß, wo es ist«, sagte Kit zu Colo.

Colo zog sie beiseite, damit sie außerhalb der Hörweite des Elfen reden konnten. Sie hockten sich ins Mondlicht und sprachen gedämpft. Colos Gesicht war ernst. »Du weißt also doch etwas?«

Kit wartete einen Augenblick, bevor sie redete. »Es war Ursas Auftrag. Ich bin mitgekommen und habe geholfen, die Verfolger abzulenken. Nach dem, was er mir erzählt hat, ging die Sache schief, und dieser Beck, ein junger Adliger, kam um.«

Einen Augenblick blitzte jene Nacht vor Kitiara auf – die Erinnerung an Beck, sein lebloses Gesicht, seinen verstümmelten Körper.

»Ihr habt das Geld nicht gekriegt?« fragte Colo.

»Oh, ich habe kein Geld gekriegt«, sagte Kit bitter und trocken, »die anderen schon. Radisson, Trauerkloß, Ursa und« – ihre Stimme zitterte – »El-Navar. Sie haben mich beim Teilen der Beute ausgeschlossen und sind ohne mich weitergeritten. Ursa gab mir das Schwert hier als ›Belohnung‹. Es ist Becks Schwert.« Sie zeigte auf das Schwert in ihrer Hand, mit dessen Spitze sie unablässig im Boden herumstocherte.

»Und dann?« fragte Colo.

»Beck Gwatmey war mit einer Adligen auf der anderen Seite der Berge verlobt«, fuhr Kit fort. »Um die Ehe zu besiegeln, wurde eine Straße gebaut. Durch seinen Tod brach alles zusammen. Ich blieb ein paar Monate lang in Stumpfhausen hängen, einem kleinen Nest, wo ich viel Gerede über das hörte, was passierte. Luz Mantilla verlor den Verstand, hieß es, und brachte ihren eigenen Vater um. Er hatte den Hinterhalt geplant, um die Ehe zu verhindern. Sie schwor, sie würde die bezahlten Killer aufspüren. Niemand hat je gewußt, daß ich dabei war.«

»Außer den anderen vier«, sagte Colo.

»Radisson ist wahrscheinlich gestorben, bevor er etwas verraten konnte«, überlegte Kitiara. »Was aus dem Karnuthier wurde, weiß keiner. Und jetzt hat Luz Ursa…«

»Wo ist das?« fragte Colo.

»Jenseits des Kanals, dann eine Woche zu Pferd, Hunderte von Meilen durch bergiges Gelände.«

»Bestimmt hat sie der magische Sturm dorthin gebracht.«

Kit sagte nichts. Beide blickten sich zu dem Dunkelelfen um. Er stand gefesselt da, das Seil in einer engen Schlinge um den Hals, und sah sie haßerfüllt an.

»Sie kennen deinen Namen noch nicht und wissen nicht, daß du dabei warst«, meinte Colo.

»Solange Ursa ihnen nichts erzählt.«

»Falls er noch lebt.«

»Das ist so lange her«, überlegte Kitiara. »Drei Jahre. Ich hatte es fast vergessen. Bis auf…«

»Bis auf was?« Colo sah ihr tief in die Augen.

Kitiara wich ihrem Blick aus. »Nichts«, sagte sie.

Colo stand auf, nahm einen tiefen Schluck Wasser aus einer Blechtasse am Lagerfeuer und betrachtete den Dunkelelfen. Der lachte und spuckte in ihre Richtung. Sie gingen zu den zwei Pferden, um gezielt die Satteltaschen aufzuschneiden und die paar wertvollen Dinge herauszuholen – eine schwere Börse, Trockennahrung und eine zerknitterte Karte, die sie befriedigt Kit entgegenhielt.

»Was hast du vor?« fragte Kit.

»Was glaubst du wohl?« erwiderte Colo irritiert. »Ich werde Ursa nachreiten. Was ist mit dir?«

»Ich – ich weiß nicht«, sagte Kitiara.

»Bist du das einem Mann nicht schuldig, mit dem du im Bett warst?«

»Ich war nie mit Ursa im Bett«, erwiderte Kitiara.

»Du lügst.«

»Nein.«

Ihre Blicke trafen sich. Die Sekunden verstrichen. Colo wollte sich gerade abwenden, als Kit sich entschieden hatte.

»Ich komme mit«, erklärte sie.

Colo zog den Dolch, den sie dem toten Dunkelelfen abgenommen hatte, und reichte ihn Kit. »Was ist mit dem?« fragte Colo vielsagend. »Er weiß jetzt, wer du bist.«

Kitiara zögerte nur einen Moment lang, bevor sie den Dolch nahm und zu dem Gefangenen ging. Der große Dunkelelf starrte sie verdrossen an. »Erwarte nicht, daß ich bettle«, sagte er kalt.

Kit griff ihm in die Haare, riß seinen Kopf zurück und schlitzte ihm die Kehle auf. Er starb ohne ein weiteres Wort.

»Das war für Cinnamon«, murmelte sie. Und für Patrick, ergänzte sie in Gedanken.

Sie wischte das Messer an ihrer Hose ab und gab es Colo zurück. Die beiden sahen sich an. Kit nahm das eine von den Elfenpferden, Colo das andere. Die zwei Tiere waren starke schwarze Rösser. Den Maulesel von Trauerkloß, der ihnen gute Dienste geleistet hatte, ließen sie frei.

Trotz der späten Stunde schwangen sie sich auf die Pferde und ritten los.

In fieberhafter Eile hielten sie nach Südosten auf die Küstendörfer nördlich von Vocalion zu, wo Kit nicht erkannt werden würde. Die skizzenhafte Karte des Dunkelelfen wies ihnen den nächsten Weg in die Talfestung der Mantillas im Ostwall-Gebirge. Aber zunächst mußten sie den Kanal nach Abanasinia überqueren.